Tiroler Arbeiterzeitung

THEMA: WAS TIROL BEWEGT 7 Nr. 121, Juli/August 2019 Branchen zum Lohn beitragen Lohnsteuer nach Branchen 2017 (in Mio. Euro) Bruttoeinkommen gesamt (in Mrd. Euro) D ie Analyse der Einkom- men konzentriert sich meistens auf die indivi- duelle Ebene. Wie hoch ist das Einkommen pro Kopf? Interessant und auf- schlussreich ist es aber auch, die Blick- richtung einmal um- zudrehen und die Gesamteinkommen in Tirol zu betrach- ten. Aus welchen Branchen der Tiroler Wirtschaft stammen eigentlich die Ein- kommen der Tirole- rinnen und Tiroler? Von den Löhnen und Gehältern der Beschäftigten welcher Bran- chen wird die meiste Steuer be- zahlt? Beantwortet werden diese Fragen mit der Lohnsteuerstatis- tik der Statistik Austria aus dem Jahr 2017 – der derzeit aktuellsten Einkommensstatistik. Zunächst eine generelle Über- sicht zu den Tiroler Einkommen: Die Tirolerinnen und Tiroler er- zielten im Jahr 2017 ein Brutto- einkommen von rund 11,7 Milliar- den Euro. Auf die männlichen Beschäftigten entfiel davon eine Summe von 7,5 Milliarden Euro, also rund zwei Drittel. Die weiblichen Beschäftigten erzielten 4,2 Mil- liarden. Der Hauptgrund für die- ses Ungleichgewicht war, dass Frauen in Tirol sehr viel häufiger in Teilzeit arbeiteten, als die Män- ner. Ganzjährig Vollzeit zu arbeiten bedeutet, das ganze Jahr hindurch ohne saisonale oder sonstige Er- werbsunterbrechungen im Rah- men einer Vollzeitstelle erwerbs- tätig zu sein. Obwohl das auf weniger als die Hälfte – rund 46 % – der Tiroler Beschäftigten zutraf, war die ganzjährige Vollzeitarbeit für die Einkommenssituation in Tirol enorm wichtig. 75 % aller Bruttoeinkommen, 75 % der So- zialversicherungsbeiträge und 87 % der Lohnsteuer wurden von den ganzjährig Vollzeitbeschäftigen in Tirol erzielt bzw. geleistet. Einkommen nach Branche Wenden wir uns der Frage nach der Herkunft der Einkommen nach Branchen zu. Die wichtigste Einzelbranche für die Einkommen inTirol war im Jahr 2017 die Sach- güterproduktion, also Industrie und Gewerbe. 2,3 Milliarden Euro Bruttoeinkommen erzielten die Beschäftigten dieser Branche, das entspricht rund einem Fünftel des gesamten Tiroler Einkommens. Da der Großteil der Beschäftigten in der Produktion Männer waren, entfielen mit 1,8 Milliarden Euro mehr als drei Viertel der Einkom- men auf die männlichen Beschäf- tigten. Ein Viertel des Gesamtein- kommens der Männer in Tirol stammt aus der Sachgüterpro- duktion. Aber nur 11 % der Ti- roler Fraueneinkommen. Für die Einkommen der Frauen war die Beschäftigung im öffentlichen Bereich enorm wichtig. Man kann in diesem Zusammenhang von einem „öffentlichkeitsnahen Sektor“ sprechen: Dieser umfasst die folgenden drei Wirtschafts- abschnitt der offiziellen Statistik der Wirtschaftsaktivitäten (ÖN- ACE): die öffentliche Verwal- tung (Abschnitt O), das Schul- und Erziehungswesen (Abschnitt P) und das Gesundheits- und Sozialwesen (Abschnitt Q). Zu- sammengenommen erhielten die Beschäftigten dieses öffentlich- keitsnahen Sektors rund 3 Mil- liarden Euro Bruttoeinkommen, 26 % des Tiroler Gesamteinkom- mens. Damit wäre der öffentliche Bereich sogar noch vor Industrie und Gewerbe die wichtigste Ein- kommensquelle der Tirolerinnen und Tiroler gewesen. 19 % der männlichen Einkommen ent- stammten dem öffentlichkeits- nahen Bereich. Bei den Frauen machte dieser aber 39 % der gesamten Einkommen aus! Das bedeutet, ohne die Beschäftigung im öffentlichen Bereich sähe die Einkommenssituation der Tirole- rinnen viel schlechter aus. Die Beschäftigten im Handel erzielten rund 1,6 Milliarden Euro Bruttoeinkommen, was einem Anteil von 13 % des gesamten Ti- roler Einkommens entsprach und den Handel an der dritten Stelle im Branchenvergleich positio- nierte. An vierter Stelle mit einem Brancheneinkommen von 0,9 Milliarden Euro und einem Anteil von 8 % der Tiroler Einkommen ordnete sich der Bausektor ein. Auch in dieser Branche waren die Beschäftigten zum überwie- genden Teil Männer. Tourimus: Nur 7 Prozent „Tourismus“ gibt es offiziell nicht als Branche, aber Kernbe- reiche davon werden mit dem Wirtschaftsabschnitt I, „Beher- bergung und Gastronomie“ ab- gedeckt. Traditionell erhält diese Branche in Tirol viel Aufmerk- samkeit. Dennoch, zum Gesamt- einkommen der Tirolerinnen und Tiroler trugen Beherbergung und Gastronomie lediglich 7 % der Bruttoeinkommen bei. Dies lag zum einen an der weit verbrei- teten Saisonarbeit, die natürlich Wochen und Monate ohne Er- werbseinkommen mit sich bringt (Transferleistungen wie Arbeits- losengeld werden in der Lohn- steuerstatistik nicht erfasst), und auch am vergleichsweise nied- rigen Einkommensniveau in der Branche. Lokal, d. h. in den Re- gionen mit intensivem Fremden- verkehr, war die Bedeutung von Beherbergung und Gastronomie für die Gesamteinkommen natür- lich größer. EINKOMMEN S teuern gehören zu den weniger beliebten, aber notwendigen Tatsachen in einem modernen Staat, von dem die Bürge- rinnen und Bürger wichtige Dienstleistungen erwarten. Die Lohnsteuer, welche die Beschäftigten abführen, ist die aufkommensstärkste Steuer in Österreich. In Tirol wurden im Jahr 2017 rund 1,5 Mil- liarden Euro an Lohnsteuer von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bezahlt. Die Lohnsteuerleistung der Beschäftigten einer Bran- che hängt dabei stark mit der Verteilung der Einkommen zusammen, da in Österreich das Einkommen progressiv besteuert wird. D. h. Personen mit hohem Einkommen zah- len verhältnismäßig mehr Lohnsteuer, als Personen mit niedrigem Einkommen. Sehr viele Teilzeit- oder Saison- arbeitende zahlen überhaupt keine Lohnsteuer, da sie unter der jährlichen Lohnsteuer- grenze verdienen. Das bedeu- tet: Branchen mit hohen An- teilen solcher Arbeitsformen, tragen schlussendlich wenig zur Lohnsteuerleistung bei. Die meiste Lohnsteuer wur- de von den Beschäftigten von Industrie und Gewerbe abgeführt, insgesamt knapp 327 Millionen Euro im Jahr 2017. Der öffentlichkeitsnahe Bereich, der aus drei Wirt- schaftsabschnitten gebildet wird — O (öffentliche Ver- waltung), P (Erziehung und Unterricht) und Q (Gesund- heits- und Sozialwesen) – lag mit einer Lohnsteuerleistung von 405 Millionen Euro sogar darüber. Zusammen bezahlten die Beschäftigten des öffent- lichen Sektors und von In- dustrie und Gewerbe fast die Hälfte (48 %) der gesamten Tiroler Lohnsteuer. Der Handel trug weitere rund 12 % (182 Millionen) bei. Die Saisonbranchen Bau und Beherbergung und Gastrono- mie lagen deutlich darunter. Der Bausektor lag mit einer Lohnsteuerleistung von rund 120 Millionen Euro bei 8 % der Tiroler Lohnsteuer. Der Wirtschaftsabschnitt Beher- bergung und Gastronomie trug mit insgesamt 58 Millionen Euro knapp 4 % zur gesamten Tiroler Lohnsteuersumme bei. Die Beschäftigten der Tiroler Verkehrs- und Transportbe- triebe (Wirtschaftsabschnitt H) kamen bei einem annä- hernd gleich hohen Bruttoein- kommen wie in Beherbergung und Gastronomie auf fast die doppelte Lohnsteuerleistung (102 Millionen Euro). Das zeigt deutlich, wie sehr die Verteilung der Einkommen auf die Lohnsteuerleistung in einer Branche wirkt. ANALYSE 100 1 2 3 4 5 6 7 8 200 300 400 500 405,33 326,91 296,89 182,44 120,55 102,92 58,49 30,96 7,54 4,17 öffentlichkeitsnaher Bereich Bruttobezüge Männer Herstellung von Waren Bruttobezüge Frauen andere Handel Bau Verkehr und Lagerei Beherbergung und Gastronomie sonst. wirt. Dienstleistungen 731 Millionen: Die Beschäftigten des öffentlichen Sektors und in Industrie und Gewerbe zahlen fast die Hälfte der gesamten Tiroler Lohnsteuer… © Marco2811/stock.adobe.com i c h t r o n o m i e Steuerleistung nach Branchen: Wer zahlt wieviel Lohnsteuer? Steuerlast. Die Beschäftigen in Industrie und Gewerbe zahlten 2017 am meisten, während der Wirtschaftsabschnitt Tourimus nur 4 % zur gesamten Lohnsteuersumme Tirols beigetragen hat.

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