TIroler Arbeiterzeitung

ZEITUNG FÜR ARBEIT UND KONSUMENTENSCHUTZ DER KAMMER FÜR ARBEITER UND ANGESTELLTE FÜR TIROL 10. JG. , MAI 2018 | NR. 107 Österreichische Post AG | Postentgelt bar bezahlt | Verlagsort 6020 Innsbruck | RM 12A039146 K TIROLER ARBEITERZEITUNG W as können die Arbeitnehmer- Familien von einer Regierung erwarten, die den 12-Stunden-Arbeitstag gesetzlich verordnen will? Wie einseitig wirtschaftshörig oder schlicht kurzsichtig ist denn das? Einfach die Arbeitszeit nach oben zu schrauben, ist angesichts der bevorstehenden Herausforderungen der Digitalisierung und des damit verbun- denen enormen Produktivitätszuwachses keine Lösung. Nein, vielmehr würde das der Entwicklung des Wirtschaftsstand- ortes Österreich schaden! Und es ist eine weitere Maßnahme, die zu noch weniger Planbarkeit und Flexibilität der eigenen Entwicklungsmöglichkeiten führt. Ein Arbeitstag mit 12 Stunden, eine Ar- beitswoche mit 60 Stunden schränken die Möglichkeit zur Weiterbildung ein und verschärfen den Fachkräftemangel. Ein 12-Stunden-Arbeitstag ist schlecht für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und schadet der Gesundheit der Menschen. Die schon bisher zwischen den Geschlech- tern, aber auch den Beschäftigten insge- samt ungerechte Arbeitszeitverteilung würde durch eine Erhöhung der Arbeits- zeithöchstgrenzen noch ungünstiger. Dass lange und überlange Arbeitszeiten krankmachen, ist ebenso wissenschaftlich nachgewiesen, wie das stetige Abnehmen der Arbeitsproduktivität und die erhöhte Fehleranfälligkeit ohne ausreichende Erholungsphasen. Dabei arbeiten wir hierzulande schon derzeit im Schnitt 41,5 Stunden proWo- che und liegen damit im EU-Spitzenfeld. Und es gibt bereits jetzt großzügige Aus- nahmeregelungen. 12-Stunden-Tage und 60-Stunden-Wochen sind bereichsweise schon derzeit möglich. Genügt das noch nicht? Müssen die Menschen noch stärker belastet werden? InWirklichkeit geht es der Wirtschaft um die generelle Möglichkeit, Arbeit auf Abruf umzusetzen - und die Regierung will das verordnen! Da ist dann plötzlich keine Rede mehr vom Schutz der Familien und des kleinen Mannes oder gar von christlich-sozialer Gesinnung. Eine gesetz- liche 12-Stunden-Regelung erhöht den Druck auf die Beschäftigten und zerstört die Familien- und Freizeit-Struktur in unserem Land. Die Arbeitnehmer-Familien leben nicht, um zu arbeiten, sondern sie arbeiten, um davon zu leben. Das muss auch eine noch so wirtschaftsliberale Regierung endlich zur Kenntnis nehmen. AK Präsident Erwin Zangerl Arbeitszeit ist unsere Lebenszeit KOMMENTIERT ENTLARVT: © olly /stock.adobe.com Die Fakes der neuen Regierung Klartext. Ob AUVA, Hartz IV oder 12-Stunden-Tag: Für ihre Pläne zum Umbau des Staats setzt die Bundesregierung gezielt auf Fehlinformation. Und riskiert den sozialen Frieden. M FAKE: Bei der AUVA können 500 Millionen einge- spart werden – ohne Leistungsminderungen. C FAKT Das gesamte Verwal- tungsbudget der AUVA beträgt nur 92 Mio. Euro. Einsparungen sind daher nur imVersor- gungsbereich möglich. M FAKE: Die Sozialversiche- rungsträger spekulieren mit einemMilliarden- vermögen. C FAKT Die Sozialversiche- rungsträger sind ge- setzlich verpflichtet, Rücklagen zu bilden. Derzeit sind 1,4 Mrd. Euro sicher angelegt. M FAKE: Ein Hartz-IV-Modell nach deutschemVorbild wird es in Österreich nicht geben. C FAKT Mit der Abschaffung der Notstandshilfe wird ein Hartz-IV-Modell reali- siert. Betroffen davon sind vorerst an die 170.000 Menschen. M FAKE: Die Wirtschaft braucht den 12-Stunden-Tag, um wettbewerbsfähig zu bleiben. C FAKT Bei einem generellen 12-Stunden-Tag gehen den Arbeitnehmern an die 1,5 Mrd. Euro an Überstundenzuschlä- gen verloren. M FAKE: Die Absenkung des Arbeitslosenversiche- rungsbeitrages entlastet niedrige Einkommen. C FAKT Gerade jene, die wenig verdienen (bis 1.381 brutto/Monat) werden nicht entlastet, im- merhin 1,4 Millionen Arbeitnehmer. S ie sind das Übel unserer Zeit und seit Donald Trump re- gierungsfähig: Fake News, jene Nachrichten, die unter Vortäuschung falscher Tatsachen ver- bergen wollen, was sie wirklich sind – nämlich ein Schwindel. In Öster- reich kommen sie derzeit unter dem Deckmantel des Einsparungs-, Ent- lastungs- und Modernisierungsge- dankens zum Einsatz. Und sie sollen helfen, den geplanten Kahlschlag im Sozialsystem zu verharmlosen. Stufe 1: Die Vernebelung. Sie wird immer dann eingesetzt, wenn man etwas feiern möchte, obwohl es nichts zu feiern gibt. Bestes Beispiel: Die angekündigte Absenkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags. Dadurch sollen geringe Einkommen entlastet werden. Was als soziale Maßnahme hochgejubelt wird, ist nebulös: In Wirklichkeit profitieren gerade jene, die wenig verdienen, nicht davon. Nicht weniger als 1,4 Millionen Arbeitnehmer, darunter 45 % aller unselbständig erwerbstäti- gen Frauen, sind davon betroffen. Ähnliches gilt für den Familienbo- nus. Wieder profitieren gerade Ge- ringverdiener wenig von ihm, zudem wird für dessen Finanzierung die kalte Progression herangezogen, die man eigentlich abschaffen wollte. Bis zu einer Milliarde (!) Euro geht den Beschäftigten derzeit durch die- se versteckte Steuer verloren, 2020 werden es bereits zwei Milliarden sein. Anstelle an die Arbeitnehmer geht das Geld an das Finanzministe- rium. Die Wahrheit hinter dem Fake: Echte Steuerentlastung sieht anders aus. Stufe 2: Die Neiddebatte. Sie wird immer dann eingesetzt, wenn die Vernebelung nicht den erwünsch- ten Effekt erzielt, wie jüngst bei den Sozialversicherungen. Hier werden Funktionäre als Bonzen vernadert, die mit einem Milliardenvermögen spekulieren würden. In Wirklichkeit bleiben nur Anschüttungen übrig, mit dem Ziel, die Selbstverwaltung in der Sozialversicherung auszuhebeln – auf Kosten der Arbeitnehmer. In die Kategorie Neid fällt auch die Hartz-IV-Debatte: Wer angeblich nichts leistet, gilt als Durchschumm- ler, deshalb will man die Notstands- hilfe abschaffen. Dadurch fallen an die 170.000 Menschen in die Min- destsicherung. Der Clou: Der Staat kann nun auf das, was ihnen geblie- ben ist, bequem zugreifen… Auch die Kürzung der AK Solidar­ beiträge wird mit Neidargumenten untermauert. In Wahrheit würde eine Reduzierung sogar um die Hälfte dem durchschnittlichen Beitrags- zahler lediglich 3,50 Euro im Monat bringen. Andererseits bedeutet eine Reduktion der AK Umlage gleichzei- tig eine Senkung der Steuerbemes- sungsgrundlage. Fazit: Das gesparte Geld würde nicht dem AK Mitglied bleiben, sondern direkt zum Finanz- minister wandern… Stufe 3: Der glatte Fake. Er kommt entweder rücksichts- oder hirnlos daher. Um die Entlastung kleiner Einkommen feiern zu kön- nen, muss Geld her. So werden aus- gerechnet dem AMS 540 Millionen an Mitteln gestrichen, wichtige Kurse eingespart. Ähnliches gilt beim 12-Stunden- Tag: Alle würden gerne länger arbei- ten, außerdemwürde Österreich ohne ihn den Anschluss an die Weltwirt- schaft verlieren. Was verschwiegen wird: Schon jetzt gibt es zahlreiche Möglichkeiten, länger zu arbeiten, allerdings würde sich die Wirtschaft bei einem generellen 12-Stunden- Arbeitstag an die 1,5 Mrd. Euro an Überstundenzuschlägen sparen. Fake sei Dank… Mehr dazu auf Seite 3

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