TIroler Arbeiterzeitung

Nr. 109, Juli/August 2018 6 1983 1981 1980 1986 1988 1990 Etappenweise Verlängerung des Mindest- urlaubs von 4 auf 5Wochen Verbesse- rungen im Nachtschicht- Schwerarbei- tergesetz Die Mitbestim- mung der Arbeit- nehmervertreter imAufsichtsrat wird neu geregelt Erste Kollek- tivverträge mit kürzerer Arbeitszeit als 40 Stunden Fünf Wochen Mindest- urlaub für alle Arbeits- kräfte- überlas- sungs- gesetz Karenz für Väter 1985 1992 Lehrlingsf zumArbe Neues AK bringt de Rechtssch Der Einsatz der AK für Österreichs Beschäftigte Der Einsatz der Regierung für Österreichs Beschäftigte: Wie stehen Sie dazu, dass … A RBEIT & L EBEN Wiederaufbau & Sozialstaat Der Einsatz der AK für Österreichs Beschäftigte D rüberfahren und schönreden – der neue Re- gierungsstil lässt sich in wenigen Worten er- klären. Doch, was seit vergangenem Dezem- ber in Österreich passiert, ist eine gefährliche Entwicklung. Eine von der Industrie gesteuerte Minder- heit (die türkis-nlaue Führungsriege) hat mehr Einfluss gewonnen, als die Mehrheit (die mehr als 3 Millionen Arbeitnehmer). So wird der Staat nach neoliberalen Grundsätzen umgebaut. Der Sozialstaat wird ausgehe- belt, Gesetze werden ohne Begutachtung und im Eil- tempo durchgedrückt, Industrie und Wirtschaft von Be- stimmungen zum Schutz der Beschäftigten befreit. Das 12-Stunden-Arbeitszeitgesetz ist nicht nur ein Rück- schritt in das vorige Jahrhundert, es zeigt auch deutlich, dass am Ende die völlige Beschneidung der Arbeitneh- mer und ihrer Vertretungen stehen soll: Angriff auf die Arbeiterkammern, Abschaffung der Jungendvertrauens- räte in den Betrieben, Entmachtung des Betriebsrats, Ende des Kumulationsprinzips, weil Arbeitgeber nur mehr „beraten“ und nicht mehr bestraft werden, wenn sie – vor allem im großen Stil – gegen Arbeitnehmer- rechte verstoßen, sind eine klare Botschaft. Falschinformationen. Trotz aller berechtigten Be- denken wird das 12-Stunden-Gesetz durchgewunken, obwohl es, bereits notdürftig repariert, weiterhin eine Husch-Pfusch-Aktion ist, die die Handschrift von Indus- triellenvereinigungs-Chef Georg Kapsch trägt. Der IV- Präsident glänzt beim Thema nicht nur mit Schönfärbe- rei, sondern nutzt die ganze Bandbreite des türkis-blauen Propaganda-Spektrums. So erklärte Kapsch gegenüber der Tageszeitung Kurier, dass alles, was die Arbeitneh- merseite eingefordert habe, umgesetzt wurde. Nicht nur für Arbeitsrechtsexperten stellte sich dabei die Frage, ob Kapsch den Abänderungsantrag nicht kennt oder ob es sich bei dieser Aussage um eine bewusste Fehlinforma- tion handelt. „Der Abänderungs- antrag ist das Papier nicht wert, auf dem er steht“, urteilt dazu AK Präsident Erwin Zangerl und liefert die Fakten, denn am grundlegenden Problem ändert sich nichts: Der 12-Stunden-Tag und die 60-Stunden-Woche werden von der Ausnahme zum Normalfall. So kann der Arbeitgeber jederzeit legal Über- stunden anordnen, denn die Grenze der Tagesarbeitszeit wird generell auf 12 Stunden angehoben, die Wochengrenze von 50 auf 60 Stunden. Die Planbarkeit von Freizeit, Familien- oder Ver- einsleben wird damit schwer beein- trächtigt, bei entsprechender Häufung auch die Gesundheit. Wie sich die Situation für Frauen darstellt, die aufgrund mangelnder Kinderbe- treuung gezwungen sind Teilzeit zu arbeiten (mit allen negativen Folgen) oder ihren Job überhaupt aufgeben, wurde von der Regierung nicht weiter ausgeführt, vermutlich, weil hier das Schön- reden schwergefallen wäre. Der Freiwilligen-Schmäh. Schöngeredet wird al- lerdings nach wie vor die berühmte Möglichkeit, über die 10. Arbeitsstunde bzw. 50. Wochenstunde hinaus Überstunden ohne Begründung abzulehnen. Ohnehin schon ein Kuriosum, dass die Betroffenen „freiwil- lig“ einem Gesetz unterworfen werden, ist diese Freiwilligkeit in der Praxis nur relativ. Denn wer ständig ablehnt, macht sich unbeliebt: Der Arbeit- geber sitzt gegenüber dem einzelnen Arbeitnehmer auf demlängerenAst.Auchbei der 4-Tage-Woche gibt es Frontal-Angriff auf die Beschäftigten 12-Stunden-Tag. Mit Beruhigungsparolen und PR-Tricks wird verschleiert, dass das neue Arbeitszeitgesetz den größten Angriff auf die Beschäftigten in der Zweiten Republik darstellt. AK Zangerl fordert: „Das Volk soll entscheiden.“ 1946 1951 1948 1947 1959 1960 Arbeiterurlaubsgesetz: Anspruch auf 12 Tage nach 1 Dienstjahr, auf 18 Tage nach 5 Dienstjahren, auf 24 Tage nach 15 Dienstjahren Mindest- lohntarife, Wohnungs- beihilfe zum Mietzins Pension für Frauen, Witwen- rente Sozialversicherungs-, Kollektivvertrags-, Betriebsräte- und Arbeitsinspektions- gesetz Mutter- schutzgesetz: 6Wochen Krankengeld für alle Mütter 45-Stunden- Woche für alle; Gründung des BFI Säuglings-, Geburtenbeihi und Karenzurl werden beschl und gelten ab 1957 … die tägliche Höchstarbeitszeit von 10 auf 12 Stunden ausgedehnt und die 60-Stunden-Woche zum Normalfall wird? … die zulässige Überstundenarbeit um 30 (!) Prozent erhöht wird, das sind pro Jahr 96 Stunden mehr? … der 12-Stunden-Tag nicht freiwillig ist und Überstunden zur Pflicht werden? „Jetzt wird der 12-Stunden-Tag als Normalfall eingeführt. Der Schutz der Arbeitnehmer reduziert sich deutlich.“ Martin Risak, ao. Professor für Arbeitsrecht, Uni Wien „Das Radikalste am Entwurf ist die Ermöglichung des 12-Stunden-Tages und der 60-Stunden-Woche, ohne dass die Kollektivvertrags- parteien oder Betriebsräte mitbestimmen können.“ Martin Risak, ao. Professor für Arbeitsrecht, Uni Wien ZITIERT „Die nun geplante Ausnahme von der Wochenendruhe ist ein Tabubruch, der dazu führen wird, Sonntagsarbeit salonfähig zu machen.“ Alfred Trendl, Präsident des Katholischen Familienverbandes

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