Wirtschafts- und sozialstatistische Informationen 2018 II
WISO Seite 15 cen hatten die früher überall zu findenden Videokas- settenverleihe gegen die Streaminganbieter? Die Ökonomie der Netzwerke Direkte Netzwerkeffekte Allein aber durch die Eigenschaften digitaler Informa- tionsgüter ließe sich der kometenhafte Aufstieg von Onlineplattformen zu so wichtigen wirtschaftlichen Akteuren noch nicht erklären. Denn es gibt ja auch eine ganze Reihe von Plattformen, welche mit phy- sischen Gütern handeln oder diese vermitteln (z.B. Ebay, Uber, …). Mindestens ebenso wichtig sind die in der ökonomischen Literatur bereits seit langem diskutierten Netzwerkeffekte. Netzwerkeffekte liegen vor, wenn die vermehrte Ver- wendung eines Gutes den Gesamtnutzen des Gutes zunehmen lässt. Am Beispiel des Telefons ist das leicht erklärt: der Nutzen eines Telefonapparates ist sehr begrenzt, wenn man der einzige ist, der einen besitzt: es gibt niemanden sonst, den man anrufen könnte. Der Nutzen steigt dramatisch, wenn zumin- dest eine weitere Person über ein Telefon verfügt. Und er nimmt weiter zu, je mehr Personen einen Te- lefonanschluss haben. Diese Dynamik wird als direk- ter Netzwerkeffekt bezeichnet und gilt natürlich eben- so für die heutigen Onlineplattformen. Warum haben so viele Menschen einen Account bei Facebook? Es ist nicht etwa das überlegene Benutzerinterface und schon gar nicht die Sicherheit von Daten und Privatsphäre, sondern vor allem die Tatsache, dass so viele ihrer Freunde, Verwandten und Bekannten ebenfalls auf Facebook registriert sind! Ein soziales Netzwerk stiftet nur dann einen Nutzen, wenn dort auch die Personen zu finden sind, mit denen man in Verbindung treten möchte. Es können zwei verschiedene Arten von direkten Netzwerkeffekten auftreten. Dazu vergegenwärtigen wir uns nochmals, dass die meisten Plattformen zwei oder mehrere verschiedenartige Gruppen von Usern miteinander in Verbindung bringen. Das Facebook- Beispiel zeigt einen direkten Netzwerkeffekt auf einer Seite des Netzwerkes iii : Menschen melden sich bei Facebook an, weil sie erwarten, dass ihre Freunde und Bekannte dort ebenfalls zu finden sind. Alle ge- hören aber derselben Gruppe von Usern an – Pri- vatpersonen, die mit der Registrierung in der Regel keine kommerziellen Absichten verbinden. Eine weitere Folge der wachsenden Zahl von Use- rinnen und User auf der einen Seite der Plattform ist es aber, dass die Anreize für Userinnen und User der anderen Seite steigen, sich ebenfalls verstärkt in der Plattform zu engagieren. So werden etwa Unterneh- men, Parteien, NGOs etc. damit die Erwartung ver- knüpfen, ihre Sichtbarkeit in der „Öffentlichkeit“ von Facebook zu erhöhen, indem sie selbst eine Face- bookpräsenz einrichten oder Werbebanner zukau- fen. Dieser Effekt, wo die vermehrte Benutzung einer Plattform von einer Gruppe von Userinnen und Usern, den Nutzen der Plattform für eine andere Gruppe erhöht, wird als „cross-side network effect“ bezeichnet. Weitere Beispiel für die Wirkung dieser „cross-side“ Netzwerkeffekte sind in Onlinemarktplät- zen wie Ebay oder Willhaben zu beobachten: Eine wachsende Zahl von kaufinteressierten Personen auf der Plattform erhöht den Anreiz als Verkäufer dort tätig zu werden. Dieser Effekt wirkt ebenso in die an- dere Richtung: eine steigende Zahl an Anbieterinnen und Anbietern auf einem Onlinemarktplatz, erhöht auch den Nutzen der Plattform für die Kaufinteres- senten, da die Wahrscheinlichkeit steigt, zu finden, was man sucht. Es kommt zu einem sich selbst ver- stärkenden Wachstumseffekt. Indirekte Netzwerkeffekte Allein die hier beschriebenen direkten Netzwerk- effekte verleihen Plattformen, wenn sie einmal „in Schwung“ gekommen sind, bereits eine enorme Wachstumsdynamik. Aber neben den direkten Netz- werkeffekten wirken zusätzlich auch noch indirekte Netzwerkeffekte. Anschaulich kann das erneut am Beispiel eines Marktplatzes wie Ebay gezeigt wer- den. Ebay ist ein zweiseitiges Netzwerk mit Verkäu- fern auf der einen Seite und den Käufern auf der an- deren Seite. Verkäufer profitieren nicht direkt durch das Auftreten weiterer Verkäufer – im Gegenteil, es kann sogar zu einer verstärkten Konkurrenzsituation kommen. Aber durch zusätzliche Verkäufer steigt das Gesamtangebot im Markt und zieht deshalb weitere Kaufinteressierte an, die Gesamtnachfrage steigt. Durch diesen indirekten, nachfragesteigernden Ef- fekt profitieren die Verkäufer insgesamt. 4 Auch die Wechselwirkungen zwischen Softwareplatt- formen für Handys wie Android oder iOS und den App-Entwicklern sind ein Beispiel für indirekte Netz- werkeffekte. Das Handy als Basisprodukt hat ohne Apps bereits einen Nutzen für den User – nämlich schlicht als tragbares Telefon. Aber erst wenn ent- sprechende Apps heruntergeladen werden, ist das Handy ein vollwertiges Produkt. Das Handy und die verfügbaren Apps sind komplementäre Produkte, d.h. sie werden in einem Bündel von den Konsumen- tinnen und Konsumenten nachgefragt. Das Vorhan-
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