Tiroler Arbeiterzeitung - page 11

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Nr. 54 September 2013
Mehr zum Thema „Ich habe den
Job verloren“ finden Sie auf der
AK Homepage
unter „Meine Situation“.
!
Politisch handeln
gegen die Krise
Zum Mitreden.
Vortrag und Podiumsdiskussion mit Prof. Heiner Flassbeck zum Thema
neoliberale Wirtschaftstheorie, Krise und Zukunft der Arbeit mit gerechten Löhnen.
Arbeitslos.
Wer seinen Job verliert, braucht möglichst schnell ganz praktische Hilfe, um mit
dieser schwierigen Situation zurecht zu kommen. Erstinformationen gibts auf
W
o muss ich mich melden,
bekomme ich überhaupt
Arbeitslosengeld,
und
wieviel wird das sein? Das sind die er-
sten Fragen, die es zu beantworten gilt.
Sofort beimAMSmelden.
Auf keinen Fall den Kopf in den Sand
stecken, sondern sofort handeln: Beim
Arbeitsmarkservice (AMS) vorstel-
lig werden. Denn das Wichtigste ist,
möglichst schnell wieder eine Arbeit
zu finden. Und dabei hilft das AMS.
Es vermittelt Jobangebote.
Aber man muss ja in der Zwischen-
zeit auch von etwas leben, die lau-
fenden Verbindlichkeiten bezahlen.
Also gleich das Arbeitslosengeld be-
antragen. Das bekommt nicht jeder,
und es wird auch nicht automatisch
bezahlt. Es muss ab Eintritt der Ar-
beitslosigkeit beim AMS persönlich
beantragt werden und steht frühestens
ab diesem Zeitpunkt zu.
Zuständig ist jenes Arbeitsmarktser-
vice, in dessen Bezirk Sie Ihren Wohn-
sitz bzw. Ihren ständigen Aufenthalt
haben. Im Antragsformular sind alle
benötigten Dokumente aufgelistet.
So gibts Arbeitslosengeld.
Arbeitslosengeld bekommt, wer ar-
beitswillig, arbeitsfähig, arbeitslos ist
und eine Mindestdauer an arbeitslo-
senversicherungspflichtigen Beschäf-
tigungszeiten nachweisen kann. Beim
ersten Mal müssen über 25jährige
Personen innerhalb der letzten zwei
Jahre insgesamt 52 Wochen nachwei-
sen (Anwartschaft). Der Arbeitslo-
senversicherungspflicht unterliegen
unselbstständig Beschäftigte und auch
freie Dienstnehmer, deren monatliches
Bruttoeinkommen über der Geringfü-
gigkeitsgrenze liegt (derzeit: 386,80
Euro). Auch Zeiten des Präsenz- und
Zivildienstes, Wochengeld- oder
Das ist zu tun, wenn der
Arbeitsplatz verloren geht
Suche Arbeit.
So geht es derzeit rund 20.000 Tiroler Beschäftigten. Hier erfahren Sie, was zu tun ist in dieser schwierigen
Lebenslage. Hilfe bieten die AK Sozialrechtsexperten.
ZU BEACHTEN
Was beim AMS
alles zu melden ist
Foto:Kaarsten/Fotolia.com
Beschäftigung.
Bezieher von
Arbeitslosengeld dürfen bis zur Ge-
ringfügigkeitsgrenze (386,80 Euro
brutto) dazu verdienen, ohne dass
ihr Bezug gekürzt wird. Wichtig ist
aber, jede Erwerbstätigkeit, auch
eine nur geringfügige, sofort be-
kannt zu geben.
Notstandshilfe.
Weil bei
der Berechnung der Notstandshilfe
leider das Partnereinkommen be-
rücksichtigt wird, sind auch Verän-
derungen zu melden. Auch Kredite,
Belastungen oder Unterhalt werden
oft berücksichtigt. Falls Sie eine Mit-
teilung zum Ende der Notstandshilfe
erhalten, vergessen Sie nicht, diese
neu zu beantragen.
Krankenstand.
Wenn Sie
krankgeschrieben werden, müs-
sen Sie beim AMS anrufen oder
die Krankmeldung abgeben. Ist
darauf das Enddatum des Kran-
kenstandes vermerkt, reicht dies.
Sonst muss eine Gesundschrei-
bung binnen einer Woche bekannt
gegeben werden.
Dauert der Krankenstand länger
als 62 Tage, unbedingt persönlich
zum AMS kommen! Verstreichen
die Fristen, erhalten Sie erst wie-
der ab Ihrer nächsten Vorsprache
Leistungen.
Kein Job.
Sie haben das AMS
bereits informiert, dass Sie zu ar-
beiten beginnen. Falls sich der Job
zerschlägt oder verschiebt, müssen
Sie dies sofort melden. Sonst be-
kommen Sie ab diesem Datum kein
Geld mehr.
Ausland.
Auch Reisen ins Aus-
land sind zu melden. In dieser Zeit
besteht kein Leistungsanspruch. Sie
können beim AMS aber beantragen,
vom „Ruhen der Leistung“ abzuse-
hen. Dies ist z. B. beim Familienur-
laub möglich, der vor der Arbeits-
losigkeit gebucht wurde, sowie für
den Besuch pflegebedürftiger Eltern
oder zur Jobsuche.
Krankengeldbezugs können berück-
sichtigt werden.
Wer sich nicht sicher ist, ob ihm Ar-
beitslosengeld zusteht, sollte vorsichts-
halber den Antrag stellen. Wie lange
Arbeitslosengeld zusteht, hängt von der
Dauer der vorangegangenen Beschäfti-
gung und vom Alter ab. Arbeitslosen-
geld kann zwischen 20 und 52 Wochen
lang gewährt werden.
Höhe des Bezugs
. Der Grund-
betrag des Arbeitslosengeldes beträgt
55 % des täglichen Nettoeinkommens,
das sich aus der Beitragsgrundlage er-
gibt. Falls der Grundbetrag niedriger
als der Ausgleichszulagenrichtsatz ist,
gibts einen Ergänzungsbetrag bis auf
60 bzw. 80 % des täglichen Netto-
einkommens. Für den ersten Antrag
auf Arbeitslosengeld muss man für
die letzten 24 Monate mindestens 52
Wochen an arbeitslosenversicherungs-
pflichtiger Beschäftigung nachweisen,
bei weiteren Anträgen mindestens 28
Wochen in den letzten 12 Monaten.
Details zur Berechnung des Arbeitslo-
sengeldes unter
Jugendliche.
Jugendliche bis
zur Vollendung des 25. Lebensjahres
haben Anspruch auf Arbeitslosengeld,
wenn sie innerhalb von 12 Monaten
vor Antragstellung zumindest 26 Wo-
chen arbeitslosenversicherungspflich-
tige Beschäftigungszeiten vorweisen
können.
Neuerlicher Antrag.
Ha-
ben Sie bereits einmal Arbeitslosen-
geld oder Karenzgeld bezogen, so gilt
ein neuerlicher Antrag als wiederhol-
te Inanspruchnahme. Dafür müssen
innerhalb der letzten 12 Monate vor
der Geltendmachung insgesamt 28
Wochen an arbeitslosenversicherungs-
pflichtiger Beschäftigung nachgewie-
sen werden.
<<
Doppelt bestraft
Das Pensionssystem ist nicht mehr finanzierbar, die Beschäftigten
müssen länger arbeiten, so tönt es seltbstherrlich aus dem Mund
des WK-Präsidenten. Diese Worte klingen für ältere Arbeitnehmer
wie purer Hohn. Denn er verschweigt die Tatsache, dass die meisten
Beschäftigten aus der Arbeitslosigkeit in die Pension flüchten, weil sie
von den Betrieben ab 50 zum alten Eisen zählen und auf die Straße
gesetzt wurden. Wenn die Wirtschaft die Arbeitsplätze schafft, wie sie
so gerne behauptet: „Wo bleiben die altersgerechten Arbeitsplätze für
Menschen ab 50, Herr Bodenseer?“
U
nter dem Titel „Die Krise ver-
stehen – und politisch han-
deln“, geht die Vortragsreihe
„Systemfehler“ am Dienstag, 8. Okto-
ber, 19 Uhr, in der AK in Innsbruck in
die nächste Runde. Sie wird wieder in
Kooperation von Arbeiterkammer Ti-
rol, Universität Innsbruck, ÖGB Tirol
und AMS Tirol veranstaltet.
Mit Heiner Flassbeck ist es gelungen,
einen international anerkannten Öko-
nomen für den Eröffnungsvortrag zu
gewinnen. Flassbeck plädiert für eine
Neuordnung der Schwerpunkte in der
Wirtschaftspolitik, die an der sozialen
und politischenTeilhabe aller Menschen
und dem Allgemeinwohl orientiert sein
müssen. Eine zentrale These seiner Aus-
führungen betrifft dabei den Arbeits-
markt. Er widerlegt die seit den 1970er-
Jahren herrschende wirtschaftliche und
politische Denkweise, dass bei einer sin-
kenden Nachfrage nach Arbeitskräften
die Löhne sinken müssen, um Arbeits-
losigkeit zu verhindern oder zu reduzie-
ren. Nach drei Jahrzehnten kann diese
Politik als gescheitert betrachtet werden,
denn die Arbeitslosigkeit
ist ungebrochen hoch
– ein Zusammenhang
zwischen
Reallöhnen
und Beschäftigung ist
schlichtweg nicht ge-
geben, so Flassbeck. In
seinen
Ausführungen
geht der Ökonom der
gesamtwirtschaftlichen
Logik von Löhnen und
Arbeitsmarkt nach und
widerlegt dabei zentra-
le Annahmen der neo-
klassischen Theorie, die
die Wirtschaftspolitik der letzten Jahr-
zehnte geprägt hat.
Nach dem Vortrag diskutieren po-
litische Entscheidungsträger aus ver-
schiedenen Bereichen über die Situation
und Handlungsmöglichkeiten in Tirol:
Christine
Baur
(Landesrätin für Sozi-
ales und Frauenpolitik), Anton
Kern
(Landesgeschäftsführer des AMS Ti-
rol), Otto
Leist
(Vorsitzender des ÖGB
Tirol), Hannes
Tratter
(Landesrat für
Arbeitsmarkt und Arbeitnehmerförde-
rung), Erwin
Zangerl
(Präsident der
Arbeiterkammer Tirol), Moderation:
Alexandra
Weiss
.
<<
Gerechte Löhne.
Billigere Arbeit schafft keine zusätz-
lichen Arbeitsplätze und schadet der Gesamtwirtschaft.
Massiver Anstieg
bei Arbeitslosigkeit
I
n Tirol kam es im Juli 2013 zu
einer dramatischen Steigerung
von 18 % an vorgemerkten arbeit-
suchenden Personen im Vergleich
zum Vorjahresmonat. Österreich-
weit stieg die Arbeitslosigkeit auf
insgesamt 256.494 Betroffene an.
„Die deutliche Zunahme der Ar-
beitslosigkeit in Tirol resultiert aus
dem bereits bekannten Personal-
abbau von Tiroler Unternehmen,
einem hohen Neuzugang sowie
dem schwachen Rückgang der Ar-
beitslosigkeit im Tourismus und sai-
sonalen Handel“, fasst der Chef des
Arbeitsmarktservice Tirol, Anton
Kern, die aktuellen Entwicklungen
auf dem heimischen Arbeitsmarkt
zusammen.
Besonders bedenklich ist der
Anstieg der Arbeitslosigkeit bei Ar-
beitnehmern über 50 Jahren auf
33,4 %!
ZAHLEN, DATEN, FAKTEN
Foto:olly/Fotolia.com
Einladung.
Dienstag, 8.
Oktober 2013, 19 Uhr, AK Tirol,
Innsbruck, Maximilianstraße 7:
„Die Krise verstehen – und poli-
tisch handeln.“ Vortrag von Prof.
Heiner Flassbeck. Es diskutieren:
LR Christine
Baur
, LR Hannes
Tratter
, AMS-Chef Anton
Kern
,
ÖGB-Vorsitzender Otto
Leist
und
AK Präsident Erwin
Zangerl
.
THEMA:
ARBEIT & SOZIALES
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