Zangerl: Macht braucht Kontrolle
OFFEN GESAGT
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Nr. 103, Jänner 2018
Im Gespräch.
„Ob Kinderbonus, 12-Stunden-Arbeitstag, Abschaffung der Aktion 20.000 oder Änderung bei
der Notstandshilfe: Wir werden die neue Regierung an ihren Taten messen“, sagt AK Präsident Zangerl.
TAZ: Herr Präsident, vieles im
Programm der neuen Bundes-
regierung ist bis jetzt nur vage
umschrieben. Wie beurteilen
Sie die bisher bekannt ge-
wordenen Pläne?
Zangerl:
Die Regierung
hat sich das Motto „Ver-
änderung“ auf ihre Fah-
nen geschrieben. Das ist
grundsätzlich positiv zu
beurteilen, denn Verän-
derung bedeutet ja Fort-
schritt und nicht Rück-
schritt.
TAZ: Wie fortschrittlich
sind die bisher bekannt
gewordenen Pläne der Re-
gierung für die Arbeitneh-
mer?
Zangerl:
Festzuhalten
ist, dass die Ar-
beiterkammer Veränderungen immer positiv
gegenübersteht, solange sie in einem fairen
Rahmen ablaufen. Das heißt, dass die Be-
schäftigten auch davon profitieren müssen
und es zu keinen Verschlechterungen etwa
bei den Einkommen, sozialer Absicherung,
Bildung oder im Gesundheitswesen kommt.
TAZ: Ist die beabsichtigte Einführung eines
12-Stunden-Arbeitstages der Fortschritt,
den sich die Beschäftigten wünschen?
Zangerl:
Gerade diese Ankündigung lässt
befürchten, welche Interessen die neue Re-
gierung hier im Auge hat. Künftig soll der
12-Stunden-Arbeitstag in Betrieben ohne
Betriebsrat 24 Wochen im Jahr und jeweils
bis zu acht Wochen ununterbrochen möglich
sein. Das ist nicht die Arbeitswelt, die wir
uns vorstellen, zumal den Arbeitnehmern
überhaupt keine Möglichkeit geboten wird,
auch nur ein wenig flexibel zu arbeiten. Das
ist ein Rückschritt um Jahrzehnte. Wie sollen
sich Familienleben, Kinderbetreuung, eh-
renamtliches Engagement oder Vereinsleben
mit einer derart entfesselten Arbeitswelt
noch unter einen Hut bringen lassen?
Ganz zu schweigen von allen arbeits-
medizinischen Erkenntnissen, die
klar nachweisen, dass Gesundheit
und Sicherheit der Arbeitnehmer bei
noch längeren Arbeitsphasen massiv
beeinträchtigt werden.
TAZ: Wie sehen Sie die Aufgabe der
AK als Schutzmacht der Arbeitneh-
mer angesichts dieser neoliberalen
Tendenzen?
Zangerl:
Die Beschäftigten können
sich auf uns verlassen. Wir werden
der Regierung – so wie allen bisherigen Re-
gierungen auch – ganz genau auf die Finger
schauen. Unsere Zukunft muss gerecht sein.
Dazu gehört soziales Augenmaß.
TAZ: Lässt sich solidarisches Handeln in
Zeiten wie diesen noch umsetzen?
Zangerl:
Wir halten es mit den kirchlichen
und sozialen Einrichtungen: Wir wollen die
Armut bekämpfen, aber nicht die Armen. Ich
halte deshalb wenig von einer Umverteilung
von unten nach oben. Wer eine reine Hoch-
leistungsgesellschaft propagiert, nimmt in
Kauf, dass immer mehr Menschen auf der
Strecke bleiben. Wir verzeichnen einen er-
freulich starken Wirtschaftsaufschwung. Die
Diskussion über Lohnnebenkosten greift
zu kurz, es braucht deutliche Gehaltserhö-
hungen gerade im unteren und im mittleren
Einkommensbereich. Das wäre die wich-
tigste Armutsvorsorge. Wohnen ist eine wei-
tere entscheidende Frage. Die Preise auf dem
Markt sind ein Irrwitz und lassen viele Men-
schen verzweifeln. Der Markt ist völlig aus
den Fugen geraten, Landes- und Bundespo-
litik müssen hier endlich massiv eingreifen.
TAZ: Wofür wird sich die Arbeiterkammer
besonders einsetzen?
Zangerl:
Sicherheit und Wohlstand für
möglichst alle in unserer Gesellschaft, lau-
tet unsere Maxime. Zu einer positiven Zu-
kunft gehören neben sicheren Pensionen
menschengerechte Arbeitsplätze mit gutem
Verdienst, leistbares Wohnen und beste Bil-
dung für unsere Kinder. Hier werden wir
nicht lockerlassen und uns im Sinne der Ar-
beitnehmer gegenüber der Regierung dafür
einsetzen.
Erwin Zangerl:
„Macht braucht auch
Kontrolle. Wir werden
die neue Regierung
an ihren Taten im
Sinne der Arbeit-
nehmerinnen und
Arbeitnehmer
messen.
“
Foto: TWBA