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Verteilung in der historischen Perspektive
Was sind die Aussagen Pikettys? Ausgehend von-
Zeitreihen, die sich aus einer Vielzahl von histori-
schen Quellen, wie Steuerdaten und Aufzeichnun-
gen über Erbschaften speisen, attestiert Piketty, dass
sich Einkommen und Vermögen im Laufe des 21.
Jahrhunderts noch stärker konzentrieren könnten.
Die Ungleichheit in der Vermögensverteilung könnte
auf ein Niveau zusteuern, wie es in Europa und den
USA im 19. Jahrhundert bis zum Ausbruch des Ers-
ten Weltkrieges geherrscht hatte.
Piketty sieht eine „fundamentale Kraft der Diver-
genz“ am Werk, welche starken Druck hin zu einer
immer stärkeren Konzentration der Vermögenswerte
ausübt.
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Diese „fundamentale Kraft“ in Richtung zu-
nehmender Ungleichheit lässt sich auf die Formel r
> g bringen. „r“ steht dabei für die durchschnittliche
jährliche Kapitalrendite (Profite, Dividenden, Zin-
sen, Mieteinnahmen, usw.) und „g“ für die jährliche
Wachstumsrate der Wirtschaft.
Die Formel sagt aus, dass im historischen Vergleich
die Renditen für Kapitalwerte, so gut wie immer über
der allgemeinen Wachstumsrate der Volkswirtschaf-
ten lagen. Das brachte mit sich, dass die Besitzerin-
nen und Besitzer von Kapital mit der Zeit ständig grö-
ßer werdende Vermögen an sich ziehen konnten und
ererbte und veranlagte Vermögen stärker wuchsen
als die Einkommen aus Arbeit bzw. stärker als der
gesamte Output der Volkswirtschaft.
Wie sich eine Gesellschaft die eine solche Entwick-
lung lange durchlaufen hat, aus der Perspektive der
Vermögensverteilung präsentiert, zeigten, laut Piket-
ty, die europäischen Staaten vor dem Ausbruch des
Ersten Weltkrieges (und mit Einschränkungen die
Vereinigten Staaten). Etwa 90% der aggregierten
Vermögen befanden sich in den Händen der reichs-
ten 10% der Gesellschaft. Das reichste Prozent (Top
1%) vereinigte 60% des gesamten aggregierten Ver-
mögens auf sich.
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Der Nährboden für diese extreme
Ungleichverteilung war eine lange Periode sehr ge-
ringen Wirtschaftswachstums und äußerst stabiler
monetärer Bedingungen.
Aus einem Zustand fast völliger Stagnation - von
1700 bis 1820 betrug das durchschnittliche jähr-
liche Wirtschaftswachstum nur 0,1% - zog das
Wirtschaftswachstum zwar bedingt durch die groß-
flächige Durchsetzung der technologischen Errun-
genschaften der Industriellen Revolution an, erreich-
te aber auch für die Jahre von 1820 bis 1913 nur
einen Durchschnittswert von 0,9%.
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Kennzeichnend
für die genannten Zeitperioden war die ausgeprägte
Preisstabilität - Piketty schätzt die jährlichen durch-
schnittlichen Inflationsraten für den Zeitraum 1700
– 1913 auf maximal 0,2 – 0,3% ein – was Vermö-
gensverluste durch Inflation daher weitgehend aus-
schloss.
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In der Tat türmten sich die privaten Vermögen mit der
Zeit immer mehr auf, um zum Ausbruch des Ersten
Weltkrieges das jährlichen Nationalprodukt (Daten
für Deutschland, Frankreich, Großbritannien) um das
6-7fache zu übertreffen. Durch die katastrophalen
Ereignisse der Weltwirtschaftskrise und der beiden
Weltkriege wurde dieses Muster zunehmender pri-
vater Vermögensakkumulation jedoch durchbrochen.
Zum Ende des Zweiten Weltkrieges waren die priva-
ten Vermögen im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung
auf 150-300% gesunken.
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Der Rückgang der Privat-
vermögen war direkten Kriegsschäden, dem Ausfall
von Investitionen, aber auch stärkeren Preis- und
Kapitalkontrollen (z.B. bei Mieten) in der Nachkriegs-
zeit geschuldet. Das Auftreten hoher Inflation, v.a.
während der Weltwirtschaftskrise in der Zwischen-
kriegszeit, aber auch nach dem Ende des Zweiten
Weltkrieges, sorgte für eine weitgehende Dämpfung
von Vermögenskonzentrationen.
cc Armin Erger
Doppelt so dick wie Harry Potter: Thomas Pikettys „Capital
in the 21st Centruy“. Weggezaubert kann die zunehmend
Ungleichverteilung allerdings nicht so einfach werden.
2
Piketty (2014 I), S. 25
3
vgl. Piketty (2014 II), Folie 18
4
vgl. Piketty (2014 I), S. 93
5
vgl. ebda. S. 103
6
vgl. ebda. S. 26