Tiroler Arbeiterzeitung - page 6

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Offener Lohn ist
kein Kavaliersdelikt!
Sachen gibts.
Oft wird Beschäftigten Einkommen vorenthalten. Die AK fordert Sanktionen.
S
chlagzeilenträchtig zeigte sich im
dayli-Konkurs, wie rund 1.100
Beschäftigten Geld vorenthalten
worden war: Mindestens 2 Millionen
Euro verloren sie zwischen Juli 2010 und
Juni 2012, weil sie falsch eingestuft – und
damit unterentlohnt waren.
Leider bezahlen immer mehr Arbeitge-
ber ihre Mitarbeiter nicht immer korrekt.
„Vorsätzlich, systematisch und straffrei“,
kritisiert AK Präsident Erwin Zangerl.
Dies zeigt sich in Insolvenzverfahren, bei
Prüfungen durch Gebietskrankenkasse
und Finanzamt und in Beratungen durch
die AK Arbeitsrechtsexperten.
„Viele Unternehmen bleiben Gehälter
und Sozialversicherungsbeiträge schul-
dig durch nicht bezahlte Überstunden,
Unterentlohnung, Missachtung kollek-
tivvertraglicher Mindeststandards oder
falsche Abrechnungen“, berichten die
Juristen. „Das schadet dem Sozialversi-
cherungssystem und den Beschäftigten,
Zu wenig Lohn.
Viele Betriebe stufen ihre Mitarbeiter niedriger ein. Dagegen
läuft die AK nun Sturm: Es braucht Sanktionen und kürzere Verfallsfristen.
Irreführend.
Im Alltag und in den Medien ist oft von Entlassungen die Rede. Gemeint
sind jedoch meist Kündigungen. Dazwischen liegen Welten – auch für die Betroffenen.
A
ls wäre es für Sabine nicht
schon schlimm genug, dass
ihre Abteilung eingespart und
ihr deshalb gekündigt wurde: Jetzt
kam ihr auch noch zu Ohren, dass in
der Nachbarschaft das Gerücht um-
geht, sie sei entlassen worden. Und
das macht der 32jährigen Angestellten
noch mehr zu schaffen: „Ich habe mir
doch nie etwas zuschulden kommen
lassen!“
Tatsächlich wird im Alltag häufig
von „Entlassung“ gesprochen, übri-
gens auch in vielen Medienberichten,
obwohl meist Kündigungen gemeint
sind. Dass hier jedoch gravierende
Unterschiede bestehen, ist Beschäf-
tigten oft gar nicht bewusst.
Kündigung.
Prinzipiell gibt es
befristete und unbefristete Arbeitsver-
hältnisse. Während befristete grund-
sätzlich mit Ablauf der Zeit enden, für
die sie eingegangen wurden, können
unbefristete Arbeitsverhältnisse durch
einseitige Kündigung – von Arbeit-
geber oder Arbeitnehmer – beendet
werden. Für eine Kündigung braucht
es grundsätzlich keine Gründe (Aus-
nahme z. B. bei Kündigungsschutz im
öffentlichen Dienst), es sind nur Kün-
digungsfrist und Kündigungstermin
einzuhalten.
Entlassung.
Liegt jedoch ein
entsprechend schwerwiegender Grund
vor, kann jedes Arbeitsverhältnis, egal
ob befristet oder unbefristet, auch
vorzeitig aufgelöst werden und zwar
durch eine einseitige empfangsbedürf-
tige Willenserklärung. Erfolgt die vor-
zeitige Auflösung des Dienstverhält-
nisses durch den Arbeitgeber, spricht
man von einer Entlassung.
Wie gesagt, für eine Entlassung
braucht es triftige Gründe, die sich in
der Person des Arbeitnehmers ereignet
haben und dem Arbeitgeber eine Wei-
terbeschäftigung dieses Mitarbeiters
unzumutbar machen. Das bedeutet
aber auch, dass der Arbeitgeber einen
solchen Entlassungsgrund ohne Auf-
schub wahrnehmen und eine Entlas-
sung sofort erfolgen muss, weil der
Entlassungsgrund sonst als verwirkt
gilt. Nach der Rechtsprechung wird
dem Arbeitgeber dafür eine gewisse
kurze Überlegungs- und Erkundi-
gungsfrist eingeräumt.
Nach Ausspruch der Entlassung ist
das Dienstverhältnis sofort beendet.
Entlassungsgründe.
Dem
Beschäftigten wird ein grobes Fehlver-
halten zum Verhängnis. Als Grund-
satz gilt: Nur jene Gründe können
eine Entlassung rechtfertigen, die so
gewichtig sind, dass dadurch das Ar-
beitsverhältnis nachhaltig zerrüttet
wird (z. B. Diebstahl, schwere Belei-
digung, Handgreiflichkeiten, schwe-
rer Vertrauensbruch, beharrliche Ver-
nachlässigung von Pflichten). Eine
Entlassung hat für den Arbeitnehmer
erhebliche finanzielle Nachteile: Es be-
steht kein Anspruch auf Abfertigung
Alt, und Arbeiter verlieren in der Re-
gel die Sonderzahlungen im laufenden
Kalenderjahr.
Um abzuklären, ob eine Entlassung
zu Recht oder aber zu Unrecht erfolgt
ist, sollten Betroffene am besten Kon-
takt mit den Experten der Arbeits-
rechtlichen Abteilung in der Arbei-
terkammer Tirol aufnehmen. Denn
sowohl Kündigungen, als auch unge-
rechtfertigte Entlassungen können bei
Gericht angefochten werden. In jedem
Fall heißt es aber rasch reagieren, weil
sehr kurze Fristen einzuhalten sind (si-
ehe Beiträge rechts).
<<
Entlassung oder Kündigung:
Gewaltige Unterschiede
Neubeginn.
Meistens sind Kündigungen der Grund für einen Arbeitsplatzwechsel, nicht Entlassungen.
Ihre Telefon-Hotline
B
ei arbeitsrechtlichen Proble-
men wenden sich Mitglieder
am besten möglichst rasch an die
erfahrenen Juristinnen und Ju-
risten der AK Tirol. Bei ihnen fin-
den auch Sie Beratung und Hilfe,
kompetent und unbürokratisch.
Dies ist gerade in brenzligen Situ-
ationen besonders wichtig, wenn
es etwa darum geht, Fristen nicht
zu versäumen. Die Arbeitsrechts-
experten sind telefonisch er-
reichbar unter der Gratis-Hotline
0800/22 55 22 – 1414.
E
ine Entlassung kann binnen
14 Tagen ab Ausspruch bei
Gericht angefochten werden, eine
Kündigung innerhalb der selben
Frist ab Erhalt. Gewinnt man die-
sen Anfechtungsprozess, wird
man wieder eingestellt, und der Ar-
beitgeber muss das Entgelt nach-
bezahlen. Anfechtungen von Kündi-
gungen sind möglich wegen eines
unzulässigen („verpönten“) Motivs,
wie Beitritt zur Gewerkschaft, oder
weil eine Abgeltung für Überstun-
den eingefordert wurde, oder aber
wegen Sozialwidrigkeit, wenn we-
sentliche Interessen des Arbeit-
nehmers beeinträchtigt werden.
DAS ZÄHLT JETZT
GUT ZU WISSEN
Zu Recht oder
zu Unrecht
Betroffenen
bleiben 14 Tage
G
egen eine ungerechtfertigte
Entlassung, bei der zugleich
ein verpöntes Motiv oder eine
Sozialwidrigkeit vorliegt, kann bin-
nen 14 Tagen ab Ausspruch eine
Anfechtungsklage bei Gericht
eingebracht werden, die auf die
Aufrechterhaltung des Arbeits-
verhältnisses abzielt. Besteht ein
besonderer Kündigungsschutz (z.
B. bei Schwangeren und Müttern),
kann eine Feststellungsklage auf
aufrechten Bestand des Arbeits-
verhältnisses eingebracht werden.
Bestehen diese Möglichkeiten
nicht, so steht bei einer unge-
rechtfertigten Entlassung die Kün-
digungsentschädigung zu. Das
heißt, man wird vermögensmäßig
einer ordnungsgemäßen Arbeit-
geber-Kündigung
gleichgestellt
und erhält Entgelt für die Kündi-
gungsfrist, Abfertigung Alt und an-
teilige Sonderzahlungen.
Foto:ArTo/Fotolia.com
THEMA:
ARBEIT & RECHT
Nr. 61, März 2014
INFORMIERT
Ihre Rechte
im Überblick
G
erechtigkeit muss sein, vor
allem auch am Arbeitsplatz:
Doch die Realität sieht leider oft
ganz anders aus. Damit Beschäf-
tigte Bescheid wissen und nach-
lesen können, was erlaubt ist,
und wo sie aufpassen müssen,
gibts die AK Broschüre „Arbeits-
recht griffbereit“. Darin finden
Arbeitnehmer das Wichtigste
zu Arbeitsvertrag, Dienstzettel,
Urlaubsrecht,
Krankenstand,
geringfügiger Beschäftigung, Ab-
fertigung, Betriebsübergang, Pfle-
gefreistellung, Kündigung oder
Entlassung. AK Mitglieder können
die handliche Broschüre einfach
herunterladen auf
com oder kostenlos anfordern
unter 0800/22 55 22 – 1432.
Denn nur wer sein Recht kennt,
kann es auch durchsetzen!
Foto:GinaSanders/Fotolia.com
weil sich vorenthaltene Einkommen auch
auf die Höhe von Pension, Kranken- und
Arbeitslosengeld auswirken.“
Tatsache ist, dass mehr als die Hälfte aller
Beratungen in der AK und fast drei Viertel
der Vertretungen Fragen zu vorenthaltenem
Entgelt betreffen, vor allem in Baubranche,
Gastgewerbe, Handel, Güterbeförderung,
Metallbranche und bei Arbeitskräfteüber-
lassern.
„Nur haben solche Verstöße derzeit kaum
Konsequenzen“, kritisiert Zangerl. „Das
Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungs-
gesetz wirkt offenbar zu wenig. Deshalb
fordern wir Sanktionen, die über das Nach-
zahlen offener Ansprüche hinausgehen und
direkt den übervorteilten Mitarbeitern zu
Gute kommen, etwa nach dem Vorbild des
Strafaufschlags in der Sozialversicherung.
Außerdem verlangen wir die Abschaffung
der kurzen Verfallsfristen. Derzeit verlieren
Beschäftigte Geld, obwohl ihnen die AK zu
ihrem Recht verhilft!“
<<
Foto:DrubigPhoto/Fotolia.com
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