TIroler Arbeiterzeitung
M ENSCH & P OLITIK 11 Nr. 107, Mai 2018 Solidarität, die zählt Frauen verdienen ein Haus weniger Immer am Ball. Die AK Tirol erkennt die gesellschaftspolitischen Veränderungen und reformiert stets ihr Angebot für die Mitglieder. AKUT 70 Kammerrätinnen und Kammerräte der AK Tirol trafen sich in Lienz zu ihrer Frühjahrs-Vollversammlung. Damit, so AK Präsident Zangerl, soll die Bedeutung des Bezirks hervorgehoben werden: „Die Regionalisierung ist ein wesentlicher Schwerpunkt unserer Reformen, um den AKMitgliedern vor Ort Schutz und Hilfe zu bieten“. In diesem Sinne wurde auch die renovierte und auf den ökologisch neuesten Stand gebrachte Bezirkskammer Li- enz nach halbjähriger Umbauphase eröffnet. „Ein Schmuckstück für Osttirol ist entstanden, und wir haben zu 100 % regionale Firmen damit beauftragt“, so Zangerl. Kosten des Umbaus: Knapp 1,4 Mio. Euro, die zur Gänze in die regionaleWirtschaft und damit in wichtige Arbeitsplätze geflossen sind. D erzeit planen österreichweit agierende Firmen im Spe- ditionsbereich bzw. Handel, all ihre Lehrlinge an einem zentralen Berufsschulstandort unterrichten zu lassen. Für die Tiroler Lehrlinge bedeutet das lange Anfahrtswege und erheb- liche Kosten. Die AK fordert ein Ende dieser Überlegungen. Einige Berufsschulstandorte, etwa Reutte oder Landeck, kämen unter Druck und wären von der Schließung bedroht. Bei einem zentralen Standort würde die Zahl der Lehrlinge, die einen Inter- natsplatz benötigen, wesentlich steigen und auch die Kosten für die öffentliche Hand. Die AK fordert das Ministerium auf, dafür Sorge zu tragen, dass Lehrlinge dort die Berufsschule besuchen, wo sich ihr tatsächlicher Ausbildungsstandort befindet. Ein Schmuckstück für Osttirol Lehrlinge vor Ort ausbilden Klare Rechnung, gute Freunde Faires Gesetz für Schwangere IM INTERNAT Hartz IV darf es nicht geben! Einstimmiger Beschluss. Die Vollversammlung der AK Tirol setzt sich für den Erhalt der Notstandshilfe ein: Wir wollen keine Aussteuerung von Menschen durch Hartz IV! A uch wenn die Einführung einer österreichischen Vari- ante von Hartz IV Wunsch der türkis-blauen Bundes- regierung ist: Es kann nicht Ziel ei- ner Sozialpolitik sein, Menschen in Problemlagen ins Elend zu stürzen, sie einem erhöhten Verarmungsrisi- ko auszusetzen oder sie zu Niedrig- lohnarbeit zu zwingen. Die Folgen in Deutschland sind drastisch. Deshalb hat die Vollversamm- lung der Arbeiterkammer Tirol ei- nen einstimmigen Beschluss zum Erhalt der Notstandshilfe in der bisherigen Form beschlossen. Denn es darf nicht passieren, dass Men- schen aus Arbeitslosigkeit heraus schlimmstenfalls ihr gesamtes Er- spartes verlieren und sie nach einem langenArbeitsleben vor dem Nichts stehen. Nie mehr sollten Menschen aus Gründen, für die sie nichts können, aus demSozialversicherungssystem fliegen und ins Elend gestürzt wer- den können: Nach den Erfahrungen der Weltwirtschaftskrise 1929 und ihren Folgen sowie des Nationalso- zialismus war dies 1946 der Beweg- grund, die Notstandshilfe ins Leben zu rufen. Aktuell ist es jedoch ideo- logischer Wunsch der türkis-blauen Bundesregierung, diese wichtige Absicherung abzuschaffen. Dabei zeigt sich in Deutschland, dass dort die Abschaffung der Arbeitslosen- Unsozial. Durch Arbeitslosigkeit ins Elend zu fallen, darf es bei uns nicht geben. hilfe und die Überführung der Be- troffenen in das Hartz IV-System des Arbeitslosengeldes 2 erhebliche negative Auswirkungen hatte. • Der Anteil der Bezieher von Nied- riglöhnen stieg in Deutschland von etwa 16 auf knapp 23 % aller Beschäftigten. • Lag der Anteil von armutsgefähr- deten Menschen zum Zeitpunkt der Schaffung von Hartz IV in Deutschland und Österreich in etwa gleich hoch, so hat sich die- ser Anteil seit Einführung von Hartz IV in Deutschland von 12,2 % der Bevölkerung auf 16,7 % erhöht – um rund 35 %. (Da- gegen konnte dieser Anstieg in Österreich auch und vor allem wegen des Weiterbestehens der Notstandshilfe selbst in Zeiten der Wirtschaftskrise mit etwa 11,9 % begrenzt werden.) Deshalb fordert die AK Tirol, dass die österreichische Notstandshil- fe beibehalten wird: Natürlich gibt es auch hier Verbesserungsbedarf, etwa wenn es um die existenzielle Absicherung von Menschen geht oder um den Zugang zu Ausbil- dung, Beratung und Betreuung. Trotzdem ist die Notstandshilfe unabdingbar, wenn das Ziel der Ar- beitsmarktpolitik die nachhaltige gesellschaftliche, soziale und beruf- liche Inklusion von Menschen ist. D ie Abrechnung der Internatskosten von Lehrlingen führt immer wieder zu Problemen. Schon jetzt erfolgt die konkrete Abwicklung uneinheitlich. So hat der Lehrbetrieb nach der neuen gesetzlichen Regelung die Internatskos- ten dem Internatshalter zu überweisen, kann deren Ersatz aber bei der zuständi- gen Lehrlingsstelle beantragen. Aktuell werden die Kosten aber teilweise noch immer dem Lehrling in Rechnung ge- stellt und viele Jugendliche trauen sich nicht, den Einzahlungsbeleg ihrem Chef weiterzuleiten. Auf der anderen Seite führt der bürokratische Aufwand oft dazu, dass manche Betriebe ihren Lehrlingen nahelegen, auf den Internatsbesuch zu verzichten. Um eine praktikable und ökonomisch vernünftige Lösung zu erzielen, fordert die AK das Land Tirol auf, mit der Lehrlingsstelle der WK Tirol eine vertragliche Vereinbarung zur Direkt-Ver- rechnung der Internatskosten zu treffen und schnellstens umzusetzen. D as einkommensabhängige Kin- derbetreuungsgeld muss allen beschäftigten Müttern offenstehen - auch bei einem befristeten Dienstverhältnis, fordert die Vollversammlung der AK Tirol. Schwangere Arbeitnehmerinnen, die sich in einem befristeten Arbeitsverhältnis befinden, sind mit einer diskriminie- renden Regelung und erheblichen finanziellen Nachteilen konfrontiert: Weil das Arbeitsverhältnis bei einer Befristung laut Mutterschutzgesetz derzeit mit Be- ginn des Beschäftigungsverbotes endet, verlieren die Betroffenen den Anspruch auf das einkommensabhängige Kinder- betreuungsgeld. Die AK Tirol fordert hier einen Gesetzesvorschlag, der dafür sorgt, dass die Befristung erst mit der Geburt des Kindes endet. „Jetzt geht es darum, diese Diskriminierung zu beenden und den erheblichen finanziellen Nachteil zu beseitigen“, betont AK Präsident Erwin Zangerl. © Foto: Andrea Danti/stock.adobe.com D ie Bi- lanz der AK Ti- rol für 2017 spiegelt wi- der, was den mehr als 350.000 Tiro- ler Beschäftigten im Alltag so al- les widerfährt. In Innsbruck und in den Bezirken fan- den im letzten Jahr insgesamt 319.450 Beratungen statt, telefonisch, schriftlich oder bei einem persönlichen Besuch! Leider bedurfte es wieder in tau- senden Fällen einer Intervention durch die AK Experten, wenn es darum ging, vor Gericht Mitglie- dern zu ihrem Recht zu verhelfen. Ganz zu schweigen von den zig Millionen Euro, die sich die Mit- glieder durch vorbeugende Be- ratung und Information erspart haben. Dazu gehören auch Online- Angebote, hunderte Broschüren, Informationsveranstaltungen und Bildungsangebote. Unterm Strich erkämpfte die AK Tirol 2017 rund 46,9 Mio. Euro für die Mitglieder. Kompetentes Team. 322 Mitar- beiterinnen und Mitarbeiter in Inns- bruck und in den Bezirken sind für die Mitglieder da. Täglich wandten sich knapp 1.300 AK Mitglieder an Ihre AK. Mehr als 1.000 Anträ- ge pro Jahr betreffen persönliche Schicksalsschläge, die im AK Un- terstützungsfonds betreut werden. Die AK Tirol konnte dabei bisher mehr als 2.8 Mio. Euro direkt an die Mitglieder auszahlen. Sparsam. Die Arbeiterkammer wirtschaftet äußerst umsichtig. Die Beiträge der AK Mitglieder machten 2017 rund 39,9 Mio. Euro aus. Für den Einzelnen beträgt der durchschnittlicheAKBeitrag knapp 7 Euro netto pro Monat. 90.280 Ti- roler AK Mitglieder zahlen keinen Beitrag, etwa geringfügig Beschäf- tigte, Lehrlinge, Kranken-, Arbeits- losen- oder Karenzgeldbezieher. D ie Gehaltsschere in Öster- reich hat sich nur minimal geschlossen. In Sachen Einkommensgerechtigkeit liegen wir auf dem viertschlechtes- ten Platz im EU-Ranking. Frauen und ihren Familien entgehen durch- schnittlich 900 Euro brutto pro Monat. Rechnet man den Unter- schied auf ein durchschnittliches Erwerbsleben hoch, beträgt der Verlust stattliche 435.000 Euro. Die Verluste setzen sich im Alter mit einer geringeren Pension noch fort. AK Präsident Erwin Zangerl ver- langt von Politik und Unternehmen Chancengleichheit für Frauen im Berufsleben: „Es braucht Verbesse- rungen bei den Einkommensberich- ten, informativere Stelleninserate und die Förderung junger Frauen, sich für finanziell attraktive Berufe zu entscheiden. Auch ein gesetzlich verankerter 12-Stunden-Tag geht wesentlich zu Lasten der Arbeitnehmerinnen. Frauen brauchen eine eigene Existenz- sicherung. Die Politik muss dafür sorgen, dass sich Eltern die Erwerbsarbeit ge- rechter aufteilen: Mit Betreuungs-Ange- boten bis zum Ende der Pflichtschule und einer Ausweitung des Rechts auf Elternteilzeit.“ Solidarität. Alle AK Mitglieder zahlen einen vergleichsweise nied- rigen Beitrag und erhalten im Notfall viel Leistung. Benachteiligt. Zangerl verlangt gleiche Chancen für die Arbeitnehmerinnen. © Brunner Images © Robert Kneschke /stocke.adobe.com
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy NDIxOTE=