TIroler Arbeiterzeitung

2 Nr. 109, Juli/August 2018 Memorandum der Wiener Arbeiter Die Forderung nach Errichtung von Arbeiterkammern wird zum ersten Mal 1872 in ein Memorandum der Wiener Arbeiter gekleidet, welches demMinisterium des Inneren und dem Reichsrat überreicht wird. Erste Wahl für die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Tirol 16. und 17.4.1921: Die erste Wahl für Tirol wird durchgeführt, bei der die Mandate von 50 Kammerräten zu vergeben sind. 1.5.1921: Die AK Tirol beginnt ihre Tätigkeit in der Hofburg in Innsbruck. 16.6.1921: Konstituierende Vollver- sammlung unter Präsident Wilhelm Scheibein. Schon in der ersten Funktionsperiode baut die AK die Betreuung ihrer Mit- glieder aus und errichtet Amtsstellen 1872 DIE TIROLER AK IM SPIEGEL DER GESCHICHTE 1921 1930 1933 1938-45 1921 1929 1930 1920 Arbeiterkammergesetz Nachdem am 26. Februar 1920 das „Gesetz über die Errichtung von Kam- mern für Arbeiter und Angestellte (Arbeiterkammer) von der konsti- tuierenden Nationalversammlung beschlossen wurde, nimmt am 1. Mai 1921 auch in Tirol die Arbeiterkam- mer ihre Tätigkeit auf. Zu diesem Zweck wurden Räumlichkeiten in der Hofburg Innsbruck angemietet. Erster Lehrgang einer „Betriebsräteschule“ Fünftägige Betriebsräteschule zu Arbeitsrecht, Volkswirtschaft und Gewerkschaftskunde. Ankauf und Umbau des ehemaligen Nationalbankgebäudes in Innsbruck, Maximilianstraße 7. Das Gebäude wird 1932 eröffnet. in Kufstein, Kitzbühel, Landeck und Lienz. Außerdem schenkt die Kammer dem Lehrlingswesen besondere Auf- merksamkeit und richtet eine eigene Lehrlingsschutzstelle ein. Unsauber. Während die Bundesregierung nach außen bei jeder Gelegenheit das Thema Flüchtlinge zur Sprache bringt, wird im Inneren der Staat umgebaut. Die Arbeitnehmer werden unter dem Deckmantel dubioser Reformen massiv angegriffen. Die 10 Gebote der Regierung zeigen, wie Sozialstaat und Demokratie ausgehöhlt werden. Foto: National Archives Arbeiterkammern werden aufgelöst Nach der Besetzung Österreichs werden die Arbeiterkammern und der Gewerkschaftsbund auf Anord- nung des „Stillhaltekommissars für Vereine, Organisationen und Ver- bände“ am 10. Juni 1938 aufgelöst, ihr Besitz wird konfisziert und der „Deutschen Arbeitsfront“ übertra- Verwaltungskommissionen 1933/34 bringt das Ende für die von den Arbeitnehmern frei gewählten Organe der Kammer. An ihre Stelle treten durch Verordnung der Bundesregierung Verwaltungs- kommissionen. Im autoritären Ständestaat werden die Kammern vollkommen ausgeschaltet. Die 10 Gebote der Regierung DAS ZWEITE GEBOT Du sollst den Familien einen Bonus geben, * DAS ERSTE GEBOT Du sollst den Arbeits­ losenversicherungs- beitrag absenken, * DAS DRITTE GEBOT Du sollst die kalte Progression beibehalten, * DAS VIERTE GEBOT Du sollst den 12-Stunden-Tag einführen, * DAS FÜNFTE GEBOT Du sollst das Sozialsystem zerstören, * DAS ZEHNTE GEBOT Du sollst Gesetze für deine Unterstützer machen, * DAS SIEBTE GEBOT Du sollst beimAMS sparen, * DAS SECHSTE GEBOT Du sollst Hartz IV einführen, * DAS ACHTE GEBOT Du sollst die Arbeiter- kammern schwächen, * DAS NEUNTE GEBOT Du sollst das Kumulations­ prinzip abschaffen, * *ausgenommen für jene, die weniger verdienen. * denn die Familien bezahlen sich den Großteil dieses „Geschenks“ ohnehin selbst. *denn das bist du ihnen schuldig. * denn diese versteckte Steuer bringt dem Finanzminister Milliarden. * denn das belastet die Beschäftigten und wurde Industrie undWirtschaft versprochen. * damit Beschäftigte weniger Schutz haben. * denn durch die Zentralisierung kannst du deine Macht sichern. * damit die Beschäftigten weniger Hilfe haben. * damit die Schwachen noch schwächer werden. * denn das verhindert Ausbildung undWie- dereingliederung in das Arbeitsleben. S OZIALABBAU O b Kinder oder Vertreter der Generation 50+ – die Angriffe der Bundesregie- rung auf die Arbeitnehmer und ihre Familien sind ebenso weit- gefasst, wie tiefgehend. Rücksichts- los wird der Umbau des Sozialstaats vorangetrieben, am Härtesten trifft es die Beschäftigten, denen man mit Fake-News vorgaukelt, sie würden von den „Reformen“ profitieren. Ein genauerer Blick zeigt jedoch: Hunderttausende werden verlieren. DAS ERSTE GEBOT Schon das im Dezember 2017 ausgesprochene Erste Gebot zur Absenkung des Arbeitslosenver- sicherungsbeitrags zeigt, dass der Sozialgedanke in der Regierung wenig ausgeprägt ist: Jene, die we- nig verdienen (bis 1.381 Euro brutto monatlich), werden nämlich nicht entlastet – immerhin 1,4 Millionen Arbeitnehmer, darunter 45 % al- ler unselbständig erwerbstätigen Frauen. DAS ZWEITE GEBOT Ebenso hochgejubelt wurde der Fa- milienbonus. Dieses Zweite Gebot wird als Entlastung gepriesen, dabei finanzieren sich die Familien die Entlastung selbst. Ein Taschenspie- lertrick: Denn auf der anderen Seite werden der Kinderfreibetrag oder dieAbsetzbarkeit von Kinderbetreu- ungskosten abgeschafft. Den Rest finanziert die kalte Progression… DAS DRITTE GEBOT Gleichzeitig wird mit dem Dritten Gebot auf die Abschaffung der kal- ten Progression verzichtet, was eine wirkliche Hilfe für die Beschäf- tigten wäre. Allein sie spült in den nächsten Jahren weit mehr in die Kassen des Finanzministers, als der Familienbonus kostet. Entlastung sieht anders aus. DAS VIERTE GEBOT Be- statt Entlastung bringt auch das Vierte Gebot: Mehr arbeiten mit dem 12-Stunden-Tag bzw. der 60-Stunden-Woche, ohne freiwil- lig entscheiden oder mitbe- stimmen zu können – ein Arbeitszeitgesetz, das nur als Geschenk der Regie- rung an Industrie und Wirtschaft verstanden werden kann. Denn das neue Arbeitszeitgesetz ist nicht flexibel, son- dern nur einseitig. DAS FÜNFTE GEBOT Das Fünfte Gebot ist eben- falls ein Musterbeispiel plan- loser Einsparungspolitik auf Kosten der Beschäftigten. Da die Regierung den Unternehmen versprochen hat, die Beiträge der Dienstgeber, mit denen die AUVA finanziert wird, zu kürzen, müsste diese 500 Millionen Euro einspa- ren – fast 40 % ihres Budgets. Dies kann nur gelingen, wenn die Leis- tungen massiv reduziert werden. Im Bereich der Krankenkassen spricht man nicht von Leistungskürzungen, sondern von „Harmonisierung“. Harmonisiert wird aber nur bei den Kassen der Arbeitnehmer, Beamte oder Bauern sind davon ausgenom- men. Verlierer sind damit erneut die Arbeitnehmer. Sogar ehemalige Re- gierungsmitglieder aus den eigenen Reihen zweifeln an der Sinnhaftig- keit der „Reform“. Der Kahlschlag im Sozialsystem geht durch alle Al- tersgruppen und trifft zum überwie- genden Teil Österreicher. DAS SECHSTE GEBOT Dieses Gebot behandelt einen Plan, der sogar die deutsche Hartz-IV- Reform übertrifft: Hartes Arbeits- zeitgesetz, gleichzeitigAbschaffung der Notstandshilfe und Kürzung der Mindestsicherung. Betroffen davon sind auch Bezieher von Mindest- pensionen, Menschen mit Behin- derungen und vor allem Kinder. Vor dem Hintergrund, dass in Ös- terreich 1,2 Millionen Menschen armuts- gefährdet sind – davon 324.000 Kinder – und dass Wohn- und Lebenshaltungs- kosten ständig steigen, benötigt es keine höhere Mathematik, um zu wissen, dass diese Zahlen eklatant steigen werden. Notlagen, Armut und Wohnungslosigkeit werden zu- nehmen. DAS SIEBTE GEBOT Gleichzeitig wird bei der Ausbil- dung gespart, demAMS werden ge- mäß dem Siebten Gebot die Mittel gekürzt, Ausbildungsgarantien und Aktionen für Langzeitarbeitslose verschwinden. Wer es nicht schafft, Leistung zu bringen, fällt durch den Rost. Von unsozialem und neolibe- ralem Polit-Verständnis getrieben, scheint es der Bundesregierung ge- nau darum zu gehen. DAS ACHTE GEBOT Dieses Gebot beinhaltet eine massive Schwächung der Arbeit- nehmerrechte: Sollte die AK be- schnitten werden, indem die Bei- träge gekürzt werden, verlieren die Beschäftigten Schutz und Hilfe. Demgegenüber stehen Wirtschaft und Industrie, die mit neuen Geset- zen extrem begünstigt werden. DAS NEUNTE GEBOT Während der Staat den Bürgern etwa bei Krankenständen hinter- herschnüffeln und sie strafen will, werden Arbeitszeitverletzungen in Unternehmen gemäß dem Neunten Gebot in Zukunft nicht mehr geahn- det. Es wird nun lediglich belehrt… DAS ZEHNTE GEBOT Und das Zehnte Gebot? Es ist Grundlage der neuen Politik: Wer imWahlkampf Türkis finanziell un- ter die Arme gegriffen hat, darf an- schaffen. Besonders perfide dabei: Der Umbau des Staats erfolgt mit dem Geld der Arbeitnehmer… © holmesu/stock.adobe.com

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