Wirtschafts- und sozialstatistische Informationen 2019 I
Seite 6 WISO der Umweltqualität“ zählen zu den Zielen der Union. 3 Um überhaupt eine europaweite Regelung zu errei- chen, ist es notwendig, Kompromisse zu schließen. Diese führen oft dazu, dass das hohe Schutzniveau, das die EU-Verträge fordern würden, gar nicht er- reicht werden kann. Hier kann „Gold-Plating“ not- wendig sein, um dem unionsrechtlich angestrebten hohen Schutzniveau zumindest in manchen Mitglied- staaten gerecht zu werden, die dadurch mit gutem Beispiel voran gehen. 4 Das Erhöhen europarechtlicher Standards kann auf verschiedene Arten erfolgen: a) Es kann in einem Mitgliedstaat bereits ein höheres Schutzniveau geben, als es die EU für alle Mitglied- staaten einführen möchte. Dieses Niveau muss dann in vielen Rechtsbereichen sogar beibehalten werden. Das bedeutet, dass der Mitgliedstaat seine Rechtsla- ge nicht ändert, da sie bereits über der europäischen liegt. Eine Erhöhung lag also schon vor, ohne dass es eines nationalen Rechtssetzungsaktes bedurfte. Als Beispiel kann das Urlaubsrecht herangezogen wer- den. Im Jahr 1993 führte die EU mit der Arbeitszeit- richtlinie einen bezahlten Mindestjahresurlaub von 4 Wochen ein. Das österreichische Urlaubsgesetz sah aber bereits damals einen Urlaubsanspruch von 5 Wochen (bzw. nach 25 anrechenbaren Dienstjahren sechs Wochen) pro Jahr vor. Aufgrund des ausdrück- lich festgeschriebenen Verschlechterungsverbotes in dieser Arbeitszeitrichtlinie musste Österreich im Zuge des EU-Beitritts 1995 sein Urlaubsgesetz nicht ändern, da die Mindestvoraussetzung von 4 Wochen bezahlten Urlaubes bereits (über-)erfüllt war. b) Eine Erhöhung europarechtlicher Standards kann aber auch erst im Zuge der Umsetzung von EU- Recht erfolgen. Ein Grund dafür kann sein, dass be- reits im Laufe der Verhandlungen auf europäischer Ebene der betreffende Mitgliedstaat ein höheres Niveau angestrebt hat, dieses Ansinnen aber keine Mehrheit fand. Es steht jedem EU-Staat jedoch frei, einen höheren Schutzstandard im eigenen Staat zu verwirklichen, wenn hierfür national die notwendigen Mehrheiten im Parlament gefunden werden. Dies kann beispielsweise innen-, sozial- oder wirt- schaftspolitische Gründe haben. Insbesondere im Bereich der Arbeitsbedingungen ist es wichtig, mehr als nur die europäischen Mindeststandards zu bieten, wenn man gute Mitarbeiter behalten und die „besten Köpfe“ aus anderen Arbeitsmärkten anlocken möch- te. „Gold-Plating“ kann auch notwendig sein, um Rechtssicherheit im eigenen Land zu gewährleisten oder die Systematik der nationalen Rechtsordnung zu wahren. Der nationale Umsetzungsakt darf aber nicht dazu führen, dass das auf EU-Ebene ange- strebte Ziel konterkariert wird, sondern es muss da- mit das gleiche Ziel verfolgt werden. Will die EU hingegen nicht eine Mindestharmonisie- rung erreichen, sondern eine Vollharmonisierung, so erfolgt das normalerweise mit dem Mittel der Verordnung. Diese regelt bereits auf EU-Ebene alle Anforderungen und erlaubt es den Mitgliedstaaten in der Regel nicht, andere oder zusätzliche Voraus- setzungen in ihr Recht aufzunehmen, auch nicht um ein höheres Schutzniveau zu erreichen. Sieht eine EU-Verordnung jedoch verschiedene Optionen oder Ausnahmemöglichkeiten für die Mitgliedstaa- ten vor, ist auch in diesem Fall „Gold-Plating“ mög- lich, indem Mitgliedstaaten von diesen Ausnahmen L U U X S ? Z IVU
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