Wirtschafts- und sozialstatistische Informationen 2018 II
WISO Seite 11 und/oder derzeit politisch nicht umsetzbar. Unter dem Druck der Verhältnisse könnte sich dies aller- dings rasch verändern. Erschwernis von kollektiven Interessensvertre- tungsprozessen Durch die Individualisierung der Arbeitserfahrung, durch den Entfall räumlicher Bezüge und durch die Verflechtung in internationale Produktionsprozesse wird die Vertretung der Interessen von Arbeitneh- merinnen und Arbeitnehmern schwieriger gemacht. Dafür werden neue Vertretungsformen gesucht wer- den müssen, um eine angemessene politische Ein- bindung für die Mehrheit der Bevölkerung zu gewähr- leisten. Eine grundsätzliche Dämpfung der Nachfrage nach menschlicher Arbeitskraft Die Effizienz- und Beschleunigungsvorteile durch die Digitalisierung entstehen nicht zuletzt dadurch, dass Menschen zunehmend weniger in Leistungserstel- lungsprozessen involviert sind oder in weniger zen- trale Rolle gedrängt werden (Stichwort: Mensch als Automatisierungslücke). Dies ist eines der zentralen Leit- und auch Angstmotive im Zusammenhang mit der Digitalisierung: Die Maschinen übernehmen die Jobs. Was tun mit den Menschen, die keinen „pro- duktiven“ Platz in einer zunehmend automatisierten Wirtschaft finden können? Herausforderung: Fairness gestalten Sich verändernde Rahmenbedingungen treffen auf weiterhin stabile Bedürfnisse bei den Bürgerinnen und Bürgern: Wie kann ein gedeihlicher Lebensun- terhalt bestritten werden? Wie kann ein längerfristi- ger Planungshorizont erreicht werden? Wie können Erwerbsarbeit und andere Formen der Arbeit ausge- wogen gehandhabt werden? Wie kann Teilhabe an Gesellschaft und Politik sichergestellt und als „fair“ empfunden werden, etc.? Gerade der letzte Punkt erscheint als demokratiepolitisch wesentlich. Denn bislang scheinen die Risiken der Digitalisierung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wesent- lich konkreter als die sich möglicherweise bietenden Chancen. Das schürt bei vielen grundsätzliche Ängs- te, lässt die Zukunft als eher negativ und bedrohlich erscheinen und öffnet Wege für diejenigen, welche scheinbar einfache Lösungen bieten. Aber es sind ja nicht die Ängste allein, sondern rea- le Risiken, die mit einem möglicherweise bevorste- henden massiven technologischen Umbruch einher- gehen. Zum ersten Mal erscheint es zumindest als möglich, dass der Faktor „menschliche Arbeit“ gene- rell in Frage gestellt werden könnte, weil artifizielle Intelligenz sich in vielen Bereichen als vollständiges Substitut für menschliche Beschäftigte erweisen könnte. Das könnte ein wesentlicher Unterschied zu bisherigen technologischen Revolutionen sein. Das muss nicht so sein, aber es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Möglichkeit dafür besteht. Aus heu- tiger Sicht ist hier keine definitve Antwort möglich. Deshalb erscheint es wesentlich, den Aspekt der „Fairness“ stets im Fokus der Diskussion über die Digitalisierung zu behalten. Gerade, wenn Personen betroffen sind, welche keine oder nur wenig Gestal- tungsmacht über ihre Arbeitsbedingungen haben. „Fairness“ bedeutet in diesem Zusammenhang auch den Schutz der Lebenswelt der Menschen vor nega- tiven strukturellen Einflüssen. Grundsätzliche Anfor- derungen an eine Gesellschaft bleiben auch in der „digitalen Zukunft“ aufrecht: (Vollzeit-)Arbeit muss solange wir in einem System leben, das Arbeit als Bedingung von Einkommen sieht, für die Bestreitung des Lebensunterhalts ausreichen. Die Absicherung im Alter und bei Krankheit muss für alle Menschen der Gesellschaft gewährleistet sein. Alle Wirtschafts- subjekte müssen solidarisch und nach Leistungsfä- higkeit zum Erhalt des sozialen Netzes und zur Be- reitsstellung öffentlicher Dienstleistungen beitragen. Der Begriff des Wirtschaftssubjektes muss an dieser Stelle bewusst inhaltlich offen gelassen werden, da nicht klar ist, wer die Hauptträger zukünftiger Wert- schöpfung sein werden.
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