Wirtschafts- und sozialstatistische Informationen 2019 I
WISO Seite 9 Dr. Stephan Schulmeister zählt zu Österreichs be- kanntesten Ökonomen. In seinem neuen Buch „Der Weg zur Prosperität“ legt er eine umfassende Analyse der Schieflage vor, in der sich unser Wirt- schaftssystem befindet: Seit 40 Jahren verdrängt der Finanzkapitalismus den Realkapitalismus. Spekulati- on lohnt sich mehr als reale Produktion, Kapital fließt in die Finanzmärkte, anstatt in die Realwirtschaft. Daher schwanken die für Unternehmer wichtigsten Preise wie Wechselkurse, Rohstoffpreise, Aktienkur- se und Zinssätze in einer Abfolge von „Bullen- und Bärenmärkten“. Im Bullenmarkt werden Vermögens- werte „aufgebasen“, der nachfolgende Bärenmarkt vernichtet den fiktivem Reichtum und führt in Finanz- und Wirtschaftskrisen (am bisher spektakulärsten im Jahr 2008). Diese Krisen erhöhen die Arbeitslosigkeit und den Druck auf die Staatshaushalte. Die Folgen: zunehmende Ungleichverteilung, eine Zunahme pre- kärer Beschäftigungsformen und ein Abbau des So- zialstaats. So vertiefen die neoliberale „Therapien“ die Krisen und bereiten den Boden für den Aufstieg der Rechtspopulisten. Sie schreiben in ihrem Buch „Der Weg zur Pros- perität“ der Staat ist unser Verein. Wie ist das zu verstehen? Zunächst einmal als eine Gegenthese zur Behaup- tung der Neoliberalen, der Staat wäre der Feind der Bürgerinnen und Bürger. Historisch gesehen entwi- ckelte sich das Gemeinwesen, weil der wirtschaftli- che Fortschritt die Gesellschaft vor Aufgaben stellte, die Märkte und private Unternehmen nicht erbringen können. Das betrifft etwa den Bereich der öffentli- chen Güter. Das Gut „öffentliche Sicherheit“ bedeu- tet etwa, dass niemand Angst haben muss, nachts durch die Stadt zu gehen. In diesem Sinne würde ich auch gesellschaftlichen Zusammenhalt und sozi- ale Sicherheit für öffentliche Güter halten, denn ich lebe lieber in einer Gesellschaft in der auf der Straße Der Staat ist unser Verein Ein Interview mit dem Ökonomen Dr. Stephan Schulmeister zur Rolle des Staates im Neoliberalismus.
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