Wirtschafts- und sozialstatistische Informationen 2018 II

Seite 10 WISO Spielregeln nicht naturgesetzlich ertragen werden müssen, sondern Gestaltungsspielräume offenste- hen und genützt werden müssen, will man eine sozial gerechte Zukunft gestalten. In der Folge wird der Versuch unternommen, einige Grunddynamiken - im Sinne von Chancen und Ri- siken der Digitalisierung - herauszustellen, wie sie sich auf den Arbeitsmarkt und die Gestaltung von Arbeit auswirken könnten. In all diesen Feldern gilt es Überlegungen anzustellen, wie Gerechtigkeit und Fairness herzustellen sind. Diese werden aus der Sicht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer for- muliert, die nach wie vor den weitaus größten Teil der Erwerbstätigen in Österreich stellen. Chancen Individualisierung von Arbeit Die Möglichkeit, Arbeitsverhältnisse, Arbeitsorte und Arbeitszeit zu individualisieren und auf die Bedürfnis- se der jeweiligen Personen abzustellen. Die Verein- barkeit von Beruf und Privatleben lässt sich individu- eller handhaben. Reduktion/ Entfall belastender, eintöniger Arbeiten Eines der „Heilsversprechen“ der Digitalisierung/Au- tomatisierung ist die Entlastung der Menschen von Arbeiten welche gefährlich, belastend oder eintönig und monoton sind. Dadurch könnten die Erwerbstäti- gen sich den Elementen ihrer Arbeit widmen, welche Kreativität, komplexe soziale Interaktionen, Problem- lösungskompetenz etc. verlangen. Leichterer Zugang zu weltweiten Bildungs- und Weiterbildungsangeboten Über spezielle Plattformen und Anbieter (z.B. cour- sera.org) ist es sehr einfach, Weiterbildungsangebo- te zu nützen. Noch nie war so viel Wissen so breit zugänglich. Erweiterung der Arbeitsmöglichkeiten Theoretisch können sich Menschen in digitalen Ar- beitsmärkten global Beschäftigungen suchen. Die Möglichkeiten für Erwerbstätigkeit werden dadurch potenziell stark erweitert. Neue Jobs Ein durchaus nachvollziehbarer Argumenations- strang der Proponenten der Digitalisierung besteht in dem Hinweis, dass neue Jobs entstehen werden, die wir uns bisher nicht vorstellen können. Bislang wäre das mit jeder technologischen Neuerung so gewe- sen. Das Verhältnis von Arbeit und Technologie sei komplementär. Dies setzt jedoch Voraus, dass sich die historische Entwicklung linear fortschreibt. Risiken Entgrenzung von Arbeit Eine zunehmende Invasion der Lebenswelt durch „Produktivzeiten“, weniger und weniger zusam- menhängende Zeiträume für andere Formen von „Arbeit“: familiäre, gesellschaftliche, politische. Fle- xibilisierungsanforderungen werden v.a. den Arbeit- nehmerinnen und Arbeitnehmern auferlegt. Ausweitung des Digital Gap Das Nutzen der Möglichkeiten, welche durch die Di- gitalisierung entstehen werden, setzt ein Grundla- genwissen für den Umgang mit digitalen Medien und den Basistechnologien voraus. Die Zugangsvoraus- setzungen für eine aktive und positiv empfundene Teilhabe an der Gesellschaft steigen. Was passiert mit denjenigen, die nicht über die entsprechenden „skills“ verfügen oder keine Möglichkeit haben, sich diese anzueignen? Umfassenderes Deskilling Die Voraussetzungen für Tätigkeiten, welche bislang spezielle Ausbildungen erforderten, werden durch Technologie nach unten gesetzt (auch das ist aber kein neuer Trend). Nachdem dies bereits für eine ganze Reihe manueller Tätigkeiten geschehen ist (z.B. Bäcker), könnten als nächstes nicht-manuelle Berufe mittlerer Qualifikation davon betroffen wer- den. Der Faktor Kapital wird intelligent und ersetzt den Faktor Arbeit zusehends. „Squeeze the Middle“ - Polarisierung des Arbeitsmarktes Technologiegetriebener Strukturwandel führt zu ei- ner zunehmenden Aufspaltung des Arbeitsmarktes in höchst- und niedrigqualifizierte Arbeitsplätze. Es ent- steht Druck auf Berufe mit mittleren Qualifikations- anforderungen, dieser Druck wird an Niedrigqualifi- zierte weitergegeben, da sich Personen mit mittleren Qualifikationen „nach unten“ orientieren müssen. Die Empirie ist in dieser Hinsicht allerdings nicht eindeu- tig. Für Österreich wurden bislang keine Indizien für eine solche Entwicklung gefunden. „Entsicherung“ der Lebensverhältnisse Neue Arbeitsformen und –verhältnisse erodieren die bisherigen sozialstaatlichen Regelungen und Si- cherungssysteme. Alternative Systementwürfe zur sozialen Absicherung (wie etwa das in diesem Zu- sammenhang oft genannte bedingungslose Grund- einkommen) sind bislang noch nicht konkret sichtbar

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