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Wahlen
Österreich und Deutschland wählten: die Krise spielte kaum eine Rolle
ZEITLEISTE
Mag. Armin Erger/ MMag. Peter Hilpold (Teil Italien)
Erneut standen in den letzten Monaten wichtige wirt-
schaftspolitische Entscheidungen an: auf der euro-
päischen Ebene am wichtigsten waren die deutschen
Bundestagswahlen. Der deutliche Wahlsieg von An-
gela Merkel bestätigte ihren zurückhaltenden, Kriti-
ker meinen, zu schüchternen, Kurs in der Handha-
bung der Eurokrise.
Auch in Österreich blieben SPÖ und ÖVP die beiden
stimmenstärksten Parteien und werden wohl auch
die neue Regierung bilden, allerdings erlitten bei-
de Parteien Stimmverluste. Auffällig an beiden, den
österreichischen und den deutschen Wahlen: über
platte Emotionalisierungen hinaus spielte die Krise
der europäischen Gemeinschaftswährung Euro als
Wahlkampfthema kaum eine Rolle.
In den USA zeigte sich einmal mehr die zunehmende
Dysfunktionalität des bestehenden politischen Sys-
tems. Getrieben durch radikale Gegner von Steuern
und Zentralregierung in der republikanischen Partei
steuerten die USA in einen „Government Shutdown“,
d.h. eine Stilllegung nicht-essenzieller Funktionen,
da das Budgetgesetz nicht rechtzeitig beschlos-
sen werden konnte. Dramatischer noch wären die
Folgen gewesen, wenn es nicht zu einer Einigung
über die Anhebung der Schuldenobergrenze in den
USA käme. Die amerikanische Regierung hätte ihre
Schulden nicht mehr bezahlen können – ein Ereig-
nis mit globalen Folgen. Besorgniserregend ist die
zunehmende Frequenz und Härte der politischen
Auseinandersetzungen in den USA. Das Land ist
polarisiert und gerät mehr und mehr in die politische
Selbstblockade.
Europa ist weitgehend mit sich selbst beschäftigt.
Institutionelle Reformen des Euroraums, wie etwa
die Errichtung der Bankenunion, machen zwar Fort-
schritte, allerdings nur in glazialer Geschwindigkeit.
Italien geriet nach einer äußerst schwierigen Regie-
rungsbildung durch unverantwortlich zu nennendes
Handeln von Silvio Berlusconi in eine tiefe Krise, bei
der der Zerfall der Regierungsmannschaft von Mi-
nisterpräsident Letta nur knapp abgewendet werden
konnte. Erneut zeigte sich, angesichts der Nervosität
mit der die Regierungskrise und ihre möglichen wirt-
schaftlichen Auswirkungen beobachtet wurden, dass
Innenpolitik immer auch Europa- und Europolitik ist.