45
geringere Bindung zur eigenen Gemeinschaft und zu ihrer Kultur. Dies spiegelt sich auch in ihrer
größeren Bereitschaft wider, ins Ausland oder in eine andere Provinz Italiens zu ziehen, so dass 41% der
befragten Jugendlichen erklärten, sich ihre Zukunft in einer anderen Provinz Italiens oder im Ausland
vorstellen zu können. Insbesondere liegt diese letzte Zahl im Einklang mit nationalen Tendenzen, die
einen stetigen Anstieg junger Menschen sieht, die ins Ausland abwandern. In diesem Zusammenhang
weist die Region Venetien eine starke Mobilität auf: zum 31.12.2013 waren 6,9%, das sind 336 072
Personen, davon 45.771 aus Belluno im AIRE (Liste der im Ausland lebenden Einwohner) eingetragen.
Bezogen auf die Einwohner in der Provinz Belluno entfallen 21,9% auf im Ausland lebende Personen. In
der Vergangenheit war Belluno eine Provinz mit starker Auswanderung, jedoch ist darauf zu verweisen,
dass 23,6% dieser 45.771 zwischen 18 und 34 Jahre alt sind.
Diese offensichtliche Öffnung nach außen kann durch die beschränkten Beschäftigungsmöglichkeiten
und beruflichen Entwicklungschancen im Territorium erklärt werden, aber wohl auch mit der
Auswanderungstradition des Belluno. Es ist üblich, dass junge Menschen mit höheren Qualifikationen in
die großen Städte ziehen und dort in Nähe von Hochschuleinrichtungen, Forschungszentren oder
Produktionszentren arbeiten.
Wenn die Mobilität junger Belluneser ein positives Zeichen für ihre Kreativität und ihre
Anpassungsfähigkeit ist, entsteht durch die Abwanderung ihrer Talente auf der anderen Seite für die
Provinz eine große Bedrohung. Wie ein Experte feststellt, sucht jedes Jahr ein Drittel der
Universitätsabsolventen aus Belluno in der Provinz eine Arbeit, und erst wenn sie sie hier nicht finden,
wandern sie in eine andere Provinz ab. Unter den Jugendlichen, die keinen fixen Arbeitsplatz haben,
zeigt sich die Tendenz, sich in einem urbanen Umfeld niederzulassen um bessere berufliche Chancen zu
haben, sich zu entwickeln und einen eigenen Lebensentwurf planen zu können.
Die Zukunftschancen
3.7
Es wurde schon zu Beginn erwähnt, dass die vorliegende Studie darauf abzielt, die Lage junger
Menschen in den Bergen der drei angrenzenden Regionen zu analysieren, mit besonderem Augenmerk
auf jene Wirtschaftssektoren, die in Zukunft die meisten Chancen zur Schaffung neuer Arbeitsplätze
haben würden (Abb. 25). Insbesondere wurden die befragten Jugendlichen aufgefordert, ihre Meinung
in Bezug auf die in den drei Bergregionen wahrgenommen Wachstumspotentiale zum Ausdruck zu
bringen. Die Antworten dokumentieren drei verschiedene Haltungen, die wahrscheinlich von den
unterschiedlichen Stärken der drei Territorien abhängen und daraus entsprechend unterschiedliche
Wachstumspotentiale ableiten.
In allen drei Regionen wird der Tourismus als jener Sektor gesehen, der für die Zukunft das größte
Potenzial für neue Arbeitsplätze bietet. Dies erklären 77% der Befragten in Belluno, im Pustertal sind es
64% und 55% in Osttirol. Zweifellos ist dieser Bereich ein Element der Stärke der untersuchten Gebiete.
Dennoch kann aber die Entwicklung des Tourismus kann nur dann gelingen, wenn sie von einer Reihe
von Dienstleistungen, die gemeinsam die Qualität des touristischen Angebotes ausmachen, unterstützt
wird.
In Belluno folgt auf den Tourismussektor die Landwirtschaft sowie Dienstleistungen im Bereich der
Umwelt (62%). Ein signifikantes Gewicht, aber in geringerem Maße, wird auch dem Handwerk mit 27%
der Nennungen zugesprochen. Alle anderen Sektoren spielen eine sehr untergeordnete Rolle:
Dienstleistungen für Unternehmen wie Computerdienstleistungen und technische Dienstleistungen
(14%), Industrie (13%), persönliche Dienstleistungen (9%), Handel (6%). Diese Darstellung der befragten
Jugendlichen mag „stereotyp“ klingen, spiegelt aber eine weit verbreitete Notwendigkeit wider, einige
Sektoren neu zu entdecken. Unberücksichtigt bleibt aber die Tatsache, dass die Bereiche Tourismus,
Landwirtschaft, Gastwirtschaft und Handel zunehmend untereinander verbunden sind. Andererseits
wird nicht gesehen, dass beispielsweise mit einer rasch alternden Bevölkerung im Bereich der
personenbezogenen Dienstleistungen neue Chancen entstehen können. Trotz der aktuellen