TIroler Arbeiterzeitung
Neuer Polit-Stil ist Kurz-sichtig OFFEN GESAGT 3 Nr. 107, Mai 2018 Im Gespräch. Das Programm der neuen Regierung kommt einem Frontalangriff auf die Arbeitnehmer gleich. „Ganze Systeme werden ohne Plan und Ziel vernichtet. Die Folgen werden verheerend sein“, warnt AK Präsident Zangerl. TAZ: Herr Präsident, die Arbeiter- kammer hat gerade eine beeindru- ckende Bilanz für 2017 vorgelegt. Trotzdem fordert die neue Regie- rung mehr Effizienz von der AK. Ist das nicht ein Widerspruch? Zangerl: Die Pläne der neuen Re- gierung sind an und für sich ein einziger Widerspruch. Man will mit allen Mitteln gewachsene Systeme zerstören, um die wir europaweit beneidet werden. Und zu welchem Zweck? Nicht etwa, um den im Wahlkampf vielzitierten „kleinen Mann“ zu entlasten, sondern um sich Macht und Einfluss zu sichern. Außerdem ist man ja Industrie- und Wirtschaftsbossen im Wort, die im Wahlkampf fleißig gespendet ha- ben. Die fordern nun eben ihre Ren- dite ein… TAZ: Die die Arbeitnehmer zahlen müssen? Zangerl: Natürlich. Allein die AK Tirol hat vergangenes Jahr 320.000 Beratungen durchgeführt, 10.000 mehr als noch im Jahr zuvor. Das heißt, der Druck auf die Arbeitneh- mer steigt. Trotzdem plant die Re- gierung, die AK massiv zu schwä- chen. Die Forderung nach mehr Effizienz ist ja nur ein Scheinargu- ment, ein recht dummes noch dazu. In Tirol hat die AK 2017 nicht we- niger als 47 Millionen Euro für ihre Mitglieder erkämpft, österreichweit waren es 507 Millionen. Soviel zum Thema Effizienz. Das Perverse da- ran ist, dass die AK der Regierung in Wirklichkeit zu effizient ist und ihren Plänen im Weg steht, des- halb will man die Solidarbeiträge fast halbieren. Die Maxime lautet: Gleichviel bzw. mehr Arbeit bei weniger Geld – was das für die Ar- beitnehmer in Österreich bedeutet, kann sich jeder ausmalen. Das ist der neoliberale Ansatz, der derzeit das Land regiert. Der hat aber nir- gendwo funktioniert und nur ver- brannte Erde hinterlassen. Das ist sicher nicht die Zukunft, die ich mir für dieses Land vorstelle. TAZ: Sie gelten als scharfer Kriti- ker der Regierungspläne. Könnte man Ihnen nicht Panikmache vor- werfen? Zangerl: Viele haben mich gefragt ob es wirklich so schlimm wird, wie wir es in der letzten Ausgabe der Arbeiterzeitung dargestellt ha- ben (Sozialstaat vor dem Abriss, AZ April 2018, Anm.) . Und denen muss ich leider sagen: Ja, es wird so schlimm. Die Panikmache geht ja nicht von Seiten der Arbeitnehmer- vertreter aus, sondern von der Re- gierung, darüber sollten sich die Beschäftigten klar sein: 540 Millio- nen Euro weniger für das AMS, er- schwerter Zugang zur Altersteilzeit, Einführung des 12-Stunden-Tages bzw. der 60-Stunden-Woche, Ab- schaffung der Notstandshilfe – die Liste an „modernen“ Plänen der Regierung wird ja von Tag zu Tag länger. Es ist unglaublich, welche Kälte da rüberkommt. Eine derar- tig Kurz-sichtige Politik auf Kosten der Arbeitnehmer habe ich noch nie erlebt. Das wirft uns Jahrzehnte zu- rück. Den Scherbenhaufen aufräu- men können dann andere. TAZ: Schon öfter haben Sie das Niveau der derzeitigen Politik als erschreckend tief bezeichnet. Was genau stört Sie am derzeitigen po- litischen Stil? Zangerl: Zuerst, dass hier Leute am Werk sind, die von den Sor- gen eines normalen Arbeitnehmers keine Ahnung haben – und nicht nur davon. Dann, dass eine regel- rechte Informationsverweigerung herrscht. Wird dann doch kommu- niziert, dann völlig planlos oder bewusst falsch. Bei einer Oppositi- onspartei kann man das unter Um- ständen in Kauf nehmen, wenn sie mit gezielten Falschmeldungen um sich wirft. Macht das aber eine Re- gierungspartei, noch dazu, um eine Neiddebatte zu schüren und damit den sozialen Frieden zu gefährden, dann hört sich der Spaß auf. Den So- zialversicherungsträgern vorzuwer- fen, sie würden Millionen abzocken und Milliarden horten und mit dem Geld der Versicherten spekulieren, ist, gelinde gesagt, eine Sauerei. Die Regierung soll sagen, dass es ihr nur darum geht, die Selbstver- waltung auszuhebeln und die Mehr- heit der Arbeitnehmervertreter in den Gremien zu brechen. Und dass sie dann neue Kurz-sichtige Leute installieren will, die auf Linie sind. Das wäre zumindest ehrlich. Wir müssen auf jeden Fall wachsam sein, denn wer in einer Demokratie zu lange schläft, wacht möglicher- weise in einer Diktatur auf. TAZ: Sie haben sich bei der letz- ten AK Vollversammlung klar als Speerspitze im Kampf gegen die Regierungspläne in Stellung ge- bracht. Ein Kampf an einsamer Front? Zangerl: Ganz im Gegenteil: Je heftiger die Angriffe der Regierung werden, desto größer wird die Soli- darität. DieArbeiterkammern haben sich ohnehin schon klar gegen den geplanten Abriss des Sozialstaats ausgesprochen. Die letzte Vollver- sammlung der AK Tirol Anfang Mai war dennoch außergewöhnlich. Wenn die Arbeitnehmervertreter von SPÖ und Grünen die Regie- rungspläne kritisieren, ist das nichts Besonderes. Dass allerdings der freiheitliche Fraktionsobmann die Gelegenheit nutzt, um aus der FPÖ auszutreten, weil er mit den Graus- lichkeiten, die jetzt gegen die Ar- beitnehmer am Laufen sind, nichts zu tun haben will, ist das schon ein starker Schritt – da ist doch Feuer am Dach. Wir werden aber das Ge- meinsame vor das Trennende stel- len, um gegen die Pläne der Bun- desregierung anzukämpfen. Und wir werden sehen, wie es sich gegen die Stimmen von 3,7 Millionen Ar- beitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich regieren lässt. TAZ: Wieviel hat die türkise ÖVP noch mit den Werten der „alten“ ÖVP am Hut? Trägt „Schwarz“ jetzt Trauer? Zangerl: Nehmen wir nur ein Bei- spiel: Vor Jahrzehnten war die ÖVP die treibende Kraft, wenn es um die Senkung der Arbeitszeit und die Belange der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ging. Was jetzt geplant ist, wirft uns 100 Jahre zu- rück und nur, weil die Wirtschaft es so will. Die ÖVP mit ihren christ- lich-sozialen Grundwerten ist ge- storben, jetzt ist die Industrielobby am Ruder, deren Forderungen ins türkise Parteiprogramm übernom- men wurden und jetzt umgesetzt werden. Doch das bedeutet die Aushöhlung der Arbeitnehmer- Rechte. Das, was in den nächsten Jahren auf uns zukommt, wird ein Demokratie- und Sozialabbau sein, und man wird auch vor Ver- fassungsänderungen nicht zurück- schrecken, um diesen planlosen Kahlschlag umzusetzen. Im Budget wird dieser ganze Umfärbe- und Zentralisierungswahnsinn nichts bringen, er wird aber die Menschen extrem belasten und viele an den Rand der Existenz drücken. So gesehen wird nicht nur „Schwarz“ Trauer tragen... AK Präsident Zangerl bei der Betriebsversammlung in Bad Häring. „Man wird sehen, wie es sich gegen die Stimmen von 3,7 Millionen Arbeitnehmern regieren lässt.“ AUVA AMS AK GKK 12-STUNDEN-TAG NOTSTANDSHILFE Einsparen von 500 Millionen Euro Auswirkung: Zerschlagung des Kranken- und Unfallsystems Senkung des Budgets um 540 Millionen Euro Auswirkung: Gefährdung von Ausbildung und Wieder-Eingliederung Deutliche Senkung der Solidarbeiträge Auswirkung: Massive Probleme und finanzielle Verluste für Beschäftigte Zentralkasse ersetzt Länderkassen Auswirkung: Zentralisierung, Verlust der Budget- hoheit der Länder Rückkehr zum 12-Stunden-Tag Auswirkung: Arbeit auf Abruf; schwere Folgen für Beschäftigte Abschaffung der Notstandshilfe Auswirkung: Betroffene fallen in Mindestsicherung und verlieren Erspartes Geplant: Geplant: Geplant: Geplant: Geplant: Geplant: Das sind die Vorhaben der Regierung: „Hier sind Leute am Werk, die von den Sorgen eines normalen Arbeitnehmers keine Ahnung haben.“ Erwin Zangerl, AK Präsident © TT
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