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WISO Seite 11

Weiter in Richtung Deflation? Die

Preisentwicklung in Europa

Die Gefahr einer Deflation in der Eurozone scheint

auf Basis der neuesten Inflationszahlen eher zuzu-

nehmen. Die Schnellschätzung von Eurostat für den

August 2014 wies eine Preiszunahme von lediglich

0,3% gegenüber dem Vorjahr aus. Das bedeutet ei-

nen Rückgang von 0,1 PP vom Monat Juli, in dem die

Inflation bei 0,4% lag.

Der größte deflationäre Druck geht dabei von den

Energiepreisen aus. Diese sind seit über einem Jahr

stagnierend oder rückläufig. Im Juli sanken die Prei-

se für Energie im gesamten Euroraum um 1,0%. Seit

Mai 2014 trugen auch die Preise von Nahrungsmit-

teln zum Preisverfall bei (ebenfalls -1,0% im Juli).

Preiserhöhungen jenseits der Schwelle von einem

Prozent gab es nur in vier Komponenten des HVPI:

Bei Alkohol und Tabak (+2,2%), den Dienstleistungen

(+1,2%), Gesundheitspflege (+1,2%) und Hotels/ Re-

staurants (+1,6%).

Die Kosten für Nachrichtenübermittlung (Handy, In-

ternet) sanken um 2,9%. Ohne Berücksichtigung der

Energiekosten würde die Inflationsrate geringfügig,

auf 0,5%, ansteigen. Ohne Energie, Nahrungsmittel

und Alkohol und Tabak läge die Teuerungsrate bei

0,8%. Die Inflationsentwicklung war innerhalb der

Eurozone sehr ungleichmäßig verteilt. Eindeutig in

der Deflation befanden sich Spanien (-0,4%), Portu-

gal (-0,7%; seit sechs Monaten), die Slowakei (-0,2%;

seit sieben Monaten) und Griechenland (-0,8%; seit

über einem Jahr).

Eine für den Euroraum überdurchschnittliche Infla-

tionsentwicklung zeigten Deutschland (+0,8%), Zy-

pern (+0,9%), Luxemburg (+1,2%) und allen voran

Österreich, das mit einer Teuerungsrate von 1,7% die

höchste Inflation innerhalb der Eurozone aufwies.

Aktivitäten der Europäischen

Zentralbank

Das prekäre makroökonomische Umfeld – gerin-

ges und fragiles Wachstum gepaart mit deflationä-

ren Tendenzen – stellt die Europäische Zentralbank

(EZB) vor große Herausforderungen. Die Maßnah-

men der EZB in diesem Jahr versuchen diese bei-

den gravierenden wirtschaftspolitischen Probleme zu

adressieren. Über verschiedene Kanäle unternimmt

die EZB den Versuch, die Kreditvergabe der Banken

an die Realwirtschaft zu verstärken und

die Geldschöpfung durch die Banken,

welche ja Geld durch das Vergeben von

Krediten „erzeugen“, anzuregen. Da-

mit soll die gefährlich niedrige Inflation

in der Eurozone bekämpft werden und

Klein- und Mittelbetrieben durch bessere

Kreditbedingungen unter die Arme ge-

griffen werden. Neben dem klassischen

Instrumentarium von Zentralbanken,

wie Senkungen der Leitzinsen, greift die

EZB immer mehr zu unkonventionellen

Mitteln: Negativzinsen für Banken, die

Vergabe von extrem billigen Geld und,

aller Voraussicht nach, dem Ankauf von

Wertpapieren (sogenannten „Asset-ba-

cked Securities“ – Forderungsbesicher-

ten Wertpapieren) im großen Stil.

Auch in der lohnpolitischen Debatte äußerte sich die

EZB. Der neue Chefvolkswirt der EZB, der belgische

Ökonom Peter Praet, unterstützte eine Forderung

der deutschen Bundesbank, die deutschen Gewerk-

schaften mögen doch höhere Lohnabschlüsse als in

der Vergangenheit anstreben. Praet äußerte sich da-

hingehend, dass die Lohnabschlüsse mit dem EZB-

Inflationsziel von 2% „in Einklang gebracht werden

sollten.“

7

Der Chefökonom der deutschen Bundes-

bank, Jens Ulbrich, sah sogar einen Spielraum von

etwa 3% für die Lohnabschlüsse.

8

Diese Forderun-

gen stehen im Kontext der Deflationsbekämpfung

und sorgten für Empörung bei den Arbeitgeberver-

tretern. Höhere Lohnabschlüsse würden dabei hel-

fen, den Binnenkonsum anzuregen und die Preise

steigen zu lassen. Kapital- und Konsumströme in der

Sinkende Energiepreise sind eine der Hauptursachen für die deflationären

Tendenzen in Europa.

cc Thoren

7

FAZ (Juli 2014)

8

vgl. ebda.