Tiroler Arbeiterzeitung

OFFEN GESAGT 4 Nr. 117, März 2019 In Tirol werden Dialog und Zusammenarbeit geschätzt TAZ: Herr Zangerl, Sie wur- den einstimmig für weitere fünf Jahre zum Präsidenten der Ar- beiterkammer Tirol gewählt. Sie erhielten dabei die Zustimmung aller Fraktionen. Ist das ein be- sonderer Vertrauensvorschuss? Zangerl: Ich sehe meine Aufga- be als AK Präsident darin, die Anliegen möglichst aller Arbeit- nehmerinnen und Arbeitnehmer bestmöglich zu vertreten. Das bedingt aber auch, dass ich mit allen Fraktionen eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit gepflegt habe und auch weiterhin pflegen werde. Faktum ist, dass wir in der AK immer die sachpo- litische vor die parteipolitische Arbeit gestellt haben. Das sollten wir auch weiterhin so halten. Die AK Mitglieder erwarten sich von ihren Vertretern einen kollegi- alen und respektvollen Umgang miteinander, damit die AK Tirol bestmögliche interessenpolitische und serviceorientierte Leistungen für Tirols Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erbringen kann. TAZ: Worin sehen Sie die beson- deren Herausforderungen? Zangerl: Land und Sozialpartner müssen gemeinsam einen Weg finden, die vorhandenen Mittel auch gerecht zu verteilen. Es soll in Tirol niemand allein gelassen oder sozial ausgegrenzt werden. Die Menschen brauchen soziale Sicherheit und wirtschaftliche Per- spektiven. Es muss wieder möglich gemacht werden, dass sich Tirols Arbeitnehmer-Familien Eigentum schaffen können. Wir werden als größte Interessenvertretung wei- terhin unsere Vorschläge für eine gute Zukunft am Arbeitsplatz, bei Leben und Wohnen einbringen und sind bereit, gemeinsam mit dem Land und den Sozialpartnern die richtigen Maßnahmen mitzu- tragen. Beim Thema Wohnen er- warten wir uns, dass die von der Landesregierung angekündigten Maßnahmen umgesetzt werden. Die Stichworte dazu lauten: sozi- ale Wohnbau-Offensive, Bau eines Studenten Campus und Aktivie- rung von Bauland, notfalls auch mit Eingriffen. TAZ: Wo orten Sie weitere offene Handlungsfelder? Zangerl: Wir wollen gemeinsam mit den Gewerkschaften unseren Kampf gegen die durch nichts zu rechtfertigenden Einkommens- unterschiede fortführen. Wir werden noch mehr Druck für die Gleichstellung von Mann und Frau machen, sowohl bei der Ein- kommensgerechtigkeit als auch bei den Aufstiegschancen. Die- se Unterschiede sollten endlich überwunden werden. Es ist unfair, wenn Frauen heute immer noch bei gleichwertiger Arbeit um bis zu ein Drittel niedriger entlohnt werden als Männer. Es wird auch nötig sein, die Frage der Teilzeit- arbeit offen zu diskutieren und zu- mindest Absicherungsmodelle für die drohende Pensionslücke der größtenteils weiblichen Beschäf- tigten zu finden. TAZ: Mehr Bildungsgerech- tigkeit, wäre das nicht auch ein Schlüssel zu höheren Einkom- men? Zangerl: Absolut. Viel zu sehr hängt noch immer der Schulerfolg der Kinder von der Brieftasche der Eltern ab. Aber genau hier muss angesetzt werden, denn eine gute Berufsausbildung und die richtige Qualifikation dafür sind die besten Rezepte für höhere Einkommen der Beschäftigten und das beste Mittel gegen den so oft beklagten Facharbeitermangel. Denn: Geht es den Beschäftigten besser, geht es der Wirtschaft noch viel besser. TAZ: Hat die AKmit ihrer Selbst- verwaltung und der gesetzlichen Mitgliedschaft Zukunft? Zangerl: Mehr denn je hat die AK Zukunft. Wir stehen vor ge- waltigen Herausforderungen und Umbrüchen, die auf unsere Beschäftigten zukommen. Das System der Selbstverwaltung der Gemeinden, Länder und Kam- mern ist die einzige Alternative zu schrankenlosem Zentralis- mus. Die AK Tirol bietet diesen Schutz. Die Menschen wissen, wie wichtig und hilfreich die Arbeiterkammer als eine soli- darische Gemeinschaft aller ist. Wir müssen vor allem den jungen Menschen vor Augen führen, dass diese Einrichtung keine Selbst- verständlichkeit ist. Für dieses Schutzhaus haben die Gewerk- schaften und unsere Vorväter vor 100 Jahren hart gekämpft. Die gesetzliche Mitgliedschaft und der solidarische Beitrag aller AK Mitglieder, im Schnitt 7 Euro im © AK Tirol/Friedle Interview. Österreich ist durch das Zusammenwirken von Regierung und Sozialpartnern stark geworden. Es sollte in Wien endlich wieder eine vernünftige Politik des Miteinanders und des Dialogs einkehren. Wir in Tirol pflegen diese Tugend, sagt AK Präsident Erwin Zangerl. Monat, sichert unsere Unabhän- gigkeit. Unser Auftrag heißt: Wir müssen besser und nicht billiger werden. In diesem Sinne werden wir unser Zukunftsprogramm als Extra-Leistung für die AK Mit- glieder in den Bereichen Digita- lisierung, Wohnen und Gesund- heit in den nächsten Monaten konsequent umsetzen. Ich warne vor möglichen Überlegungen der Regierung, die AK Umlage zu kürzen, um die AK zu schwächen. Wir werden eine solche Vorge- hensweise nicht akzeptieren und wissen die Mitglieder auf unserer Seite. Weniger Mittel heißt weni- ger Leistung, und das wollen die Menschen nicht. TAZ: Ihr Wunsch an die Bun- desregierung? Zangerl: Allzu viel Porzellan ist leider schon zerschlagen worden. Die Menschen erwarten sich, dass unsere Politiker mit mehr Mut und Zuversicht ans Werk gehen, statt diffuse Ängste zu schüren. Die Arbeitnehmer-Familien wollen den Ausgleich, keine Konflikte. Sie wünschen sich, dass ihre Inte- ressen wieder mehr berücksichtigt werden. Es geht um den Respekt gegenüber den Leistungen und um den gerechten Anteil der Ar- beitnehmerschaft am erwirtschaf- teten Vermögen. Am dringendsten ist aber eine Rückkehr zu einer vernünftigen Politik des Dialogs und des Miteinanders. Österreich ist durch das Zusammenwirken von Regierung und Sozialpartnern stark geworden. Im Land Tirol pflegen wir diese Zusammenar- beit und suchen den Dialog. Wie wichtig dieses Zusammenwirken auf Bundesebene gerade jetzt wäre, zeigt sich an zahlreichen un- ausgegorenen Gesetzen, wie etwa zu AUVA, Sozialversicherung, 12-Stunden-Tag oder persön- lichem Feiertag – die Liste wird stetig länger. Das alles wäre nicht nötig, nur weil die Regierung den gemeinsamen Verhandlungstisch verlassen hat und Muskeln zeigen will. Jetzt stünde eine vernünftige Steuersenkung an. Ich hoffe, dass wieder auf alle Gruppen gleich geschaut wird. Für die Arbeitneh- mer-Familien sollte eine ordent- liche Lohnsteuer-Senkung und die Abschaffung der kalten Progressi- on endlich umgesetzt werden. Das wäre die beste Konjunkturbele- bung für unser Land. Das hat die Lohnsteuer-Reform im Jahr 2016 gezeigt, die AK und ÖGB mit der damaligen Regierung so gelungen ausverhandelt haben. Denn eines ist fix: Die besten Maßnahmen sind immer gemeinsam getragene Reformen. Erwin Zangerl: „Die Selbstverwaltung in Gemeinden, Ländern und Kammern ist die Alternative zu schrankenlosem Zentralismus. Die AK Tirol ist das beste Beispiel dafür.“ „Geht es den Beschäftigten besser, dann geht es der Wirtschaft noch viel besser!“ Erwin Zangerl, AK Präsident

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