Tiroler Arbeiterzeitung
OFFEN GESAGT 3 Nr. 115, Jänner 2/2019 Es geht nur gemeinsam! TAZ: Herr Präsident Zangerl, die AK-Wahlen in Tirol laufen seit 14. Jänner. Warum sollten die AK Mitglieder von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen? Zangerl: Nach den jüngsten Um- fragen ist die Arbeiterkammer neben der Krankenkasse für die Arbeitnehmerschaft die unver- zichtbarste Einrichtung in Tirol. Trotzdem lässt die türkis-blaue Bundesregierung seit mehr als einem Jahr nichts unversucht, um die Unabhängigkeit und die Stärke der Arbeiterkammer zu schwächen und sie finanziell zu beschneiden. Dabei geht es nicht um das Wohl der Beschäftigten, sondern um noch mehr Macht und parteipolitische Einflussnah- me. Da steht die unabhängige Ar- beiterkammer natürlich manchen im Weg. Faktum ist, dass sich die Regierung bisher nicht als son- derlich arbeitnehmerfreundlich gezeigt hat, im Gegenteil: Der Druck in der Arbeitswelt wur- de eher verschärft und soziale Spannungen befeuert, statt die wichtigsten Probleme der Arbeit- nehmer und Arbeitnehmerinnen gemeinsam zu lösen. Jetzt geht es um die Zukunft der AK und der Sozialpartnerschaft. Bei der Wahl können sich die Arbeitneh- merinnen und Arbeitnehmer zur Unabhängigkeit ihrer AK beken- nen und die interessenpolitische Richtung für die kommenden fünf Jahre mitbestimmen. „Ich würde viel lieber loben, als zu kritisieren. Aber viele Maßnahmen der Regierung sind unausgegoren und vor allem der Industrie und dem Finanzkapital geschuldet.“ Erwin Zangerl, AK Präsident Die AK fordert fairen Lohn und gerechte arbeitsrecht- liche Rahmenbedingungen für alle. Dazu gehören vernünftige Arbeitszeiten, um Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Um die Einkommensschere bei Frauen zu schließen, sollten Kindererziehungs- zeiten bei Gehaltserhö- hungen angerechnet und bei der Pension stärker berücksichtigt werden. Die kalte Progression gehört sofort abgeschafft, nicht erst 2022. Sie frisst die jährlichen Lohnzuwächse auf. Durch diese versteckte Steuer verlieren die Beschäf- tigten 6,1 Milliarden Euro! Arbeit muss sich lohnen Faire Anrechnung von Kinderzeiten Kalte Progression gleich abschaffen IhreArbeiterkammer: Voller Einsatz für eine gerechteArbeitswelt! Was die Arbeiterkammer für Sie fordert Zangerl im Gespräch. In unsicheren Zeiten brauchen Tirols Arbeitnehmer-Familien ihre Arbeiterkammer mehr denn je. Als Schutzhaus für Beratung, Hilfe und Rechtsschutz im Berufs- und Privatleben. Jetzt geht es um die Zukunft der AK, die von Regierungsseite geschwächt werden soll. Bei der Wahl können Sie sich zur Unabhängigkeit Ihrer AK bekennen. I TAZ: Was können die AK Mit- glieder in den kommenden fünf Jahren von ihrer AK erwarten? Zangerl: Die kommenden Jahre bringen den AK Mitgliedern neue und verbesserte Leistungen und Services der Arbeiterkammer in den Schlüsselbereichen Bildung, Pflege und Wohnen. Außerdem werden wir die Regionalisierung fortsetzen. Zudem hat die AK eine große Digitalisierungsoffen- sive vor: Über einen Zeitraum von fünf Jahren sollen bundes- weit 150 Millionen Euro in einen Qualifizierungsfonds und einen AK Projektfonds Arbeit 4.0 flie- ßen. Denn die Digitalisierung soll den Beschäftigten nützen und ihr Leben verbessern. Diese Mittel in den kommenden fünf Jahren aufzustellen, bedeutet eine große Kraftanstrengung. Um die neu- en Leistungen anbieten zu kön- nen, wird intern gespart, werden Bauvorhaben verschoben und Umschichtungen vorgenommen. Dieses Zukunftsprogramm ist die Antwort der AK auf eine Vorgabe der Regierung, die von den Kam- mern Effizienzsteigerungsmaß- nahmen gefordert hat. Es bringt den Mitgliedern mehr Leistungen zum gleichen Beitrag. Eine Kür- zung der AK Beiträge hätte die gegenteilige Wirkung – also weni- ger Beratung, weniger Vertretung und in Folge weniger Rechte für die Arbeitnehmerinnen und Ar- beitnehmer. TAZ: Sie gelten als Kritiker der Bundesregierung, zu Recht? Zangerl: Ich vertrete ein christ- lich-soziales Weltbild und die soziale Marktwirtschaft, die für Ausgleich und Solidarität steht. Ich würde viel lieber loben, als zu kritisieren. Aber viele Maß- nahmen der Regierung sind un- ausgegoren und vor allem der Industrie und dem Finanzkapital geschuldet. Statt den Dialog mit den Arbeitnehmervertretungen zu suchen oder die Sozialpartner mit ihren hochqualifizierten Experten zu Rate zu ziehen, wurden Maß- nahmen angekündigt und teilwei- se beschlossen, die rechtlich und sachlich kaum haltbar sind. Trotz ‚Speed kills‘ und ‚Message Con- trol‘ werden die Verschlechte- rungen für die Arbeitnehmer noch spürbar werden. Den- ken wir nur an das völlig über- zogene Arbeits- zeitgesetz mit dem 12-Stun- den-Tag und der 60-Stunden-Woche, das von der Mehrheit der Bevölkerung ab- gelehnt wird. Oder an die Kürzung bei der Mindestsicherung, die vor allem die unschuldigen Kinder trifft, oder die geplante Abschaf- fung der Notstandshilfe mit dem Zugriff auf das Ersparte. TAZ: Wo sehen Sie den größten Sanierungsbedarf? Zangerl: Das Husch-Pfusch-Ar- beitszeitgesetz muss saniert wer- den. Die Regierung hat mit dem Arbeitszeitgesetz die 60-Stun- den-Woche von der Ausnahme zur Regel gemacht, zu Lasten der Beschäftigten. Wer so etwas macht, dem fehlt der Respekt vor den hart arbeitenden Men- schen, die unser Land am Laufen halten. Außerdem braucht es ein Maßnah- menpaket, damit Wohnen billi- ger wird. Wir verlangen eine sozial gerechte Steuerreform und ein Ende der kalten Progression. Wir würden aber auch gerne gemeinsam mit der Regierung den Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping ver- stärken und zusammen die lang- fristige Absicherung hochwertiger Betreuung und Pflege erarbeiten. Es geht um faire Bedingungen, unter denen Pflege und Betreuung stattfindet. Es geht um gesetz- lich verbindliche Rahmenbedin- gungen, bessere Arbeitszeitmo- delle und verlässliche Dienstpläne für diese Berufsgruppen. Auch der Fachkräftemangel sollte un- serer Meinung nach anders gelöst werden, als den Arbeitsmarkt für noch mehr Arbeitskräfte aus den Drittstaaten zu öffnen. Stattdessen sollten jene Menschen, die bereits in Österreich sind und Arbeit su- chen, eine bessere Chance auf berufliche Qualifikation erhalten. Dafür braucht es aber mehr För- dermittel zur Berufsqualifikation. TAZ: Sie betonen die Wichtigkeit von Zusammenhalt und Gemein- samkeit in der AK. Konnten Sie dieses Ziel mit den in der AK ver- tretenen Fraktionen umsetzen? Zangerl: Fast alle Maßnahmen, Forderungen und Vorschläge ha- ben die Kammerräte aller Frakti- onen in den letzten fünf Jahren im Vorstand und in der Vollversamm- lung gemeinsam beschlossen. Ich bin zuversichtlich, dass dies auch in der kommenden Peri- ode der Fall sein wird, auch wenn mit der FPÖ erstmals eine politische Partei bei der AK-Wahl antritt. Die bisherigen freiheitlichen Arbeitnehmer wollten den arbeitnehmerfeindlichen Regierungskurs der FPÖ nicht länger mittragen. Fest steht, dass wir in der AK für sozialen Ausgleich und ein Miteinander in der Gesellschaft stehen und uns gegen alle gesellschaft- lichen Spaltungs- oder gar Verhetzungstendenzen klar abgrenzen werden. © Berger
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