Wirtschafts- und sozialstatistische Informationen 2019 I
WISO Seite 7 Gebrauch machen oder eben nicht. 5 „Gold-Plating“ wird oft auch mit überbordender Bürokratie verbun- den und ist in diesen Fällen tatsächlich als proble- matisch anzusehen. Wenn Förderwerber zum Erhalt von Geldern aus den EU-Töpfen, beispielsweise aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF), nicht nur jene Voraussetzungen in abrechnungstechnischer und formaler Hinsicht erfüllen müssen, die ihnen die EU vorschreibt, sondern zusätzlich noch Formalvor- schriften ihres eigenen Mitgliedstaates, kann dies eine unverhältnismäßige Erschwernis darstellen und sogar die Einreichung von EU-Projekten unattraktiv machen. Diese Art von „Gold-Plating“ im Sinne einer Überbürokratisierung ist abzulehnen. Alles in einen Topf zu werfen und „Gold-Plating“ per se unter Ge- neralverdacht zu stellen, wie dies die österreichische Bundesregierung vornimmt, geht jedoch zu weit und wiederspricht in vielen Fällen dem Europarecht. Das österreichische Ministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz definiert „Gold- Plating“ sehr weit und sieht dies nicht nur dann als verwirklicht an, wenn zusätzliche inhaltliche oder bürokratische Anforderungen vorgesehen sind, son- dern auch... a) wenn der sachliche Anwendungsbereich über den in der Richtlinie vorgesehenen ausgedehnt wird, b) wenn von zulässigen Ausnahmen nicht Gebrauch gemacht wird oder bei mehreren Umsetzungsoptio- nen die strengere Variante gewählt wird, c) wenn schärfere Sanktionen festgelegt werden und d) wenn die Umsetzung zu einem früheren Zeitpunkt erfolgt, als in der Richtlinie vorgesehen. 6 Der Auffor- derung des Deregulierungsministers Moser, derar- tige Bestimmungen bis 15. Mai 2018 einzumelden, ist die Wirtschaftsseite gefolgt. Diese vertrauliche Liste 7 vom 1. Juni 2018 mit Bestimmungen der ös- terreichischen Rechtsordnung, welche nach Ansicht der Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung und anderer Interessensvertretungen als „Gold-Plating“ gestrichen werden sollten, wurde öffentlich bekannt und zeigte auf, wie weit die Wirtschaftsseite im Be- reich des Arbeits- und Konsumentenschutzrechts zu gehen bereit wäre, um Kosten zu senken und ihre Gewinne zu maximieren. Um hier nur ein paar Bei- spiele zu nennen: a) Streichung der 5. und 6. Urlaubswoche, b) Aufweichung des Kündigungsschutzes für Schwangere, c) Infragestellung von Arbeitsschutzbestimmungen, d) Erschweren von Verbandsklagen im Verbraucher- recht, e) Wegfall der Nichtigkeit von missbräuchlichen Klau- seln in Verbraucherverträgen, f) Gebühren bei Papierabrechnungen und Bargeld- abhebungen erlauben, ? LE ED S U EG T N
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