Seite 38 WISO
Progressionsvorbehalt
Arbeitslosenunterstützung und Einkommenssteuer
WISO TAX - Begriffe aus der Steuer erklärt
Mag. Gerhard Auer
Wenn Steuerpflichtige nicht das ganze Jahr hindurch
Erwerbs- oder Pensionseinkommen beziehen, erhal-
ten sie im Wege der Steuererklärung einen Großteil
der während des Jahres einbehaltenen Lohnsteuer
vom Finanzamt zurück.
Klassische Fälle hierbei sind beispielsweise der
erstmalige Arbeitsbeginn nach einer Ausbildung, die
Unterbrechung einer Beschäftigung aufgrund der
Geburt eines Kindes oder das Ende der Pensions-
zahlungen aufgrund Ablebens. Die Gutschrift seitens
des Finanzamtes ist dabei am höchsten, wenn im
betreffenden Jahr die Anzahl der Monate der Ein-
kommenserzielung in etwa gleich hoch sind wie die
Anzahl der Monate ohne Einkommen, wenn also die
„Schnittlinie“ (Arbeitsbeginn, Tod etc.) in etwa in der
Mitte des Jahres liegt. Der Grund dafür ist, dass es
bei Anwendung des Jahrestarifes aufgrund der ein-
kommenslosen Monate zu einer starken Progressi-
onsmilderung im Verhältnis zum monatlichen Lohn-
steuerabzug kommt.
Das Gros der Steuerpflichtigen rechnet nun auch mit
einer hohen Steuergutschrift, wenn sie während des
Jahres nach Erwerbseinkommen auch Arbeitslosen-
geld erhalten haben, da ja Arbeitslosenunterstützung
wie auch die Notstandshilfe (gemäß § 3 Abs.1 Z 5a
EStG) von der Einkommensteuer befreit sind. Man
könnte nun auf den ersten Blick annehmen, dass
diese Zeiten der Nichterwerbstätigkeit wie einkom-
menslose Zeiten behandelt werden. Dies war aber
nur bis zum Jahr 1987 so (bei Bildungskarenzgeld
bis 2012), nunmehr werden diese öffentlichen Un-
terstützungsgelder im Zuge der Steuerberechnung
mitberücksichtigt und annullieren den oben beschrie-
benen positiven Einfluss auf das steuerliche Jahres-
ergebnis. Mitunter liefert daher ein entsprechender
Einkommensteuerbescheid für den Steuerpflichtigen
ein enttäuschendes Ergebnis, wenn keine Steuergut-
schrift errechnet wird.
Würden diese Transferleistungen im Zuge der Arbeit-
nehmerveranlagung völlig ausgeklammert werden,
käme es zum Teil zu beachtlichen Steuergutschrif-
ten. Insbesondere Saisonarbeiter (beispielsweise im
Gastgewerbe und in der Bauwirtschaft) würden jedes
Jahr vom Finanzamt eine erkleckliche Gutschrift er-
warten können. Daher hat der Gesetzgeber bereits
im Jahre 1987 in § 3 Abs. 2 EStG die sogenannte
„Hochrechnung“ verankert, wonach für die Zeit der
Bezuges von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe oder
Bildungskarenzgeld (bei Mutterschaftskarenz erfolgt
keine Hochrechnung!) unterstellt wird, dass das üb-
rige Einkommen in durchschnittlicher Höhe weiter-
verdient wird - es erfolgt also keine Progressions-
milderung in der Jahresbetrachtung. Dadurch wird
verhindert, dass Bezieherinnen und Bezieher von
öffentlichen Transferleistungen aufgrund der Steuer-
gutschriften zu einem höheren Jahresnettoverdienst
kommen würden als ganzjährig Beschäftigte mit glei-
chem Bruttobezug.
Um dies sicherzustellen, muss das Finanzamt zwei
Rechenvorgänge anstellen, wobei für die Steuer-
pflichtige bzw. den Steuerpflichtigen das günstige-
re Ergebnis Gültigkeit hat, die jedoch aufgrund der
Komplexität auf dem Steuerbescheid relativ schwie-
rig nachzuvollziehen sind: In einem Rechenschritt
werde steuerpflichtige Lohnbezüge für die Dauer des
Bezuges von Transferleistungen auf fiktive Jahres-
einkünfte hochgerechnet. Einkünfte aus Kapitalver-
mögen, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung,
ganzjährig zugeflossene Einkünfte sowie Zusatzein-
künfte während des Bezuges der Transferleistung
(z.B. eine geringfügige Beschäftigung während Ar-
beitslosengeldbezug oder während Bildungskarenz)
werden nicht auf einen Jahresbetrag hochgerechnet.
Der durchschnittlich errechnete Prozentsatz des –
hochgerechneten – Jahreseinkommens wird dann
auf das tatsächlich erzielte Beschäftigungseinkom-
mens angewandt. Dadurch kommt es zu keiner sys-
temimmanenten Gutschrift. In einem anderen – zwei-
ten – Rechenschritt werden anhand der sogenannten
Kontrollrechnung die konkret erzielten steuerpflichti-
gen Bezüge mit dem konkreten Transferbezug (z.B.