Tiroler Arbeiterzeitung - page 6

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Nr. 54, September 2013
Saisonbeschäftigte
aufgepasst!
F
ranz ist 35 Jahre, Koch und sai-
sonbeschäftigt. Er möchte von
der AK wissen, was das für seine
spätere Pension bedeutet. Wenig Gutes,
weiß der Fachmann. Es gibt ab 2014
das neue Pensionskonto. Das heißt:
Diese Neuerung wird sich insbesondere
für künftige Pensionisten, die vorwie-
gend in Branchen gearbeitet haben, in
denen ein regemäßiger saisonaler Bezug
von Arbeitslosengeld üblich ist, negativ
auswirken. Dies deshalb, da Arbeitslo-
sengeldbezug auch im Pensionskonto
verbucht wird und somit in die Pensi-
onsberechnung miteinfließt.
Es geht um den Durchrechnungs-
zeitraum in der Pensionsversicherung,
der maßgeblich für die sogenannte
Bemessungsgrundlage ist, von der je
nach Anzahl der Versicherungsjahre
ein bestimmter Prozentsatz als Pension
gebührt. Zur Ermittlung der Bemes-
sungsgrundlage werden grundsätzlich
nur Beitragszeiten herangezogen. Wäh-
rend bisher also Zeiten des Bezuges von
Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe
zum Vorteil des Versicherten nicht zur
Berechnung der Bemessungsgrundlage
herangezogen wurden, wird sich dies ab
1. Jänner 2014 mit Einführung des Pen-
sionskontos grundlegend ändern.
Nicht betroffen von dieser Regelung
bleiben die bis 31. 12. 1954 geborenen –
also schon in Pensionsnähe befindlichen
– Personen, für die weiterhin die alte
günstigere Rechtslage anzuwenden ist.
<<
Sachen gibts.
Erschüttert, oft tief betroffen und manchmal auch wütend machen jene
Schicksale von Tirolerinnen und Tirolern, die über den AK Unterstützungsfonds Hilfe erhalten.
Wenn die
Not groß ist
L
othar Müller, Koordinator des
AK Unterstützungsfonds, weiß,
wovon er spricht. Drohende
Exekutionen, Lohnpfändungen und
immer häufiger Mietrückstände, Delo-
gierungen, vernichtend hohe Betriebs-
kostennachzahlungen sowie kaum fi-
nanzierbare Schulkosten und Schulden
durch Selbständigkeit. Auf das Team des
AK Unterstützungsfonds kommt die
volle Breite persönlicher und familiärer
Schwierigkeiten zu.
Eine Reinigungskraft schafft „einen
Mietrückstand“ nicht mehr. Fast 60
% ihres Einkommens von etwa 1.000
Euro verschlingt allein die Miete. Sie
hat als Reinigungskraft (!) eine Art „All-
In-Vertrag“. Solche Verträge waren ur-
sprünglich für Spitzenmanager gedacht.
Um diese 1.000 Euro wird von der Frau
der Einsatz in allen Filialen und die Ar-
beitszeitausdehnung verlangt. Familiär
eine Katastrophe!
Ein besonderes Problem: Häusliche
Gewalt, Wegweisung, Elend der Kin-
der. Wir können nicht glauben, dass
das Tiroler Kinderschutzzentrum aus
Geldmangel Leute entlassen muss!
Ein betroffener Elternteil muss ne-
ben der Betreuung der Kinder ein-
fach arbeiten. Anders gehts nicht. Der
Arbeitsplatz ist nur mit dem Auto zu
erreichen. Aber das Geld reicht weder
fürs Pickerl, noch für die notwendige
Reparatur des alten „Kübels“ und auch
nicht für die Winterreifen. 500 bis 600
Euro vom AK Unterstützungsfonds
wirken da Wunder. Und geben Hoff-
nung auf bessere Zeiten, weil man sich
nicht allein gelassen weiß.
Sie bekommt nach der Scheidung
endlich eine „Stadtwohnung“. Bisher
war sie beim „Ex“ noch geduldet, hat
aber bei Freundinnen gewohnt. Möbel
in der neuen, sofort beziehbaren Woh-
nung: Null. Die ganze Einrichtung ge-
hört dem Vormieter, und der will halt
auch was sehen. Für Herd, Kühlschrank,
einen Kasten. Ersparnisse gering. Aber
ein paar gezielte und besprochene Hun-
derter vom Unterstützungsfonds schaf-
fen den Rest.
Was den Koordinator des AK Unter-
stützungsfonds „narrisch“ macht? Etwa,
wenn es ums Thema Mietzinsbeihilfe
geht. Wenn er draufkommt, dass nicht
um die zustehende Mietzinsbeihilfe an-
gesucht wurde. Das trifft auf rund acht
Prozent der Ansuchenden zu! „Das ist
viel Geld“, so der auf Sparsamkeit ge-
trimmte Vorarlberger.
Was Müller ebenso ärgert: „Wir be-
kommen sehr viele Ansuchen von Men-
schen, die früher einmal selbständig
und dadurch zahlende Mitglieder der
Wirtschaftskammer waren. Das letzte
Beispiel: Noch nicht einmal 30 Jahre
und mehr als 150.000 Euro Schulden.
Ein Fall für die Schuldnerberatung, an
der sich gefälligst endlich auch dieWirt-
schaftskammer zu beteiligen hat.“
<<
Ungewiss.
Am schlimmsten sind Geldsorgen, wenn Kinder und Partnerschaft darunter leiden.
D
ie AK Tirol hat einen eigenen
Unterstützungsfonds für Hilfe in
Notfällen eingerichtet. Er dient dazu,
unverschuldet in Not geratenen AK
Mitgliedern und deren Angehörigen
unter Beachtung der Familien-, Ver-
mögens- und Einkommensverhält-
nisse einen einmaligen finanziellen
Zuschuss zu gewähren. Eine Unter-
stützung kann nur aufgrund eines
formlosen schriftlichen Antrags ge-
währt werden.
Der AK Unterstützungsfonds
D
ie Experten vom AK Unterstützungs-
fonds bieten auch Sprechstunden in
den Bezirken an (Anmeldung bei der jewei-
ligen Bezirkskammer). Die nächsten Ter-
mine sind:
AK Landeck:
Do, 19. Sept, 10-12
Uhr;
AK Imst:
Do, 19. Sept. 15-17 Uhr;
AK
Schwaz:
Di, 24. Sept. 10-12 Uhr;
AK Reut-
te:
Do, 3. Okt. 10.30-13.30 Uhr,
AK Telfs:
Do, 10. Okt. 10-12 Uhr. Der AK Unterstüt-
zungsfonds befindet sich in der Schöpfstra-
ße 2, Innsbruck. Parteienverkehr: Mo-Fr,
8-12 Uhr. Tel. 0800/22 55 22 - 1107.
Termine in den Bezirken
DISKUSSIONSABEND
KUFSTEIN UND INNSBRUCK
„Die neuen
Graswurzler“
Macht zu viel
Medizin krank?
D
ie Veranstaltungsreihe „Le-
bensqualität statt Standortkon-
kurrenz“ geht am Montag, dem
16.
September
, um 19 Uhr in der Buch-
handlung Liber Wiederin, Erlerstr. 6
in Innsbruck in die nächste Runde.
Annette Jensen stellt dort in ihrem
Vortrag Graswurzelbewegungen vor.
In diesen Initiativen versuchen Men-
schen aus verschiedensten Schich-
ten, ihre Umgebung gemeinsam
mitzugestalten. So entstehen etwa
Solargenossenschaften etc.
Sind das nun alles nur idealistische
Spinner, oder haben sie das Poten-
zial, die Gesellschaftsstruktur sinn-
voll mitzugestalten? Reden Sie mit
beim Diskussionsabend „Die Neu-
en Graswurzler“. Anmeldung unter
0800/22 55 22 – 1480 oder wirt-
Die Veranstaltung ist eine Koope-
ration von Attac Tirol, AK Tirol, der
Grünen Bildungswerkstatt, dem Ver-
ein „Wissenschaft und Verantwort-
lichkeit“ der Uni Innsbruck und der
Buchhandlung Liber Wiederin.
M
ehr als 30 Milliarden Euro
fließen in Österreich jährlich
in den Gesundheitssektor. Die Aus-
gaben steigen jährlich um 5 %, und
doch waren noch nie so viele Men-
schen krank wie heute. Scheitert die
moderne Medizin an ihren eigenen
Ansprüchen? Macht zu viel Medizin
gar krank? Mit provokanten Aussa-
gen hat der Arzt und Schriftsteller
Günther Loewit sowohl Patienten,
als auch seine Kollegen immer wie-
der aufgerüttelt: Wie viel Medizin
überlebt der Mensch eigentlich?
Bei den kostenlosen Infovorträgen
am
9. Oktober
in der AK Kufstein
und am
14. Oktober
in der AK Inns­
bruck (Maximilianstr. 7), jeweils um
19 Uhr, zeigt er anhand authen-
tischer Beispiele, warum Tabletten
und Operationen oft kein Allheilmit-
tel sind. Im Anschluss beantwortet
Loewit gern die Fragen von Interes-
sierten. Anmeldung für Kufstein un-
ter 0800/22 55 22 – 3350 oder
für Innsbruck
unter 0800/22 55 22 - 1545.
Zu große Hürden bei
der Mindestsicherung
Bedenklich.
35.000 Tiroler hätten Anspruch
auf Mindestsicherung, nur 35 % erhalten sie.
Pension.
Wer regelmäßig Arbeitslosengeld bezieht, wegen Saisonarbeit
im Gastgewerbe oder am Bau, muss mit weniger Pension rechnen.
A
ktuelle Berechnungen der Ar-
mutskonferenz zeigen: Die Zahl
der Einkommensarmen in Ös-
terreich, die trotz Anspruchs keine Min-
destsicherung erhalten, ist enorm. Die
wahren Probleme in der Mindestsiche-
rung lauten deshalb nicht „soziale Hän-
gematte“ und „Missbrauch“, sondern
Nicht-Hilfe und Sozialbürokratie.
Die Zahl der Empfänger der Mindest-
sicherung (ohne Senioren- und Pflege-
heime) steht in keinem Zusammenhang
mit der Zahl der Einkommensarmen
unter der Mindestsicherungsschwelle.
Auffallend sind die gravierenden Unter-
schiede zwischen den einzelnen Bundes-
ländern. So haben in Tirol von 35.000
Betroffenen, die unter 753 Euro zum
Leben haben, nur 35 % im Jahr 2011
zumindest einmal eine Mindestsiche-
rungsleistung erhalten. Am besten wer-
den Menschen mit Hilfebedarf in Wien
mit 77 % erreicht.
Die Gründe: Uninformiertheit,
Scham und grobe Mängel im Vollzug.
In den anonymeren Städten ist die In-
anspruchnahme prinzipiell höher, dazu
kommt, dass manche Bundesländer
einen besonders willkürlichen Vollzug
aufweisen. Ein Drittel aller Mindestsi-
cherungsbezüge betrifft Familien mit
Kindern. Die Gründe dafür sind pre-
käre Jobs, nicht-existenzsichernde Not-
standshilfeleistungen, Arbeitslosigkeit,
psychische Erkrankungen und hohe
Lebenshaltungskosten beimWohnen.
<<
Foto:YuriArcurs/Fotolia.com
Für Fragen dazu erteilt die AK
Sozialabteilung Auskünfte unter der
Hotline 0800/22 55 22-1616.
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THEMA:
Hilfe & RAT
Weniger.
Saisonbeschäftigte zahlen in
der Pension drauf.
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