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Wahl zum Europa-Parlament 2014 –
Jean Claude Juncker und die neue
Kommission
Von 22. – 25.Mai wählten die EU-Bürgerinnen und
Bürger das neue Europäische Parlament für die
nächsten fünf Jahre. Erstmals traten bei dieser Wahl
gesamteuropäische Spitzenkandidaten an. Auslöser
war der Sozialdemokrat Martin Schulz, bisheriger
Parlamentspräsident, der ankündigte, den Anspruch
auf das Amt des Kommissionspräsidenten zu erhe-
ben, sollte die sozialdemokratische Fraktion stärkste
Kraft im Europaparlament werden. Als Reaktion auf
diese Idee erklärte die Europäische Volkspartei den
luxemburgischen Premierminister a.D. Jean Claude
Juncker zu ihrem „Spitzenkandidaten“, eine auch in-
tern umstrittene Entscheidung. Liberale, Grüne und
Linke im europäischen Parlament zogen nach, ein
gemeinsamer Kandidat der rechten Parteien bzw.
EU-Gegner stand aufgrund der Heterogenität und
nationalen Ausrichtung der Parteien nicht zur Debat-
te.
Die Wahlberechtigten hatten dadurch die Möglich-
keit, die Ernennung des nächsten Kommissionsprä-
sidenten durch ihr Votum direkt zu be-
einflussen. Gleichzeitig wurde so das
Parlament gestärkt und die Staats- und
Regierungschefs in ihrer Macht politisch
beschnitten.
Für den Europäischen Rat besteht seit
dem Inkrafttreten des Vertrages von
Lissabon (2010) die Verpflichtung, das
Wahlergebnis bei der Nominierung des
Kommissionspräsidenten zu berück-
sichtigen. Tatsächlich wurde dann Jean
Claude Juncker (als Spitzenkandidat
der stärksten Fraktion) dem Parlament
vorgeschlagen (gegen den Widerstand
des Vereinigten Königreichs und Un-
garns) und von diesem am 15.07.2014
bestätigt. Martin Schulz wurde erneut
zum Präsidenten des Europa-Parla-
ments gewählt.
Unklarheiten gab es anfangs bei der
Bildung der Kommission, da die vorge-
schlagenen Kandidaten der Mitglied-
staaten zu einem Großteil Männer (22
von 27) waren, Juncker jedoch mehr-
fach deutlich gemacht hatte, dass er
einen höheren Anteil von Frauen in der
Kommission anstrebe. Auch das Europäische Parla-
ment drohte, bei einem geringeren Frauenanteil als
in der scheidenden Kommission, die Zustimmung zur
neuen Kommission zu verweigern. Inzwischen liegen
jedoch Nominierungen von neun Frauen vor, sodass
dieses Problem gelöst zu sein scheint.
Insgesamt hat der neue Präsident die Kommission
neu strukturiert, vor allem im Bereich der Aufgaben-
verteilung. So sollen die sieben Vize-Präsidenten als
Koordinatoren für bestimmte übergeordnete The-
menbereiche fungieren und gewisse Kernprojekte,
wie den Aufbau der Energieunion und des „digitalen
Binnenmarktes“, die Stärkung der Wirtschafts- und
Währungsunion oder die Umsetzung des 300-Milli-
arden-Euro Investitionspaketes, vorantreiben. Je-
der der übrigen Kommissare ist thematisch einem
Vizepräsidenten/einer Vizepräsidentin zugeordnet,
sodass sich Projektteams unter den Kommissaren
bilden. Dies soll eine bessere Vernetzung der einzel-
nen Politikbereiche bringen und „Schubladendenken
und statische Strukturen“ in der EU-Kommission auf-
brechen.
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Der österreichische Kommissar Johannes
Hahn wird in der nächsten Funktionsperiode den
Themenbereich „Nachbarschaftspolitik und Erweite-
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European Commission (10. September 2014)
Jean-Claude Juncker, der gewählte Präsident der EU-Kommission, zeigt
deutlich an, in welche Richtung er die neue Kommission bringen möchte.
cc junckerepp