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WISO WESHALB
Mag. Armin Erger
Das Comeback der
großen Vermögen
Es ist ein unwahrscheinlicher Bestseller: ein volks-
wirtschaftliches Buch, knapp 700 Seiten stark, über-
sät mit eher unansehnlich Graphiken und Tabellen
und mit einem Preis von € 30 für die gebundene Aus-
gabe auch nicht gerade billig. Und trotzdem: Im April
2014 erreichte „Capital in the Twenty-First Century“
des französischen Ökonomen Thomas Piketty den
ersten Rang in den Amazon-Verkaufscharts.
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Thomas Piketty, der an der Paris School of Econo-
mics Volkswirtschaft lehrt, war bislang eher einem
eingeschränkten Kreis von Expertinnen und Experten
für seine Forschungen zur globalen Vermögensver-
teilung ein Begriff. Zusammen mit Forschungspart-
nern baute er die „World Top Incomes Data Base“ auf
und publizierte Artikel zur historischen Entwicklung
von Einkommen und Vermögen.
„Capital in the Twenty-First Century“ fasst Pikettys
langjährige Forschungen zusammen und stellt die
Entwicklung der Verteilung und Konzentration von
Einkommen und Vermögen im historischen Zusam-
menhang dar. Warum aber schlug das Buch der-
maßen ein? Es war wohl das richtige Thema zum
richtigen Zeitpunkt. In den letzten Jahren rückten,
ausgelöst durch die Finanz- und Wirtschaftskrise seit
2009, Verteilungsfragen politisch in den Vordergrund.
Nicht nur in Europa, sondern auch in den USA, wo
nicht zuletzt Barack Obama im Präsidentschaftswahl-
kampf 2012 die zunehmende Ungleichverteilung als
die zentrale Herausforderung für Amerika charakte-
risierte. Die Occupy-Bewegung, die mit ihrer Kapita-
lismus- und Systemkritik weltweite Resonanze fand,
popularisierte mit ihrem „Wir sind die 99%“-Slogan
die Verteilungsproblematik. Auch Österreich erlebte
während des Nationalratswahlkampfes 2013 hitzige
Debatten zur Besteuerung von Vermögen („Millio-
närssteuer“) bzw. hohen Einkommen, das Unbeha-
gen mit der Vermögensverteilung wurde dabei immer
implizit mitvermittelt.
cc Cedric Ramirez
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Eine deutsche Übersetzung des Buches ist für den Herbst 2014 angekündigt.