WISO Ausgabe 2018/I
WISO Seite 39 käme es zum Teil zu beachtlichen Steuergutschrif- ten. Insbesondere Saisonarbeiter (beispielsweise im Gastgewerbe und in der Bauwirtschaft) würden jedes Jahr vom Finanzamt eine erkleckliche Gutschrift er- warten können. Daher hat der Gesetzgeber bereits im Jahre 1987 in § 3 Abs. 2 EStG die sogenannte Hochrechnung verankert, wonach für die Zeit der Bezuges von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe oder Bildungskarenzgeld (bei Mutterschaftskarenz er- folgt keine Hochrechnung!) unterstellt wird, dass das übrige Einkommen in durchschnittlicher Höhe wei- terverdient wird, es erfolgt also keine Progressions- milderung in der Jahresbetrachtung. Dadurch wird verhindert, dass Bezieher von öffentlichen Transfer- leistungen aufgrund der Steuergutschriften zu einem höheren Jahresnettoverdienst kommen würden als ganzjährig Beschäftigte mit gleichem Bruttobezug. Um dies sicherzustellen, muss das Finanzamt zwei Rechenvorgänge anstellen, wobei für den Steuer- pflichtigen das günstigere Ergebnis Gültigkeit hat, die jedoch aufgrund der Komplexität auf dem Steu- erbescheid relativ schwierig nachzuvollziehen sind: In einem Rechenschritt werde steuerpflichtige Lohn- bezüge für die Dauer des Bezuges von Transferleis- tungen auf fiktive Jahreseinkünfte hochgerechnet. Einkünfte aus Kapitalvermögen, Einkünfte aus Ver- mietung und Verpachtung, ganzjährig zugeflossene Einkünfte sowie Zusatzeinkünfte während des Be- zuges der Transferleistung (z.B. eine geringfügige Beschäftigung während Arbeitslosengeldbezug oder während Bildungskarenz) werden nicht auf einen Jahresbetrag hochgerechnet. Der durchschnittlich errechnete steuerliche Durchschnittsprozentsatz des – hochgerechneten – Jahreseinkommens wird dann auf das tatsächlich erzielte Beschäftigungsein- kommens angewandt. Dadurch kommt es zu keiner systemimmanenten Gutschrift. In einem anderen – zweiten – Rechenschritt werden anhand der sog. Kontrollrechnung die konkret erzielten steuerpflichti- gen Bezüge mit dem konkreten Transferbezug (z.B. Arbeitslosengeld) zusammengezählt und dann ge- meinsam dem Lohnsteuertarif unterworfen und die Gesamtsteuer berechnet. Wie oben beschrieben, muss das Ergebnis mit dem niedrigeren Steuerbe- trag zur Anwendung kommen. Dadurch kommt es bei Bezug von Transferleistungen per se zu keiner Steuergutschrift, aber auch zu kei- ner Steuernachzahlung. Im Falle eine Nachzahlung stellt dies keine Pflichtveranlagung dar und der Steu- erbescheid ist auf Antrag im Wege einer Beschwerde aufzuheben und auf Null zu stellen. Insbesondere wenn während des Bezuges von Arbeitslosenunter- stützung eine geringfügige Beschäftigung ausgeübt wird, käme es aufgrund des Rechenvorganges im- mer zu einer Steuernachzahlung. Es muss jedoch in diesen Fällen keine Steuererklärung eingereicht werden bzw. könnte wiederum zurückgezogen wer- den. Problematisch wird es, wenn die geringfügige Beschäftigung auch nach Bezug von Arbeitslosen- geld oder Notstandshilfe während einer neuen Voll- zeitstelle weiterhin ausgeführt wird. Denn dann liegt aufgrund zweier gleichzeitig vorliegender Dienstver- hältnisse eine Pflichtveranlagung vor – und es wird auch die geringfügige Beschäftigung während des Arbeitslosengeldbezuges steuerpflichtig (je nach Einkommen in Höhe von ca. 35 %). Die oben beschriebene Hochrechnung gilt auch bei Transferzahlungen aufgrund der Bildungskarenz, nicht hingegen beim Karenzurlaubsgeld, Wochen- geld (Mutterschutz während acht Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt). Dabei kommt es zu hohen Steuergutschriften, da das Karenzurlaubs- geld als vollkommen steuerfrei ohne Hochrechnung zu behandeln ist. Der VfGH hat klargestellt, dass er keine verfassungsrechtlichen Bedenken dabei hat. Es ist allerdings zu beachten, dass das Wochengeld sehr wohl für die Grenze des Alleinverdienerabsetz- betrages von jährlich € 6.000,- heranzuziehen ist.
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