Tiroler Arbeiterzeitung - page 10

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THEMA:
FAMILIE & PFLEGE
Arbeit und Familie
als Herausforderung
AK Studie.
38 % der Eltern wünschen sich Ganztagsbetreuung, nur 8 % haben sie.
Aber auch Ferien, Arbeitszeiten und Überstunden bereiten organisatorische Probleme.
Nr. 61, März 2014
H
offentlich kann ich heute ein-
mal pünktlich gehen“, bangt
Monika. Denn dann schafft
sie es gerade noch, Sophie, ihre fünf-
jährige Tochter, rechtzeitig vom Kin-
dergarten abzuholen.
Zum Glück kann sich Monika sonst
auf ihre Nachbarin verlassen. Die
Hausfrau nimmt Sophie mit, wenn sie
ihren Sohn Johannes vom Kindergar-
ten abholt, und passt auf sie mit auf,
bis Monika von der Teilzeitarbeit in
einem Geschäft kommt. Doch jetzt
ist Johannes krank geworden und Mo-
nika auf sich gestellt. Denn ihr Mann
kommt wegen der vielen Überstunden
erst spätabends von der Arbeit.
Hilfe tut Not.
Probleme wie
diese kennen viele Familien, wenn es
darum geht, Beruf und Kinderbetreu-
ung unter einen Hut zu bringen. Dass
Betroffene diesen Spagat jedoch noch
immer nur mit Organisationstalent
und einem verlässlichen Freundes- und
Verwandtenkreis bewältigen können,
belegt eine Studie der AK: „Zwischen
Juni und Oktober 2013 wurde eine
österreichweite Telefonumfrage unter
570 Beschäftigten durchgeführt, die
mit mindestens einem Kind unter 12
Jahren im selben Haushalt lebten. Und
sie beweist unsere Kritik: Hier herrscht
massiver Nachholbedarf“, betont AK
Präsident Erwin Zangerl.
Mehr als drei Viertel der Befragten
aus Paarhaushalten gaben an, dass auch
der Partner erwerbstätig ist. Bei 71 %
war es das Eineinhalb-Verdiener-Mo-
dell, wobei meist Männer Vollzeit und
Frauen Teilzeit arbeiten. Nur bei einem
Viertel waren beide Elternteile in Voll-
zeit und bei 4 % beide in Teilzeit be-
schäftigt.
Wenig Angebot.
Zur institu-
tionellen Ganztagsbetreuung ergab die
Studie ein Auseinanderklaffen von An-
gebot und Nachfrage: 38 % wünschten
sich ein ganztägiges Angebot, aber nur
8 % hatten auch eines für ihr Kind.
Urlaub nehmen.
Probleme sind
speziell für die Ferien vorprogrammiert:
Weil dann viele Einrichtungen geschlos-
sen haben, verlagert sich die Organisa-
tion der Kinderbetreuung noch weiter
in den privaten Bereich. Mit der Folge,
dass gut jeder vierte Haushalt Urlaubs-
tage nehmen musste, um Betreuungs-
lücken zu überbrücken, was wiederum
für etwa die Hälfte im Betrieb schwierig
war.
„Politik und Arbeitgeber müssen end-
lich mit besseren Rahmenbedingungen
dafür sorgen, dass die Betriebe familien-
freundlicher werden“, fordert Zangerl.
„Unsere Familien warten hart auf den
vollmundig versprochenen Ausbau von
Kinderbetreuung und Ganztagsschu-
len, um Vollzeitarbeit zu ermöglichen.
Deshalb muss die entsprechende Ver-
einbarung mit den Ländern nun rasch
abgeschlossen und umgesetzt werden.
Außerdem brauchen wir einen Rechts-
anspruch auf Elternteilzeit auch in
Betrieben mit weniger als 21 Arbeit-
nehmern.“
<<
studie IM DETAIL
Arbeitszeit
als Problem
D
ie Familienfreundlichkeit der
Arbeitszeit wurde von nur
43 % der Befragten als sehr po-
sitiv wahrgenommen. Dabei be-
treffen überlange Arbeitszeiten
vor allem Männer: So mussten
46 % der Väter, die in Vollzeit ar-
beiten, regelmäßig Überstunden
leisten (bei den Frauen 28 %).
40 % der Vollzeitbeschäftigten,
deren Partner nicht erwerbstä-
tig war, erbrachten mehr als 10
Überstunden pro Woche. „Laut
Studie hält fast die Hälfte der
Männer eine Reduktion aus finan-
ziellen Gründe nicht für möglich,
weitere 35 % nannten betrieb-
liche Gründe“, berichtet Zangerl.
Probleme bereiten vielen
erwerbstätigen Müttern und
Vätern vor allem – wenig über-
raschend – nicht-klassische Ar-
beitszeitlagen, also alle, die au-
ßerhalb von Montag bis Freitag
von 8 bis 17 Uhr liegen: Rund die
Hälfte der Beschäftigten arbei-
tet auch an Tagesrandzeiten, in
Samstag- oder Sonntagsarbeit,
in Nacht-, Schicht-, Wechsel-
oder Turnusdiensten. Daneben
sind für 34 % der Befragten die
Arbeitszeiten nicht immer fix be-
kannt.
Die Studie zeigt auch, dass die
Betriebe nicht ganz untätig sind:
Jeder Fünfte berichtete von spe-
zifischen Fördermaßnahmen zur
Unterstützung der Vereinbarkeit
gibt. Die Frage, ob die Vereinbar-
keit im Betrieb ernst genommen
wird, sei aber nur von 53 % als
sehr zufriedenstellend beantwor-
tet worden. Informationsdefizite
ortet die AK bei der Elternteilzeit,
aus der Beratung wisse man
auch, dass manche Arbeitgeber
hier Schwierigkeiten machen.
Lesen Sie mehr zur Studie auf
Kinderbetreuung.
Noch immer fehlen dringend notwendige Einrichtungen, die berufstätige Eltern entlasten.
Gebildet,
benachteiligt
I
n Sachen Bildung
gilt bei uns zum
Glück Gleichbe-
rechtigung:
Frauen
haben Männer in den
letzten 30 Jahren bei
Matura und Hoch-
schulabschlüssen so-
gar überholt.
Im
Berufsleben
aber wird dies oft
nicht mehr honoriert:
„Frauen werden viel
häufiger als Männer
unter ihrer Qualifika-
tion beschäftigt“, verweist AK Präsi-
dent Erwin Zangerl auf eine aktuelle
AK Studie. Dass sich dies auch nach-
teilig auf die Bezahlung auswirkt, ist
leider logische Konsequenz.
Überqualifiziert.
Insgesamt
sind von 4 Millionen Erwerbstätigen
in Österreich rund 22 % unter ihrem
Qualifikationsniveau beschäftigt (bei
Migranten 33 %).
Aufgesplittet nach Bildungsab-
schluss finden jedoch 58 % der weib-
lichen (und 48 % der männlichen)
AHS-Maturanten keinen adäquaten
Arbeitsplatz. Bei BHS-Absolventen be-
trifft dies 57 % der Frauen gegenüber
30 % der Männer. Unter Akademikern
sind 35 % der Frauen überqualifiziert
und 26 % der Männer. Und in dieser
Gruppe ist die Einkommenskluft mit
rund einem Viertel besonders groß.
Umso wichtiger sind Maßnahmen
für mehr Chancen- und Einkommens-
gerechtigkeit: Bei Stelleninseraten soll
das erwartbare Gehalt statt des Min-
destgehalts angegeben werden. Zudem
muss der Wiedereinstieg von Frauen
gefördert werden, und (großteils
weibliche) Teilzeitkräfte dürften von
Weiterbildung im Betrieb nicht ausge-
schlossen sein.
<<
Unfair.
Gut ausgebildete Frauen werden öfter
unter ihrer Qualifikation beschäftigt als Männer.
Ungerecht.
Frauen dürfen nicht länger benachteiligt sein.
Foto:FranzPfluegl/Fotolia.com
E
norm ist die Herausforderung
für Berufstätige, wenn sie plötz-
lich die Betreuung eines pflege-
bedürftigen Angehörigen übernehmen
müssen. Vielleicht, weil es unerwartet
dazu kam. Oder aber, weil sich der
Gesundheitszustand verschlechtert hat
bzw. die bisherige Betreuungsperson
ausgefallen ist.
Zur Überbrückung gibt es seit heu-
er die Möglichkeit, für einen bis ma-
ximal drei Monate Pflegekarenz bzw.
Pflegeteilzeit zu vereinbaren. Wichtig
ist, dass Anspruch auf Pflegegeld der
Stufe 3 bzw. bei demenziellen Erkran-
kungen der Stufe 1 gegeben sein muss.
Prinzipiell gilt:
Pflegekarenz und
Pflegeteilzeit sind schriftlich zwischen
Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu
vereinbaren. Dafür muss das Arbeits-
verhältnis bereits ununterbrochen
drei Monate gedauert haben (für be-
fristete Arbeitsverhältnisse im Saison-
betrieb gelten spezielle Regelungen).
Bei Pflegeteilzeit darf die vereinbarte
wöchentliche Normalarbeitszeit zehn
Stunden nicht unterschreiten.
Pflegekarenzgeld ist grundsätzlich
auf 3 Monate beschränkt, bei einer
Erhöhung der Pflegegeldstufe ist aber
ein erneuter Bezug möglich. Nehmen
zumindest zwei Personen Pflegefrei-
stellung oder Pflegeteilzeit für einen
Angehörigen in Anspruch, ist ein Be-
zug für bis zu 6 Monate möglich.
Das Pflegekarenzgeld wird wie Ar-
beitslosengeld (55 % des täglichen
Nettoeinkommens) berechnet zuzüg-
lich allfälliger Kinderzuschläge. Bei
Pflegeteilzeit gebührt es aliquot. Wäh-
rend des Bezugs übernimmt der Bund
Kranken- und Pensionsversicherungs-
beiträge, Arbeitnehmer erwerben
auch einen Abfertigungsanspruch.
<<
Hilfe für
Angehörige
Pflegebedarf.
Zur Überbrückung können Beschäftigte jetzt
bis zu drei Monate Pflegekarenz bzw. Pflegeteilzeit vereinbaren.
Pflegekarenz und -teilzeit
helfen, die Betreuung Angehöriger zu organisieren.
Lesen Sie mehr im AK Falter
„Pflegekarenz und Pflegeteilzeit“,
kostenlos erhältlich unter 0800/22
55 22 – 1630 bzw. 1632 oder als
Download auf
!
Foto:olesiabilkeil/Fotolia.com
Foto:mma23/Fotolia.com
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