Wirtschafts- und sozialstatistische Informationen 2018 II
Seite 16 WISO densein vieler verschiedener Apps für eine Geräte- plattform wie Android oder iOS lässt den Nutzen des Handys als Basisproduktes deutlich steigen. Für sich betrachtet wird jede einzelne App zwar nur einen ge- ringen Nachfrageeffekt auslösen und App-Entwickler stehen untereinander natürlich in Konkurrenz, aber alle Apps zusammengenommen können eine erheb- liche zusätzliche Nachfrage generieren. Die dadurch ausgelöste steigende Gesamtnachfrage nach Han- dys mit einer bestimmten Software-Plattform, steigert auch die Nachfrage nach neuen Apps. Lokale Netzwerkeffekte Netzwerkeffekte müssen sich aber nicht immer auf das gesamte Netzwerk beziehen, sondern können auf eine bestimmte Untergruppe des Netzwerkes be- grenzt sein. In diesem Fall wird von lokalen Netzwer- keffekten gesprochen. So ist der Nutzen der Kurz- nachrichten-Anwendung Whatsapp davon abhängig, ob viele Freunde und Bekannte Whatsapp verwen- den und weniger von der Gesamtzahl der Nutzerin- nen und Nutzer. Lokale Netzwerke betreffen besonders physisch und lokal operierende Plattformen. Eine steigende An- zahl von Uber-Taxis in San Francisco wird die Zahl der potenziellen Fahrgäste in London kaum tangie- ren. Das bedeutet, dass eine Plattform wie Uber, die wie gesagt, eine starke Verankerung im physischen Raum hat, wesentlich mehr Aufwand betreiben muss, um überall Netzwerkeffekte zu erzielen, wie etwa Fa- cebook, das ausschließlich online operiert und damit die Eigenschaften von digitalen Informationsgütern voll ausnützen kann. Mit welchen Strategien versuchen Plattformen Netzwerkeffekte in Gang zu bringen? Interessant ist auch die Frage, wie es Plattformen gelingen kann, Netzwerkeffekte in Gang zu brin- gen. Denn Netzwerkeffekte benötigen eine „kritische Masse“ an Netzwerkteilnehmerinnen und –teilneh- mern, um in Schwung zu kommen. Eine Definition beschreibt diese „kritische Masse“ als den Punkt, ab dem das Netzwerk selbst mehr Nutzen erzeugt, als das ursprüngliche Produkt (die Plattform) für sich al- lein oder konkurrierende Produkte. 5 Bei einem Telefon ist die kritische Masse, ab dem zweiten Apparat erreicht, da ein Telefonapparat für sich gesehen – wie bereits dargestellt – so gut wie keinen Nutzen hat. Darüber hinaus ist eine Telefon- verbindung deutlich schneller als konkurrierende Produkte (z.B. ein Telegramm). Für andere Produk- te und Dienstleistungen setzen Netzwerkeffekte erst wesentlich später ein und müssen gezielt angestrebt werden. Ein möglicher Weg dies zu erreichen ist es, Usern neue Funktionalitäten anzubieten. So startete die Fo- tosharing-App Instagram anfangs mit neuartigen Ka- merafiltern, die gratis in die App eingebettet waren. Dazu machte es Instagram leicht, Fotos mit Bekann- ten und Freunden zu teilen (auch über andere sozia- le Netzwerke). D.h. die User begannen Instagram zu nutzen, weil sie schönere Fotos aufnehmen konnten und blieben, weil immer mehr Nutzerinnen und Nut- zer begannen, Fotos direkt auf Instagram zu teilen. 6 Eine andere Strategie kann es sein, zunächst extre- me Nischenmärkte zu bedienen: Facebook begann als soziales Netzwerk im Milieu der Harvard Univer- sity und erreichte damit für eine kleine demographi- sche Gruppe eine kritische Größe. Diese bot über die weiteren engen und losen sozialen Beziehungen die- ser Gruppe die Basis für das weitere rasante Wachs- tum von Facebook. 7 Netzwerkeffekte und Wettbewerb Starke Netzwerkeffekte und die Eigenschaften di- gitaler Informationsgüter lösen eine Tendenz hin zur Monopolbildung in Märkten aus. Es bilden sich „Winner-takes-all“- oder „Winner-takes-most“-Märkte in der ein dominanter Player den Markt fast völlig beherrschen kann. Dies führt zu Nachteilen für die Konsumentinnen und Konsumenten, da der Monopo- list einen starken Anreiz hat, eine Monopolrente ab- zuschöpfen, d.h. er kann höhere Preise verlangen, als er dies in einer Konkurrenzsituation könnte. iv Aber auch der Wettbewerb insgesamt wird behindert, da neue Anbieter es extrem schwer haben, gegen die etablierten Plattformen zu bestehen. v Die großen Internetfirmen argumentieren, dass sie in keiner Monopolstellung wären, da ja jederzeit ein neuer Anbieter mit einem besseren Angebot auftre- ten könnte und sie ihre marktbeherrschende Stellung sehr schnell verlieren könnten. Tatsächlich kann die- sem Argument zumindest theoretisch einiges abge- wonnen werden: Netzwerkeffekte können unter den entsprechenden Umständen sehr schnell umschla- gen. Beginnen User ein Netzwerk zu verlassen, so sinkt der Nutzen für die verbleibenden. Wenn alter- native Angebote vorhanden sind, kann das zu einer sehr raschen Migration der User führen. Vor Face- book war Myspace das dominante soziale Netzwerk, konnte aber seine Position nicht behaupten, da Fa- cebook für die User offensichtlich das attraktivere An- gebot war. Facebook konnte starke Netzwerkeffekte nutzen und die User wechselten in kürzester Zeit massenhaft von Myspace zu Facebook. In der Fol-
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