Tiroler Arbeiterzeitung

ZEITUNG FÜR ARBEIT UND KONSUMENTENSCHUTZ DER KAMMER FÜR ARBEITER UND ANGESTELLTE FÜR TIROL 11. JG. , JULI | AUGUST 2019 | NR. 121 Österreichische Post AG | Postentgelt bar bezahlt | Verlagsort 6020 Innsbruck | RM 12A039146 K TIROLER ARBEITERZEITUNG L aut Gesetz muss in Betrieben mit mehr als fünf Beschäftigten ein Betriebsrat errichtet sein. Die Aufforderung richtet sich aber direkt an die Belegschaft. Diese muss selbst die Initiative ergreifen. Die Realität zeigt, dass dazu der gemeinsame Wille vorhanden sein sollte. Bei vielen Arbeitgebern bestehen oft völlig un- begründete Bedenken vor zu viel Mit- sprache. Dabei spielt der Betriebsrat eine konstruktive Rolle in der Zusam- menarbeit zwischen Belegschaft und Arbeitgeber und hat einen günstigen Einfluss auf das Arbeitsklima. Und seien wir uns ehrlich: Es geht um ein gutes Miteinander und um Demo- kratie am Arbeitsplatz. Denn sind die äußeren Umstände positiv, wirkt sich das auch auf die Arbeitsleistung aus. Zeit also, sich auch in der eigenen Firma für Solidarität einzusetzen, um im Betrieb gemeinsam das Beste zu erreichen. AK Präsident Erwin Zangerl Demokratie am Arbeitsplatz KOMMENTIERT D ie Gewerkschaften, die Betriebsräte und die Ar- beiterkammer sind die drei Säulen, die Öster- reich zu einem der wirtschaftlich stärksten Länder in Europa und in der Welt gemacht haben. Die- se Stärke ist ganz entscheidend, wenn wir die Herausforderungen der Zukunft für die Arbeitneh- merinnen und Arbeitnehmer fair gestalten wollen. In Tirol gibt es mehr als 4.500 Betriebsrätinnen und Betriebsräte. Leider ist noch immer in zahl- reichen – auch großen – Tiroler Firmen die betriebliche demokra- tische Mitbestimmung der Be- legschaft nicht erwünscht. Unter dem Motto: „Was die Mitarbeiter wollen und brauchen, weiß der Chef ohnehin am besten“, wird die Neugründung eines Betriebs- rats von manchen Arbeitgebern bereits im Vorfeld behindert, etwa durch Drohungen oder Einschüch- terungsversuche. So geraten ganze Belegschaften derart unter Druck, dass sie das Vorhaben wieder auf- geben. Doch diejenigen Firmen, die einen Betriebsrat haben, wissen das Miteinander von Arbeitge- ber- und Arbeitnehmerschaft zu schätzen. Betriebsräte stehen heu- te vor großen Herausforderungen: Neue Beschäftigungsformen, neue Technologien und die Haltung so mancher Arbeitgeber, die die Verhandlungen mit der Mitarbei- terschaft als Zeitverschwendung betrachten, fordern die Betriebs- rätinnen und Betriebsräte immer wieder heraus. Hinzu kamen die Attacken der alten türkis-blauen Regierung auf alle, die sich für die Interessen der Beschäftigten einsetzen. „Unsere Kraft liegt im Miteinander“, sagen AK Präsident Erwin Zangerl und ÖGB Vorsit- zender Philip Wohlgemuth. Umso bedeutsamer ist die Tat- sache, dass es seit nunmehr 100 Jahren das österreichische Be- triebsrätegesetz gibt. Es ist ein Er- folgsmodell der Mitbestimmung der Beschäftigten in den Betrieben. „Maßnahmen wie der 12-Stunden- Tag und die 60-Stunden-Woche, die Streichung des freien Karfrei- tags oder die Zentralisierung der Krankenkassen sind der falsche Weg: Wir wollen kürzere Arbeits- zeiten und mehr Planbarkeit für die Beschäftigten. Wir wollen die Arbeitnehmerschaft gesell- schafts- und sozialpolitisch nach vorne bringen und nicht zurück in dunkle Zeiten“, stellt Erwin Zan- gerl klar. Auch die Digitalisierung bringt kein besseres Leben auf Knopfdruck und wird nicht die Interessengegensätze zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten zum Verschwinden bringen. „Des- halb müssen und werden wir die Digitalisierung aktiv mitgestalten. Und dazu muss auch die Mitbe- stimmung im Betrieb ausgebaut werden“, verlangt Zangerl. Und Wohlgemuth ergänzt: „So wie vor hundert Jahren gilt auch heute: Gute Arbeitsbedingungen, faire Einkommen und ein Umgang auf Augenhöhe kommen nicht von al- leine. Die Arbeitnehmerschaft und ihre Vertreter sind es, die diese Rechte immer wieder aufs Neue erkämpfen müssen.“ Große Leistung. Vor hundert Jahren, im Mai 1919 wurde das Betriebsrätegesetz verabschiedet und die Mitbestimmung der Ar- beitnehmer verankert. Für drän- gende Sozialmaßnahmen war es hoch an der Zeit. Österreich litt unter den Kriegsfolgen. Es galt, Soldaten und Flüchtlinge wieder in die Wirtschaft zu integrieren. Die Herausforderungen für die Ar- beitnehmer waren ungleich härter als heute. Im ersten Schritt wur- den die Arbeitszeit verkürzt und die Arbeitslosenversicherung ein- geführt. Maßnahmen, die damals noch mit Arbeitskampf und Kon- frontationen verbunden waren. Auch nach Ende des Zweiten Weltkriegs war das Klima zwi- schen Betriebsräten und Arbeit- gebern anfangs noch von Aus- einandersetzungen geprägt. Erst Anfang der 1950er Jahre etablierte sich die Sozialpartnerschaft. Das Wirtschaftswunder ist losgegan- gen. Den Menschen ging es bes- ser. Die sozialen Gegensätze mä- ßigten sich. Durch die Einrichtung von Betriebsräten konnten viele Verbesserungen erreicht werden, um die Arbeit körperlich leichter zu machen. Heute sind die Beleg- schaftsvertreter mit ganz anderen Themen konfrontiert: Ein Dau- erbrenner in der täglichen Arbeit ist die richtige Einstufung der Mitarbeiterinnen und Mitarbei- ter. Besonders gefragt ist bei den Betriebsräten betriebswirtschaft- liches Wissen. Sie müssen global denken. Es geht um Produkti- onskonzentrationen und Verlage- rungen. „Betriebsräte können für ihre Kollegen viel erreichen und auch verhindern“, so Zangerl. „Es zahlen die drauf, die in Betrieben ohne Betriebsrat arbeiten. Dort wird meist einfach angeordnet.“ Mehr dazu auf Seite 4 „Betriebsräte, Gewerkschaften und Arbeiterkammer sind die drei Säulen des Wirtschaftserfolgs.“ Erwin Zangerl, AK Präsident „Aktiv im Betrieb, gemeinsam zum Erfolg. Seid dabei und setzt euch ein als neuer Betriebsrat.“ Philip Wohlgemuth, ÖGB Vorsitzender Unsere Kraft liegt im Miteinander Fakten. Seit 100 Jahren gibt es das Betriebsrätegesetz. Es ist ein Erfolgsmodell für demokratische Mitsprache der Beschäftigten in den Betrieben. Diese Mitbestimmung muss aber weiter ausgebaut werden, vor allem im Hinblick auf die rasante Digitalisierung. © vectorfusionart /stock.adobe.com

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