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Hintergrund der Studie
Wie organisieren Familien aus der Region ihre Kinderbetreuung, welche Beweggründe stehen dahin-
ter? Wie wird Kinderbetreuung mit dem Arbeitsleben vereinbart, welchen Einfluss haben Möglichkei-
ten der Kinderbetreuung auf die Arbeitsmarktteilnahme, treten dabei Engpässe auf?
Diese Fragen rund um das Verhältnis von Kinderbetreuung, Arbeits- und Familienleben stehen im
Zentrum dieser Studie, die im Auftrag der AK Tirol und dem Regionalmanagement der Regionen Kuf-
stein und Umgebung, Untere Schranne und Kaiserwinkl vom Institut für Soziologie der Universität
Innsbruck im Zeitraum März 2016 bis Februar 2017 durchgeführt wurde.
Ziel des Projektes war es, aktuelle Betreuungssituationen und Engpässe in der Region zu erforschen,
vor dem Hintergrund von Individualisierungsprozessen, die moderne Gesellschaften charakterisieren.
In der Arbeitswelt äußern sich diese durch den Rückgang der traditionellen, fixen Arbeitszeitmodelle
und einer zunehmenden Prekarisierung und Flexibilisierung von Arbeitsverhältnissen. Dazu gehören
unter anderem Teilzeitbeschäftigung, befristete Verträge, Druck zur Mobilität, wechselnde Beschäfti-
gungszeiten und -verhältnisse sowie mangelnder Kündigungsschutz. Ebenso ist auch die Lebenswelt
von Individualisierungsprozessen geprägt, die ihren Ausdruck im Rückgang des traditionellen Fami-
lien- und Arbeitsmodells findet, welches für Männer eine Vollzeitbeschäftigung vorsieht, während
Frauen Haushalts- und Betreuungsaufgaben mit geringfügiger oder Teilzeitbeschäftigung am Ar-
beitsmarkt verbinden.
Diese gesellschaftlichen Veränderungen in der Arbeits- und Lebenswelt bringen neue Herausforde-
rungen mit sich, die zusätzlich zu den traditionellen „sozialen Risiken“ (z.B. Krankheit oder Arbeitslo-
sigkeit) auftreten. Die Regelung der Kinderbetreuung kann deshalb als eines dieser „neuen sozialen
Risiken“ betrachtet werden, wobei unmittelbar Vereinbarungsschwierigkeiten auftreten, wenn tradi-
tionale Organisationsformen nicht mehr greifen. Dazu gehört neben einer Umgestaltung der Fami-
lien- und Lebenswelten und den sich verändernden Bedingungen des Arbeitsmarktes auch, dass ge-
genwärtig nicht nur formal öffentlich oder privat organisierte Einrichtungen Betreuungszeiten über-
nehmen, sondern auch Großeltern vielfach eine wichtige Rolle zukommt. Letzteres setzt allerdings
voraus, dass diese in unmittelbarer geographischer Nähe leben und nicht mehr selbst voll in den Ar-
beitsmarkt integriert sind – zwei Faktoren, die in modernen Gesellschaften nur bedingt gegeben bzw.
derzeit großen Veränderungen unterworfen sind.
Insgesamt muss betont werden, dass vor allem für Frauen, und insbesondere Alleinerzieherinnen,
Kinderbetreuungsmöglichkeiten ein unverzichtbarer Bestandteil von Chancengleichheit sind, um sich
in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Um einen Überblick über die aktuelle Betreuungssituation in der Region zu erhalten, einerseits indi-
viduelle Situationen zu verstehen, sowie andererseits strukturelle Problemfelder zu identifizieren,
umfasst die Studie mehrere methodische Schritte:
1.
Das Studium der verfügbaren Literatur zur Thematik sowie Expertinneninterviews in der Re-
gion, um sich einen Überblick über das bestehende Angebot und mögliche Engpässe bezüg-
lich der Vereinbarkeit von Kinderbetreuung und Arbeitsmarktteilnahme zu verschaffen.
2.
17 qualitative Interviews mit Erziehungsberechtigten, die in unterschiedlichen Gemeinden
der Region Kufstein und Umgebung, Untere Schranne und Kaiserwinkl durchgeführt wurden.
Diese zeigen verschiedene Möglichkeiten der Betreuungsorganisation und geben Aufschluss
über die dahinterliegenden Motive und individuellen Problemlagen von Erziehungsberechtig-
ten an der Schnittstelle Kinderbetreuung und Arbeitsleben.