WISO Ausgabe 2018/I
Seite 34 WISO Es ist anzumerken, dass sich das Thema Freizeit- wohnsitze nicht mehr alleine in national rechtlichen Bestimmungen erschöpft, sondern durch verschie- denste Urteile des europäischen Gerichtshofes neue Dimensionen angenommen hat. 5 Folglich darf dies bei einer näheren Betrachtungsweise, im Beson- deren was die Forderungen nach „verschärften Re- geln für Freizeitwohnsitze“ betrifft, nicht außer Acht gelassen werden. Dies spiegelt sich auch in der am 01.10.2016 in Kraft getretenen Novellierung des Tiro- ler Raumordnungsgesetzes 2011 (TROG) LGBI. Nr. 93/2016 wieder, welches die Raumordnungs- bzw. Raumplanungskompetenzen der öffentlichen Hand in geregelte Bahnen lenkt. Die bis zu diesem Zeit- punkt geltenden Bestimmungen des Tiroler Grund- verkehrsgesetzes (TGVG), wie beispielsweise die Erklärungspflicht gegenüber der Grundverkehrsbe- hörde bei Erwerb eines Grundstückes keinen Frei- zeitwohnsitz errichten zu wollen, wurden begleitend aufgehoben. 6 Hinsichtlich der Schaffung von Frei- zeitwohnsitzen sind nur noch die Bestimmungen des TROG, die Bestimmungen der Tiroler Bauordnung (TBO) oder auch des Tiroler Aufenthalts- und Abga- bengesetz (jährlich Pauschale Freizeitwohnsitzab- gabe an die Tourismusverbände) anzuwenden. 7,8 Unter einem Freizeitwohnsitz wird gemäß § 13 Abs. 1 TROG, ein Gebäude, Wohnungen oder sonstige Teile von Gebäuden verstanden, welche nicht der Befrie- digung eines ganzjährigen, mit dem Mittelpunkt der Lebensbeziehungen verbundenen Wohnbedürfnis- ses dienen, sondern zumAufenthalt während des Ur- laubs, der Ferien, des Wochenendes oder sonst nur zeitweilig zu Erholungszwecken verwendet werden, verstanden. Um das Vorliegen von Umgehungsab- sichten behördlich auch überprüfen zu können, wurde in § 13a TROG nunmehr eine verwaltungsstrafrecht- lich sanktionierte Auskunftspflicht des Eigentümers oder des sonst hierüber Verfügungsberechtigten betreffend die konkrete Nutzung von Freizeitwohnsit- zen geschaffen. Als wesentlichste Neuerung der No- velle ist im Hinblick auf die Freizeitwohnsitzthematik, die Verpflichtung der Tiroler Gemeinden zu erwäh- nen, fortan einen Auszug aus dem von ihnen zu füh- renden aktuellen Freizeitwohnsitzverzeichnis an die Landesregierung im Sinne des § 14 Abs. 4 TROG zu übermitteln. Obwohl diese Verbindlichkeit der Tiroler Gemeinden ihr eigenes „Verzeichnis“ zu führen, kei- ne Neuerung darstellt, bringt dieses Instrument doch Schwung in die beschriebene Thematik, denn dieses Verzeichnis wird seit 01.07.2017 auf der Homepage des Landes Tirol veröffentlicht und ist unter dem Link: https://www.tirol.gv.at/statistik-budget/statistik/frei- zeitwohnsitze/ abrufbar. Die Schaffung des Freizeitwohnsitzverzeichnisses hat folgende Hintergründe: Im Sinne des § 13 Abs. 4 TROG ist bei der Schaf- fung neuer Freizeitwohnsitze darauf zu achten, dass diese die geordnete räumliche Entwicklung ent- sprechend den Aufgaben und Zielen der örtlichen Raumordnung der Gemeinde nicht beeinträchtigen. Dabei sind insbesondere Voraussetzungen, wie die Siedlungsentwicklung, das Ausmaß des zur Befriedi- gung des Wohnbedarfes der Bevölkerung erforderli- chen sowie des hierfür verfügbaren Baulandes oder die Art, die Lage und die Anzahl der bestehenden Freizeitwohnsitze, etc. zu berücksichtigen, was für die Entwicklungen des Tiroler Wohnungs- und Im- mobilienmarktes im Hinblick auf leistbares Wohnen für die Bevölkerung nur dienlich sein kann. Überdies ist die Schaffung neuer Freizeitwohnsitze gemäß § 14 Abs. 4 TROG nicht mehr zulässig, wenn in einer Gemeinde der Anteil, gemessen an der Gesamtzahl der Wohnungen entsprechend dem endgültigen Er- gebnis der jeweils letzten Gebäude- und Wohnungs- zählung (lt. der letzten Zählung 2011, 375.583), 8 % übersteigt. Die Tiroler Landesregierung übt über die Gemeinden das Aufsichtsrecht aus und hat die Ein- haltung dieser Bestimmungen nachzuprüfen. Ist die- se Grenze überschritten, ist die aufsichtsbehördliche Genehmigung zu versagen. Da die Landesfläche von Tirol zwar 12.648,34 km 2 be- trägt, davon lediglich nur 868,35 km 2 als Dauersied- lungsraum tatsächlich auch genützt werden können, ist die restriktive Einhaltung dieser Bestimmung un- abdingbar. Dies sind nur noch 6,87 % der gesamten Fläche des Bundeslandes, somit ist jeder Quadrat- meter an Bauland für die Schaffung von leistbarem Wohnraum sparsam und zweckmäßig zu nutzen. 9 Der damals zuständige Landesrat Mag. Johannes Tratter erläuterte in diesem Zusammenhang, dass in den letzten fünf Jahren bei insgesamt rund 6.000 Widmungen lediglich 308 für neue Freizeitwohnsitze erteilt worden sind. Es gäbe zwar auch Gemeinden, deren Freizeitwohnsitzbestand über die aktuell gebo- tene Grenze von derzeit 8 % hinausgehe: „Hierbei handelt es sich jedoch nicht um neue Widmungen, sondern um rechtmäßige Altbestände aus früheren Jahrzehnten. Die 8 %- Grenze wurde nämlich erst 1997 gesetzlich vorgeschrieben.“ 10 Da aber gerade in gewissen Tourismusgebieten von Tirol eine besorgniserregende Verknappung von Wohnraum zu beobachten ist, müssen die Regelun- gen des TROG sehr nachhaltig umgesetzt werden. Denn durch die Nutzung an nur wenigen Tagen im Jahr zu Urlaubs- und Erholungszwecken liegt wert- voller Wohnraum brach. Dazu wurde im Rahmen der
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