TIroler Arbeiterzeitung
9 Nr. 108, Juni 2018 F RAU & A RBEIT Ehrwald mit Vorzeigemodell IM DETAIL KIND & FAMILIE Gebt den Kindern die Betreuung Analyse. Eine außerfernweite Studie, initiiert von AK, AMS und Regionalbetreuung Außerfern zeigt, wie Kinderbetreuung funktionieren könnte und wo die Probleme liegen. Hauptlast liegt bei Frauen D ie unbezahlte Haus-, Betreuungs- und Versorgungsarbeit ist nach wie vor ungleich zwischen den Geschlechtern verteilt. Derzeit liegt die Hauptlast bei den Frauen, die fast doppelt so viel unbezahlte Arbeit leisten wie Männer. Sie haben damit insgesamt eine Arbeitszeit von 65 Stunden in der Woche (bezahlt und un- bezahlt) – und damit um 2 Stunden mehr als Männer. Auch unterbrechen vor allem Frauen die Erwerbstätigkeit, wenn ein Kind kommt. Danach arbeiten sie häufig nur in Teilzeit – oft, weil ausreichende Kinderbetreuung und -bildung sowie schulische Nachmittagsbetreuung noch immer fehlen. Allerdings sind Männer wie Frauen mit den Arbeitszeiten nicht glücklich: Vor allemMänner in Vollzeit wollen kürzer ar- beiten, während – überwiegend weibliche – Teilzeitarbeitskräfte gerne eine längere Wochenarbeitszeit hätten. E s gibt mehrer Möglichkeiten, wie Frauen erfahren können, ob sie fair bezahlt werden. Eine davon ist der Betriebsrat, sofern es im Unternehmen einen gibt. Er ist die erste Ansprechstelle für alle Fragen zu Einkommen, Einstu- fung und Kollektivvertrag. Rat und Unter- stützung in Sachen Entgelt und allen sonstigen Fragen zur Arbeit gibt es auch bei den jeweiligen Fachgewerkschaften. Die kennen die Branchen und Kollektiv- verträge im Detail. Ebenso kann ein Blick auf die Gehalts- angaben in Stelleninseraten oder ein Ge- spräch mit Kolleginnen und Kollegen hilfreich sein. Auch mit dem Gehaltsrechner auf ak-tirol.com kann herausgefunden werden, was in wel- chen Jobs bezahlt wird. Mehr dazu finden Sie auch auf bruttonetto. arbeiterkammer.at Frauen liegen haushoch zurück Einkommensschere. Die Resultate bei den Bemühungen, eine finanzielle Gleichstellung von Frauen und Männern zu erreichen, sind bescheiden: Frauen verdienen noch immer weniger. Und die Unterschiede sind teilweise dramatisch! E s geht hier nicht um ein paar Euro. Rechnet man den Unterschied auf ein durch- schnittliches weibliches Erwerbsleben von 34,5 Jahren hoch, beträgt der Verlust stattliche 435.000 Euro, die Frauen weni- ger verdienen – da sprechen wir von einem Einfamilienhaus.“ AK Präsident Erwin Zangerl legt scho- nungslos offen, dass die Gleich- stellung von Frauen und Männern, was das Gehalt anbelangt, noch lange nicht gegeben ist. Im Ge- genteil: Es herrscht im wahrsten Sinne eine haushohe Ungerechtig- keit: 900 Euro brutto entgehen den Frauen und ihren Familien im Schnitt jeden Monat durch den Einkommensunterschied. Über das ganze Jahr hinweg fehlen damit in der Einkommenskasse 12.500 Euro, auf ein Erwerbs- leben gerechnet eben 435.000 Euro. Die Grün- de, warum Frauen nach wie vor weni- ger verdienen, sind vielfältig, wie sich auch am Beispiel Tirol zeigt. So liegt es etwa an der Teilzeit- arbeit: Mehr als jede zweite Frau geht einer Teilzeitarbeit nach, bei den Männern ist es weniger als jeder Zehnte. Im Schnitt leisten Tiroler Frauen 25,7 Wochenstun- den, die Männer kommen auf 34,2 Stunden. Allein durch das ver- schiedene Arbeitszeitausmaß ent- stehen große Differenzen bei den Einkommen. Ein weiterer Grund lautet: Frauen und Männer arbei- ten in unterschiedlichen Branchen und in unterschiedlichen Berufen. So sind etwa drei Viertel der Beschäftigten in der Sach- güterproduktion – eine der einkommensstärksten Branchen in Tirol – Män- ner. Mehr als ein Drittel der Tiroler Frauen sind hin- gegen in Gastgewerbe und Handel beschäftigt, Bran- chen, die ein geringeres Einkommensniveau vor- weisen . Ungerecht. Überhaupt mangelt es an Fairness, von der Ausbildung bis hinauf in die Führungs- etagen: Nur ein Drittel aller Lehrstellen sind mit jungen Frauen besetzt. Mädchen wie Burschen, die sich für einen für ihr Geschlecht untypischen Beruf entscheiden, haben es oft extrem schwer, eine entspre- chende Lehrstelle zu finden. Und in der Praxis bestimmt im weite- ren Berufsleben das Geschlecht und nicht die Qualifikation über den Aufstieg: Obwohl Frauen 47 Prozent der Erwerbstätigen stellen und höhere Bildungsabschlüsse als Männer vorweisen können, erreicht ihr Anteil unter den Vor- ständen der börsennotierten Un- ternehmen lediglich 5 Prozent. Maßnahmen. Die AK kämpft deshalb für • Transparenz bei Einkommen: Verbesserung der Einkommens- berichte und informativere Stel- leninserate • gute und umfassende Kinderbe- treuung und Elementarbildung sowie ein ausreichendesAngebot an Ganztagsschulen • ein Steuer- und Sozialsystem, das partnerschaftliche Teilung fördert • eine Förderung für junge Men- schen, sich für den richtigen Be- ruf zu entscheiden – auch wenn er untypisch für eine Frau bzw. einen Mann ist • eine Arbeitszeitpolitik, die die Partnerschaftlichkeit fördert und nicht behindert (Stichwort 12-Stunden-Tag) und die insge- samt über eine intelligente Ver- teilung der Wochenarbeitszeit nachdenkt. S ie ist mit ein Grund, warum die Unter- schiede bei den Ver- diensten von Männern und Frauen dermaßen groß sind: die nicht ausreichende Kinderbetreuung. Regio- nalbetreuung Außerfern, AK und AMS haben nun erhoben, wie es bei diesem Thema um das Außerfern bestellt ist und welche Möglichkeiten El- tern im Bezirk zur Verfügung ste- hen. Die Ergebnisse sind aussage- kräftig und teilweise alarmierend, denn sie bestätigen, welch weitrei- chende gesellschaftspolitische Bedeutung Kinderbetreu- ung hat: von Altersar- mut der Frauen bis hin zur Verhinderung von Abwanderung. An den Kleinge- meinden Namlos und Zöblen ließ sich diese Abwanderung aufgrund fehlender Infrastruktur klar nachweisen. Würde der Bevölkerungsrück- gang anhalten, wird Namlos im Jahr 2036 wohl Einwohnerlos hei- ßen, für Zöblen wäre dies ab 2046 der Fall. Angebot schafft Nachfrage. Klar ist auch: Dort, wo man in Kin- derbetreuung investiert hat, wie in Ehrwald, sindAkzeptanz und Nach- frage dementsprechend hoch (sie- he rechts). Trotzdem herrscht hier ebenso Aufholbedarf, denn auch dort, wo die Kinderbetreuung funk- tioniert, kommt spätestens ab dem Schuleintritt der Bruch. Für Kinder, die um 11.30 Uhr aus der Volks- schule kommen, fehlt die Betreuung und fordert Eltern. Ebenso schwie- rig ist die Situation amWochenende oder im Krankheitsfall der Kinder. Dann sind in zwei Drittel der Fälle wieder die Mütter gefordert… E s braucht Zeit, auch für die gesell- schaftliche Akzeptanz, sagt „Regional- betreuung Außerfern“-Geschäftsführer Günther Salchner und empfiehlt Ent- scheidungsträgern und Kommunen nicht gleich aufzugeben, wenn sich anfangs der Zuspruch zu einer Kinderbetreuungsein- richtung in Grenzen hält. Für ihn schafft Angebot die Nachfrage, wie das Beispiel Ehrwald zeigt, wo früh auf Kinderbetreu- ung gesetzt wurde. So haben an einem typischen Dienstagnachmittag 21,8 % der Erziehungsberechtigten in Ehrwald ihre Kinder in einer Betreuungseinrichtung. In Reutte sind es 17,2 %, in Elbigenalp 6,7 %. Besonderer Handlungsbedarf besteht laut Salchner im Bereich der Ganztagesbetreuung, denn dies wirkt sich auch auf die Beschäftigungssituation und damit den Verdienst der Eltern aus. In einigen kleineren Gemeinden ist ohne Unterstützung der Familie bestenfalls ein Teilzeitjob für den versorgenden Elternteil möglich, der zahlreiche Nachteile mit sich bringt (siehe oben) . Werden Sie fair bezahlt? © panjj/stock. adobe.com Kinderbetreuung am Beispiel Außerfern. Trotz einiger Vorzeigeprojekte gibt es nach wie vor zahlreiche Schwachstellen. Blick nach unten: Nach wie vor bestehen zwischen Männern und Frauen große Einkommensunterschiede. Die AK fordert endlich wirksame Maßnahmen gegen die Ungerechtigkeit. © Oksana Kuzmina/stock.adobe.com
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy NDIxOTE=