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Wachstumspakt (in diesem werden Maastricht-Krite-
rien, auch Konvergenzkriterien genannt, festgelegt:
max. -3% Defizit und ein Schuldenstand von max.
60% des BIP) von 2005, wurden länderspezifische
„Medium-Term Objectives“ (MTO: mittelfristige Bud-
getziele) formuliert, die auf das strukturelle Defizit
Bezug nehmen, ohne allerdings Vorgaben zur Be-
rechnung zu machen. Mittels des „Sixpack“ und des
„Twopacks“, zweier Verordnungspakete der EU zur
Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes,
wurde die Bedeutung der MTOs nochmals größer.
Für Österreich wurde als Zielgröße ein strukturelles
Defizit von maximal 0,45% des BIP bestimmt. Das
Ziel soll bis 2016 erreicht werden, 2014 und 2015
sind strukturelle Defizite von 1,0% bzw. 0,9% ange-
peilt.
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Berechnung des strukturellen Defizits
Die Berechnung des strukturellen
Defizits erfolgt auf Basis dreier öko-
nomischer Konzepte: Trend-Output,
Output-Lücke und Budgetsensitivität.
Der Trend-Output ist jener Output, den
eine Volkswirtschaft bei normaler bzw.
durchschnittlicher Auslastungen der In-
putfaktoren (Kapital und Arbeit) erreicht.
Über die lange Frist sind Trend-Output
und das tatsächliche BIP identisch.
In der kurzen Frist treten jedoch Unter-
schiede zwischen tatsächlichem BIP
und dem Trend-Output auf. Diese wer-
den als Output-Lücke bezeichnet, die
als Gradmesser für die Über- oder Un-
terauslastung der Produktionsfaktoren
gesehen werden kann.
Mit Budgetsensitivität wird die „Konjunkturempfind-
lichkeit“ der öffentlichen Einnahmen und Ausgaben
bezeichnet. Kurz gesagt, wird damit ausgedrückt, um
wie viele Prozentpunkte sich der Budgetsaldo verän-
dert, wenn sich die Output-Lücke um einen Prozent-
punkt verändert.
Für Österreich wurde beispielsweise ein Wert von
0,49 berechnet. Demnach verbessert sich der ös-
terreichische Budgetsaldo um 0,49 Prozentpunkte,
wenn die Output-Lücke um 1 Prozentpunkt steigt.
Der Durchschnitt der Euro-Länder liegt bei einem
Wert von 0,48, der Durchschnitt aller EU-Länder bei
0,44.
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Das strukturelle Defizit kann nun berechnet werden,
wenn die Budgetsensitivität zur Output-Lücke in Be-
ziehung gesetzt wird und vom nominellen Budgetsal-
do abgezogen wird.
Empirisch zeigt sich, dass das nominale Defizit (d.h.
das unbereinigte) und das strukturelle Defizit in Ös-
terreich nahe beieinander liegen. Die zyklische Kom-
ponente des österreichischen Budgetsaldos ist also
vergleichsweise klein. Das WIFO weist allerdings da-
rauf hin, dass die Europäische Kommission bei ihrem
Berechnungsverfahren keine Rückkoppelungseffek-
te zwischen der Output-Lücke und dem Budgetsal-
do berücksichtigt. Langfristig würde die Konjunktur
durch Rückkoppelungseffekte aber einen sehr viel
größeren Effekt auf den Budgetsaldo ausüben, als
dies in der kurzen Frist der Fall wäre. Um diesen
Effekten Rechnung zu tragen, empfiehlt das WIFO,
einen „ausreichenden Abstand“ zum Konvergenzkri-
terium von 3% (nominalen) Budgetdefizit nach Maas-
tricht zu wahren.
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Fazit
Hinter Trend-Output, Output-Lücke und Budgetsensi-
tivität stehen komplexe Berechnungswege. Je nach
Art des gewählten Ansatzes, können sich die Ergeb-
nisse deutlich unterscheiden.
Als volkswirtschaftliche Zielgröße macht das struk-
turelle Defizit durchaus Sinn, ist aber politisch nur
schwer vermittelbar. Das Herausrechnen etwa der
Milliardenbeträge für die Rettung der Hypo-Alpe-Ad-
ria aus dem Budgetdefizit erweckt den Eindruck von
„Schönrechnerei“, folgt aber der Logik des strukturel-
len Defizits.
2
vgl. Budgetdienst des Parlaments (2014), S. 1
3
WIFO (2013), S. 746f
4
vgl. ebda. S. 749
cc Angel Apellido