Handel: Aus für
„Gratis-Arbeit“
Grippe immer
gleich melden
B
ei einer Immobilienmaklerfirma
mit Sitz in Wien will Thomas
geringfügig zu arbeiten be
ginnen. Er bekommt den Job
in Tirol, muss jedoch zuvor diverse
Schulungen in Wien besuchen. Er
unterschreibt eine Vereinbarung, in
der festgehalten wird, dass die Kos
ten der Schulung vom Arbeitgeber
vorfinanziert werden. Da Thomas
den Betrag von 1.240 Euro nicht so
fort begleichen kann, entscheidet er
sich für eine Ratenzahlung, die vom
Lohn und seinen Spesen abgezo
gen werden soll.
Für Thomas ein schlechtes Ge
schäft. Da er nur gering
fügig
beschäftigt
ist, bekommt er
nach Abzug der
Raten in den
ersten
Mona
ten gar keinen
Lohn und keinen
Kostenersatz für
seine Reisen zu
den Schulungen
nach Wien. Nach 7
Monaten wird er von
der Firma grundlos ge
kündigt.
Er ärgert sich darüber,
eine solche Vereinbarung
überhaupt unterschrieben
zu haben. Zu seinemGlück
erkundigt er sich aber doch
noch bei der AK Tirol, ob
diese Vorgangsweise rechtlich
in Ordnung ist. Und der Jurist
klärt ihn auf. Denn für den Rück
ersatz von Ausbildungskosten
gibt es ganz spezielle Regeln: Sie
dürfen nur dann zurückverlangt
werden, wenn der Arbeitnehmer
die Firma verlässt, also selbst
kündigt, er berechtigt entlassen
wird oder unbegründet austritt. Schon
diese Grund-Voraussetzung war im
Fall von Thomas nicht gegeben, da
er von der Firma ohne schuldhaftes
Verhalten gekündigt wurde.
Aber es gelten auch noch andere
Bedingungen: Auf jeden Fall muss
es über den Rückersatz der Ausbil
dungskosten eine schriftliche Ver
einbarung geben UND seit Anfang
2016 gibt es bei neu abgeschlossenen
Arbeitsverträgen rechtliche Verbes
serungen. Hat der Arbeitgeber eine
Ausbildung finanziert, kann er die
Kosten nur noch vier Jahre lang zu
rückfordern. Neu ist auch, dass die
Summe in der Vereinbarung
Monat für Monat re
duziert werden
muss.
Davor
war es zulässig,
ein volles Jahr
verstreichen zu
lassen, ehe eine
Minderung ein
trat. Auch diese
Aliquotierung der
Rückzahlungsbe
träge fehlte in der
von Thomas unter
schriebenen Vereinba
rung.
Trotz all dieser ein
deutigen rechtlichen Ar
gumente zeigte sich die
Immobilienmaklerfirma
nicht einsichtig. Mit Hilfe
der AK wurde geklagt. Für
das Gericht war das eine
eindeutige Sache: Thomas
erhielt seine Löhne in Höhe der
Ausbildungskosten samt Reisekos
ten wieder rückerstattet und ist um
eine Erfahrung reicher: Fragen bei
der AK kostet nichts, hat sich aber
gelohnt!
Schulungskosten
vom Lohn abgezogen
Erfolg.
Immer wieder fordern Arbeitgeber Ausbildungskosten
von Mitarbeitern zurück. Doch nicht immer sind sie im Recht.
Schon gar nicht, wenn sie selbst den Arbeitnehmer kündigen!
PFLICHTPRAKTIKA
KRANKENSTAND
INFOS
FACTS
Neue Kündigungsfristen für Teilzeit-Angestellte
Foto: contrastwerkstatt
/Fotolia.comA
RBEIT
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ECHT
2
Nr. 103, Jänner 2018
S
pätestens seit Einführung der Pflicht-
praktika für Schülerinnen und Schü-
ler von Handelsschulen und Handels–
akademien war der Zustand nicht mehr
tragbar, dass ausgerechnet die für diese
jungen Menschen maßgebliche Branche,
der Handel, über keine Regelungen für
Pflichtpraktikanten verfügte. Das führte
dazu, dass ein Praktikant entweder als
regulärer Dienstnehmer mit voller Be-
zahlung oder als Volontär ohne jeglichen
Lohnanspruch beschäftigt wurde – je
nach Geschmack des Betriebes. Das
Fehlen verbindlicher Regelungen hatte
aber nicht nur zur Folge, dass ein guter
Teil der betroffenen jungen Leute ihr
Praktikum kostenlos absolvierte, sondern
auch, dass sehr viele Schülerinnen und
Schüler gar keinen Praktikumsplatz fin-
den konnten, da diese von den Betrieben
angesichts der unsicheren Rechtslage
nicht angeboten wurden.
Der neue Kollektivvertrag für die
Angestellten im Handel stellt klar, dass
Pflichtpraktikanten bei ihrem ersten Prak-
tikum die Lehrlingsentschädigung des
ersten, beim zweiten Praktikum jene des
zweiten Lehrjahres erhalten. Studierende
erhalten eine Lehrlingsentschädigung
des dritten Lehrjahres. Damit ist auch die
Gewerkschaft, die den Kollektivvertrag ja
verhandelt hat, auf die Linie der Tiroler
Arbeiterkammer eingeschwenkt, die
gefordert hatte, Pflichtpraktika aus der
rechtlichen Grauzone zu holen und einer
klaren und für alle Seiten transparenten
Lösung zuzuführen. Die neue Regelung
entspricht vergleichbaren Bestimmungen
in anderen Kollektivverträgen, ist sachlich
angemessen, sozial ausgewogen und
lässt hoffen, dass es künftig keine som-
merlichen „Gratis-Buckler“ und zudem
ausreichend Praktikumsplätze gibt.
S
eit 1. Jänner 2018 werden
teilzeitbeschäftigte Ange
stellte bei den Kündigungs
fristen ihren Vollzeit-Kolle
gen gleichgestellt. Der Arbeitgeber
muss jetzt bei allen Angestellten
eine Kündigungsfrist von sechs
Wochen einhalten. Damit tritt der
erste Teil der im September 2017
vom Parlament beschlossenen An
gleichung der Rechte vonArbeitern
und Angestellten in Kraft. Nach der
Rechtslage, die noch bis Jahres
ende 2017 gegoltenen hat, musste
der Arbeitgeber bei Beschäftigten
mit einer geringen Wochenarbeits
zeit (z. B. bis 8 Stunden pro Woche
bei einer Normalarbeitszeit von 40
Wochenstunden) nur eine 14-tägige
Kündigungsfrist einhalten. Seit
1.1.2018 muss von Arbeitgebern
auch bei Angestellten mit gerin
ger wöchentlicher Arbeitszeit zu
mindest eine Kündigungsfrist von
sechs Wochen eingehalten werden.
Auch gelten die allgemeinen Kün
digungstermine von Angestellten,
wonach das Arbeitsverhältnis zum
Ende eines Kalendervierteljahres
(31.3.; 30.6.; 30.9.; 31.12) oder auf
grund des Arbeitsvertrages zu je
dem 15. oder jedem Monatsletzten
zu enden hat.
Betroffen von dieser Regelung
sind vor allem viele geringfü
gig Beschäftigte z. B. im Handel.
Sollten deren Arbeitsverhältnisse
gekündigt werden, ist auf die Ein
haltung der Fristen und Termine
besonders zu achten.
Bei Nichteinhaltung der kor
rekten Fristen und Termine ent
stehen
Schadenersatzansprüche.
Beschäftigte haben Anspruch auf
Kündigungsentschädigung (= alle
Ansprüche, die bis zum Ablauf der
korrekten Kündigungsfrist entstan
den wären).
Achtung:
Der Anspruch auf Kün
digungsentschädigung muss binnen
6 Monaten gerichtlich geltend ge
macht werden.
Eine einvernehmliche Lösung
sollte keinesfalls leichtfertig mit
dem Arbeitgeber vereinbart wer
den! Aber auch Angestellte, die
selbst kündigen, müssen seit heuer
eine längere Kündigungsfrist ein
halten, nämlich mindestens einen
Monat. Der Endtermin ist jeder
Monatsletzte.
Bei Nichteinhaltung der kor
rekten Kündigungsfristen und
-termine können Schadenersatz
ansprüche gegenüber dem Unter
nehmer entstehen und Beschäftigte
verlieren dann ihren Anspruch auf
Abgeltung der offenen Urlaubsan
sprüche.
A
rbeitnehmer, die erkranken, sind ver-
pflichtet, demArbeitgeber unverzüg-
lich die Arbeitsverhinderung mitzuteilen.
Das ist in den meisten Fällen ein Anruf in
der Firma, am besten bei Arbeitsbeginn
oder noch davor. Tun Sie das nicht, kann es
sein, dass Sie für die Tage ohne Krankmel-
dung kein Geld erhalten!
UNVERZÜGLICH.
Nach der Meldung
sollte man unverzüglich einen Arzt
aufsuchen und sich krankschreiben lassen.
Denn der Arbeitgeber hat das Recht, eine
Krankenstandsbestätigung zu verlangen.
In manchen Firmen ist für die ersten drei
Krankenstandstage keine Bestätigung
erforderlich. Ihr Arbeitgeber kann sie aber
auch für nur einen Tag verlangen.Wenn
Sie die Regelung in IhremUnternehmen
nicht kennen, suchen Sie auch bei kurzen
Krankenständen Ihren Arzt auf.
Eine Krankmeldung enthält folgende
Informationen: Seit wann sind Sie krank?
Wie lange wird der Krankenstand vo-
raussichtlich dauern? Sind Sie durch eine
Krankheit arbeitsunfähig oder durch eine
Berufskrankheit, einen Arbeits-, Verkehrs-
oder Sportunfall? An welcher Krankheit
Sie leiden, ist Ihre Privatangelegenheit
– dies müssen Sie demArbeitgeber nicht
mitteilen.
GESUNDHEIT GEHT VOR.
Im Kran-
kenstand hat der Arbeitnehmer alles zu un-
terlassen, was geeignet ist, die Genesung
zu verzögern. Das bedeutet zum Beispiel,
wenn jemand aufgrund einer Grippe oder
eines grippalen Infekts im Krankenstand
ist, darf er sich nicht im Freien aufhalten
bzw. muss er dies auf das Allernötigste
beschränken (Arztbesuche, Gang zur Apo-
theke). Ist jemand wegen Depressionen
krankgeschrieben, kann Spazierengehen
ein Teil der Behandlung sein.Was zu tun
ist, entscheidet im Zweifel der Arzt bzw.
sagt der gesunde Menschenverstand.
KÜNDIGUNG.
Was viele nicht wissen:
Arbeitnehmer können auch während
des Krankenstandes gekündigt werden.
Deshalb gehen viele Arbeitnehmer krank
zur Arbeit. Einzuhalten sind jedoch die
auch sonst geltenden Kündigungsfristen
und -termine.
Auf Augenhöhe.
Mit 1. Jänner tritt der erste Teil der vom Parlament 2017 beschlos-
sene Angleichung der Rechte von Arbeitern und Angestellten in Kraft.
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Gleichstellung.
Seit heuer gelten bei allen Angestellten unabhängig von ihrem Beschäftigungsausmaß sechs
Wochen Kündigungsfrist für den Arbeitgeber. Betroffen sind vor allem geringfügig und in Teilzeit Beschäftigte.