Tiroler Arbeiterzeitung

A RBEIT & R ECHT 4 Nr. 110, September 2018 Schutz und Hilfe für Tirols Beschäftigte – gerade jetzt! Hotline eingerichtet. Die Arbeitsrechtsexperten der AK Tirol beantworten ab sofort telefonisch unter 0800/22 55 22 – 1414 alle auftretenden Fragen zu Arbeitszeit, Gleitzeitvereinbarung, Arbeitsverträgen, Änderungskündigungen, Überstunden oder Mehrarbeit, die im Zuge des 12-Stunden-Arbeitstages auftreten. Überstunden ab der 10. Stunde täglich oder ab der 50. Stunde wö- chentlich dürfen laut Gesetzestext ohne Grund abgelehnt werden. Aber Achtung: Dieses Ablehnungsrecht gilt nicht für Überstunden bis zur 10. Stunde täglich oder 50. Stunde wöchentlich. Eine solche Ablehnung darf zu keinen Benachteiligungen führen und wird man deswegen gekündigt, kann die Kündigung bei Gericht in- nerhalb von 2 Wochen ab Erhalt der Kündigung angefochten werden. Aber: Wie soll man bei späteren Benachteili- gungen, etwa Ausschluss von einer Beförderung, noch den Nachweis erbringen können, dass dies wegen früher einmal abgelehn- ter Überstunden war? Und wenn man eine Kündigung bei Gericht anficht, dann ist diese zunächst wirksam und wird erst bei einem positiven Urteil nachträglich vom Ge- richt wieder aufgehoben. In der Zwischenzeit muss man vom Ar- beitslosengeld leben, Gerichtsver- fahren können durchaus aufwendig sein, und es ist mit einer Verfah- rensdauer von ungefähr einem Jahr zu rechnen. Außerdem erhält man bei Prozessgewinn den bisherigen Arbeitsplatz beim früheren Arbeit- geber zurück. Viele Arbeitnehmer wollen aber gar nicht mehr bei einem Arbeitgeber arbeiten, von dem man rechtswidrig hinausge- schmissen wurde. Das bedeutet: Eine Kündigungsanfechtung können sich viele Arbeitnehmer wirtschaftlich gar nicht leisten. Jeder weiß: In einem Abhän- gigkeitsverhältnis gibt es keine Freiwilligkeit! Bei einer Gleitzeitvereinbarung darf bis zu 12 Stunden pro Tag und 60 Stunden pro Woche ohne Überstun- den gearbeitet werden. Vorausset- zung ist laut Gesetzestext, dass das Zeitguthaben ganztägig verbraucht werden kann und ein Verbrauch im Zusammenhang mit einer Wochen- ruhezeit nicht ausgeschlossen ist. In Wahrheit muss das aber nur auf dem Papier stehen. Dies bedeutet nicht, dass ein Arbeitnehmer auto- matisch einen Rechtsanspruch da- rauf hat, einen ganztägigen Zeitaus- gleich zu konsumieren und schon gar nicht, zu einem von ihm ge- wählten Zeitpunkt. Denn letztlich kann ein Arbeitgeber den Zeitaus- gleich immer ablehnen, falls zwin- gende betriebliche Erfordernisse vorliegen. Übrigens: Bisher abgeschlossene Gleitzeitvereinbarungen bleiben aufrecht. Daher neue Vereinba- rungen nicht einfach unterschrei- ben, sondern vorher von einem Ar- beitsrechtsexperten prüfen lassen. Das neue Gesetz sieht vor, dass der Arbeitnehmer ein Wahlrecht hat, ob die Überstunden ab der 10. Stunde täglich oder ab der 50. Stunde wö- chentlich in Geld oder durch Zeit- ausgleich abgegolten werden. Die- ses Wahlrecht muss aber möglichst früh, spätestens am Ende des jewei- ligen Abrechnungszeitraums, aus- geübt werden. Nicht klar ist aber, ob das Wahlrecht auch dann ausgeübt werden darf, falls der (ja vom Ar- beitgeber diktierte) Arbeitsvertrag bereits eine bestimmte Form der Abgeltung von Überstun- den vorsieht. Aber ganz allge- mein ist diese Regelung in der praktischen Handhabung eigentlich zahnlos. Denn was soll man noch verlan- gen können, falls der Arbeitgeber wahlrechtswidrig die Überstunden doch in Geld bezahlt, statt in Zeit- ausgleich? Einen zusätzlichen Zeit- ausgleich, also beides? Wohl eher nicht. Und auch hier gilt: Ein Arbeitge- ber kann den Zeitausgleich immer ablehnen, falls zwingende betrieb- liche Erfordernisse vorliegen. Seit 1. September 2018 ist es zu- lässig, dass man an 4 Wochenen- den oder an 4 Feiertagen pro Jahr eingesetzt wird. In Betrieben mit Betriebsrat bedarf es dazu einer Betriebsvereinbarung, in Betrie- ben ohne Betriebsrat einer schrift- lichen Vereinbarung mit dem Ar- beitnehmer. Übrigens: Bei Arbeiten an einem Feiertag handelt es sich grundsätzlich nicht um Überstun- denarbeit. Laut Gesetzestext darf ein Arbeitnehmer, falls keine Be- triebsvereinbarung mit dem Be- triebsrat vorliegt, diese Arbeiten ohne Angabe von Gründen ableh- nen und wegen einer Ablehnung nicht benachteiligt oder gekündigt werden. Auch hier gilt das oben Gesagte: Bei einem Abhängig- keitsverhältnis gibt es keine echte Freiwilligkeit, später ist es extrem schwierig, darlegen zu können, dass die Benachteiligung auf die vor- herige Ablehnung zurückzuführen ist, und binnen zwei Wochen nach Zugang angefochtene Kündigungen sind zunächst wirksam und können erst nach einem aufwendigen und längeren Gerichtsverfahren wieder aufgehoben werden. Im Auftrag der Regierung hat der Nationalrat den 12-Stunden-Arbeitstag bzw. die 60-Stunden-Arbeitswoche mehrheitlich beschlossen. Vieles ist aber unklar. Wir sind für Sie da! Bei Fragen zu Arbeitszeit, Gleitzeitvereinbarungen, Arbeitsverträgen, Überstunden oder Mehrarbeit wenden Sie sich an die kostenlose AK Hotline 0800/22 55 22 – 1414. 12-Stunden-Arbeitstag: Was gilt wirklich?  von Seite 1 Freiwilligkeit und Ablehnungsrecht Mehr arbeiten an Wochenenden und an Feiertagen Gleitzeit Geld oder Zeitausgleich Belastet. Die Arbeitnehmer müssen sich darauf einstellen, bei Arbeitsbeginn um 8 Uhr immer wieder erst um 21 Uhr daheim zu sein… © underdogstudios /stock.adobe.com

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