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Seite 58 WISO

Angesichts solcher Entwicklungen wird die Popula-

rität des Onlinehandels verstärkt kritisch betrachtet.

Kritiker sehen durch die Konkurrenz des Internets

die Existenz des stationären Einzelhandels und da-

mit tausender Arbeitsplätze gefährdet. Trotz ständig

wachsender Popularität des Einkaufens per Maus-

klick trifft diese These in Österreich allerdings nicht

zu. Insgesamt hat sich in Österreich im Jahr 2013 der

Personalstock im Einzelhandel (inklusive nicht-statio-

närer Handel) auf circa 325.000 erhöht. Im Vergleich

zum Vorjahr ist das ein Plus von 1.7%. Die Anzahl

der unselbstständig Beschäftigten im Einzelhandel

ist im ersten Halbjahr 2014 prozentuell sogar stär-

ker angestiegen als in der Gesamtwirtschaft (+1%).

Tirol verzeichnete im selben Zeitraum ebenfalls ein

Beschäftigungsplus von 2.2%. Es ist jedoch anzu-

merken, dass der Großteil der im österreichischen

Einzelhandel angestellten Mitarbeiter nicht Vollzeit

arbeitet – 46% arbeiten Teilzeit, 12% sind gar nur

geringfügig beschäftigt.

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Die Zahl der im Versand- und Interneteinzelhandel

tätigen Personen verzeichnet sowohl für Gesamt-

Österreich als auch für Tirol einen stetigen Anstieg.

In Tirol waren im Jahr 2013 insgesamt 190 Personen

(73 Männer und 117 Frauen) im Versand- und Inter-

neteinzelhandel beschäftigt. Im August 2014 waren

es bereits 234 (89 Männer und 145 Frauen). Dersel-

be Trend lässt sich auch auf Österreich umwälzen.

Seit 2008 (1.385 Angestellte) wuchs in dieser Bran-

che die Zahl der unselbstständig Beschäftigten bis

August 2014 auf 2.929.

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Obwohl der Onlinehandel seinen oft unterstellten Ruf

der Arbeitsplatzvernichtung im Einzelhandel wohl

nicht so leicht abschütteln kann, bringt die Branche

zweifelsohne auch arbeitsmarktstimulierende Effek-

te mit sich. Die Ausdehnung der Internetpräsenz von

Handelsfirmen bietet oft ausgezeichnete Arbeits-

chancen für gut ausgebildete Programmierer oder IT-

Spezialisten. Die Logistikbranche und Zustellfirmen

profitieren enorm vom Boom des Onlinehandels.

Diese Entwicklung könnte allerdings zum Nachteil

eher gering qualifizierter Handelsangestellte sein,

die wohl immer mehr um ihre Arbeitsplätze fürchten.

Insofern wird der Onlinehandel womöglich zu einer

verstärkten Verschiebung von Arbeitsplätzen führen

– sowohl mit Gewinnern als auch Verlieren.

Der wirtschaftliche Erfolg hat aber oft auch seinen

Preis. Immer wieder geraten große Onlinefirmen wie

Amazon und Zalando aufgrund rechtswidriger Ar-

beitsbedingungen und der fragwürdigen Unterbrin-

gung von ausländischen Leiharbeitern ins Kreuzfeu-

er der Kritik. Auch mit Vorwürfen von Lohndumping

werden große Onlinefirmen zusehends konfrontiert.

Seit Jahren liegen Gewerkschaften mit Amazon im

Clinch, da das Unternehmen eine Bezahlung nach

den Tarifen des Einzel-und Versandhandels strikt

ablehnt. Von Seiten Amazons heißt es, das Unter-

nehmen sei ein Logistikunternehmen und versucht

damit, die vorherrschende niedrigere Bezahlung

gemäß dieser Branche zu rechtfertigen. Ein Einlen-

ken des Konzerns konnten vorerst auch zahlreiche

Streiks in deutschen Verteilerzentren nicht bewirken.

Fazit

Während sich der Verbraucher an den Vorteilen der

neuen Einkaufsmöglichkeiten erfreut, bietet der On-

linehandel aus unternehmerischer Sicht auch Chan-

cen zur Etablierung eines neuen und nachhaltigen

Geschäftsmodelles. Obwohl dieser Trend in Zeiten

der digitalisierten Gesellschaft immer mehr an Be-

deutung gewinnt, bleiben die Kehrseiten der neuen

Einkaufswelt jedoch meistens im Verborgenen. Fra-

gen der Einhaltung sozialer Standards in den logis-

tischen Verteilerzentren sowie einer nachhaltigen

und ressourcenschonenden Gesamtwertschöpfung

bleiben dem Endverbraucher eher unbeantwortet.

Ausschlaggebend für die zukünftige Entwicklung des

Onlinehandels ist letzten Endes aber ohnehin der

Konsument mit seinen Kaufentscheidungen.

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https://www.wko.at/Content.Node/iv/presse/wkoe_presse/presseaussendungen/Konjunktur_im_Einzelhandel_HJI_2014_WK.PDF

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BALIweb Abfrage für die entsprechenden Zeiträume für Tirol und Österreich