TIroler Arbeiterzeitung

3 Nr. 109, Juli/August 2018 V or wenigen Tagen war Wien Schau- platz einer gewaltigen Demonstrati- on, als 100.000 Menschen, unter ihnen auch AK Präsident Erwin Zangerl, gegen das neue Arbeitszeitgesetz protestier- ten. „Das also versteht Türkis-Blau unter einer Win-win-Situation. Eine Arbeits- welt, in der nur die Arbeitgeberseite zählt. Deshalb sagt die AK Nein zum 12-Stunden-Arbeitstag und all den weiteren Angriffen auf die Rechte der Beschäftigten“, betont Zangerl. Durch die politischen Entwicklungen ergeben sich auch für die AK neue Herausforderungen. „Wir sind konfron- tiert mit Angriffen, wie es sie in der 2. Republik noch nie gegeben hat. Bislang hat unser Land von der Sozialpartner- schaft profitiert, aber jetzt sorgt die Industriellenvereinigung federführend dafür, dass diese Zusammenarbeit, um die uns viele Länder beneiden und die Österreich auf einen erfolgreichenWeg gebracht hat, massiv gestört wird. Deshalb soll auch die AK geschwächt werden, indem die solidarischen Mitgliedsbeiträge von durchschnittlich 7 Euro pro Monat um 40 % gesenkt werden. Doch die AK antwortet mit einem starken Zukunftsprogramm für ihre Mitglieder. Mit zusätzlichen Leistungen in den verschiedensten Bereichen, für Frauen und Jugendliche und einer Digitalisierungsoffensive. Mehr auf ak-tirol.com AK setzt auf die Zukunft V eränderung hat die türkis- blaue Bundesregierung versprochen. Was sie damit meint, wird nach und nach klar. Weitere zerstörerische Angriffe von Türkis-Blau stehen bevor – auf Kosten der Beschäftigten und der Schwächsten in der Gesellschaft. Die Mär vom Sparen bei den Krankenkassen Die Zusammenlegung der 21 Sozi- alversicherungsträger auf maximal fünf, mit der die neun Gebietskran- kenkassen in einer „Österreichi- schen Gesundheitskasse“ fusioniert werden sollen, ist ein Punkt auf der türkis-blauen Agenda. Angeblich soll damit bis 2023 eine Milliarde Euro eingespart werden, sagt die Regierung. Ganz anderes sagt ein Gutachten der OÖ Ärztekammer: Demnach bringt die Kassenfusionie- rung keine Einsparungen, sondern saugt viel regionale Wirtschafts- kraft ab. In Deutschland sei der Verwaltungsaufwand dadurch noch gestiegen. Dabei sind die Verwal- tungsausgaben der österreichischen Sozialversicherungsträger mit 2 % im internationalen Vergleich sogar unterdurchschnittlich! Zudem geht, laut Gutachten, bei großen Kassen die Nähe zu den Bürgern eher verlo- ren und es fehlt der Bezug zu regio- nal spezifischen Bedürfnissen. Wozu dann das Ganze? Der Ein- fluss der Wirtschaft soll auch hier ausgebaut werden. Im geplanten „Verwaltungsrat“ wird jener der Arbeitnehmervertreter massiv re- duziert, somit könnten sich in den meisten Ländern flugs türkis-blaue Mehrheiten ergeben, die dann über die Leistungen bestimmen. Einem weiteren Regierungs-Ar- gument, nämlich der Harmonisie- rung der Leistungen, wurde indes der Wind aus den Segeln genom- men: Ob Physiotherapie oder Mund- hygiene für Kinder und Jugendliche, ab 1. September sind alle Zuschüs- se, Selbstbehalte und Ansprüche auf Leistungen einheitlich. Neue Pläne für AUVA Erst sollte der AUVA mit einzuspa- renden 500 Millionen Euro der Gar- aus gemacht werden. Jetzt schließt die Gesundheitsministerin (sie hatte sich 2013 erfolglos als Generaldi- rektorin bei der AUVA beworben) laut „News“ eine Privatisierung der AUVA-Unfallspitäler nicht aus. Dann aber sind die Angebote nur noch für Privatversicherte und zah- lende Patienten leistbar, die Kurz- schen Wahlkampf-Großspender sparen sich Millionen an Beiträgen und ein hervorragendes System wird zerschlagen. Auf der Strecke bleiben 370.000 Menschen, die je- des Jahr in den 7 Unfallkrankenhäu- sern, 4 Reha-Zentren und dem Trau- mazentrumWien behandelt werden. Bespitzelung der Patienten Ein weiteres perfides Vorhaben die- ser Bundesregierung: Mit einem „Profiling Tool“, das zur Über- wachung von Scheinfirmen und Schwarzarbeit entwickelt wurde, sollen künftig Kranke kontrolliert werden und ob sie ihre Medika- mente zu Recht beziehen. Arbeitslosengeld Neu Wer seine Arbeit verliert, hat es künftig noch schwerer. Nicht nur mit der Arbeitsplatzsuche, sondern auch damit, über die Runden zu kommen. Für Herbst plant die Re- gierung das Arbeitslosengeld Neu. Betroffene erhalten dann von Monat zu Monat weniger Arbeitslosengeld. Weil auch die Notstandshilfe abge- schafft wird, fallen Tausende in die Mindestsicherung (siehe Seite 5). Familien-„Bonus“ Bis zu 1.500 Euro Familienbonus pro Kind und Jahr bzw. maximal 250 Euro Kindermehrbetrag für geringverdienende Alleinerzieher hat die Regierung ab 2019 ver- sprochen. Tatsächlich finanzieren sich die Familien den Bonus laut Studien von GAW und Wifo bis zu einem Drittel selbst: Weil Kinderbe- treuungskosten nicht mehr von der Steuer absetzbar sind und der Kin- derfreibetrag gestrichen wird, fällt die tatsächliche Entlastung – je nach Familie und Einkommen – deutlich niedriger aus, vor allem, weil auch die kalte Progression zuschlägt. Ausgerechnet Familien mit nied- rigem Einkommen werden von der Reform laut Wifo schlecht erfasst. Hürden für Altersteilzeit Eine Verschärfung erwartet jene, die in Altersteilzeit gehen möchten. Das Zugangsalter steigt ab 2019 bei Männern von 58 auf 59 Jahre und ab 2020 von 59 auf 60 Jahre. Bei Frauen erfolgt dies parallel von 53 auf 54 und von 54 auf 55 Jahre. 16.7.1945: Mit Beschluss der Landes- regierung wird die Wiedererrichtung der Kammern ermöglicht. 13.8.1945: Mit dem Arbeiterkammer- gesetz wird die rechtliche Grundlage für die Wiedererrichtung der Kam- mern geschaffen. Das Gesetz gilt vorerst nur für den Einflussbereich der Sowjetzone. Daher gibt es im August nur konstituierende Vollversamm- lungen in Wien, Niederösterreich und im Burgenland. Außerhalb der Sowjetzone kann nur in Tirol die AK bereits im Oktober 1945 mit ihrer Tätigkeit beginnen. Ab 31.12.1945 gilt das AK Gesetz nach Zustimmung des Alliierten Rates für alle Bundesländer. Bereits ab Ende 1945 gibt es Schu- lungen für Betriebsräte. Unter dem Namen Berufsförderungs- institut (BFI Tirol) werden Kurse für Heimkehrer und Arbeitslose angebo- ten. Bereits in der ersten Nachkriegs- Periode ist die AK Tirol in allen Bezirken mit Amtsstellen vertreten. Zu den gesetzlich festgelegten Aufga- ben der AK kommt der Konsumenten- schutz neu dazu. Die türkis-blaue Regierung wird im Dezember angelobt. Der Umbau des Sozialstaats beginnt. Der Druck gegenüber den Arbei- terkammern wächst. Eine Kürzung der Solidarbeiträge wird in Aussicht gestellt, was zu einer massiven Schwä- chung der Arbeitnehmervertretung führen würde. Gleichzeitig würden 3,7 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer den Großteil ihres Schutzes verlieren. Das neue 12-Stun- den-Arbeitszeitgesetz zeigt, dass die Regierung alles Mögliche vertritt, nur nicht die Interessen der Arbeitnehmer. Neu: Rechtsberatung und kostenloser Rechtsschutz in Arbeits- und Sozial- rechtsangelegenheiten. Auf Druck der AK Tirol: Fahrtenbeihilfe für Lehrlinge. Die AK Mitgliederbefragung bringt ein eindeutiges Ergebnis: Mehr als 90 % der Beschäftigten sprechen sich für den Weiterbestand der AK aus. Arbeiterkammergesetz 1954 Ministerien und Ämter müssen Ge- setzesentwürfe und Verordnungen an die Arbeiterkammern übermitteln. „Amtlicher“ Charakter der AK wird be- tont. Den Arbeiterkammern gehören alle Dienstnehmer an. Neue Services: Wohnungsdarlehen und Konsumentenberatung. 1945 1946 1982 2017 2018 1992 1954 1996 1938-45 1946 1954 1996 2018 gen. Die Mitarbeiter werden ohne Anspruch auf Pension entlassen. Das Kammergebäude wird von der Kreisleitung der NSDAP besetzt. Nach dem Ende des 2. Weltkriegs wird das Kammerge- bäude unter der Führung von Ernst Müller und Franz Hüttenber- ger sichergestellt. Foto: Superiokonskop „Reform“-Kurs zum Fürchten Es kommt noch dicker. Geht es nach der türkis-blauen Bundesregierung, soll kein Stein auf dem anderen bleiben. Betroffen von den massiven Verschlechterungen sind vor allem die Arbeitnehmer-Familien. Protest als Antwort. Allein in Absam trafen sich Ende Juni mehr als 600 Betriebsrätinnen und Betriebsräte und brachten klar ihren Unmut über den Kurs der Bundesregierung zum Ausdruck. ANGRIFFEN ZUM TROTZ S OZIALABBAU © AK Tirol

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