Wirtschafts- und sozialstatistische Informationen 2019 I
WISO Seite 5 „Gold-Plating“ ist ein Begiff, der bis vor einem Jahr nur wenigen Insidern des Europarechts bekannt war, sich aber nun in aller Munde befindet. Ob „Gold-Pla- ting“ sein schlechter Ruf zu Recht voraus eilt oder ob derzeit nur eine einseitige Argumentation um sich greift, soll hier geklärt werden. „Gold-Plating“ heißt auf Englisch nichts anderes als vergolden. Gold erhöht landläufig den Wert einer Sa- che, derzeit wird jedoch vermittelt, dass dies etwas Schlechtes sei. Im aktuellen Regierungsprogramm der österreichischen Bundesregierung findet sich das Wort „Gold-Plating“ an neun Stellen: im Bereich des Arbeitsrechts, des Umweltrechts, im Kapital- markt-, Banken und Versicherungsrecht, im Bereich der Landwirtschaft sowie im Steuer- und Verwal- tungsrecht. 1 Und in allen Fällen wird es als etwas Ne- gatives hingestellt, das abgeschafft gehört; es wird aber mit keinem Wort näher definiert. 2 Unter „Gold-Plating“ versteht man wertungsfrei das Erhöhen europarechtlicher Standards durch einen Mitgliedstaat. Hier ist vorab anzuführen, dass ein Weg, das Recht innerhalb der Europäischen Union zu harmonisieren, also zu vereinheitlichen, der Be- schluss von EU-Richtlinien ist. Richtlinien richten sich an die Mitgliedstaaten und sie sind hinsichtlich des zu erreichenden Zieles verbindlich. Die EU über- lässt es jedoch den innerstaatlichen Stellen, mit wel- chen Mitteln diese Ziele erreicht werden sollen (vgl. Art. 288 Abs. 3 AEUV). Richtlinien sind also in natio- nales Recht umzusetzen und bedürfen daher in der Regel eines Beschlusses des österreichischen Ge- setzgebers. Da in der EU die Interessen von derzeit 28 Mitgliedstaaten unter einen Hut zu bringen sind, kann man sich auf EU-Ebene im Rat (der aus den Ministern aller Mitgliedstaaten zusammengesetzt ist) oft nur auf ein Mindestniveau, sozusagen auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen. So ist es gerade im Bereich des Arbeitsrechts üblich, von einer Mindestharmonisierung zu sprechen. Hier geht es ausdrücklich darum, in allen EU-Staaten die Rech- te von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf einem gewissen Mindestniveau zu vereinheitlichen. Für die Beschäftigten günstigere Regelungen in den einzelnen Staaten sind nicht nur ausdrücklich erwünscht, sondern dürfen, wenn sie in einem Mit- gliedstaat schon existieren, im Zuge der Umsetzung der Richtlinie auch nicht herabgesetzt werden. Man spricht hier von einem Verschlechterungsverbot. Es wäre dem Ruf der Union auch nicht zuträglich, wenn sie in wohlerworbene Rechte vonArbeitnehmer*innen in Mitgliedstaaten mit höherem Arbeitnehmerschutz eingreift, nur um ein einheitliches Schutzniveau in Europa zu schaffen. Ziel ist es, das soziale Schutzni- veau in allen Mitgliedstaaten zu erhöhen. Auch „ein hohes Maß an Umweltschutz und die Verbesserung GOLD PLAT I NG Ist das Übertreffen von EU-Mindeststandards ein Luxus? WISO WISSEN Dr. Domenico Rief, LL.M.
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