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Angesichts solcher Entwicklungen wird die Popula-
rität des Onlinehandels verstärkt kritisch betrachtet.
Kritiker sehen durch die Konkurrenz des Internets
die Existenz des stationären Einzelhandels und da-
mit tausender Arbeitsplätze gefährdet. Trotz ständig
wachsender Popularität des Einkaufens per Maus-
klick trifft diese These in Österreich allerdings nicht
zu. Insgesamt hat sich in Österreich im Jahr 2013 der
Personalstock im Einzelhandel (inklusive nicht-statio-
närer Handel) auf circa 325.000 erhöht. Im Vergleich
zum Vorjahr ist das ein Plus von 1.7%. Die Anzahl
der unselbstständig Beschäftigten im Einzelhandel
ist im ersten Halbjahr 2014 prozentuell sogar stär-
ker angestiegen als in der Gesamtwirtschaft (+1%).
Tirol verzeichnete im selben Zeitraum ebenfalls ein
Beschäftigungsplus von 2.2%. Es ist jedoch anzu-
merken, dass der Großteil der im österreichischen
Einzelhandel angestellten Mitarbeiter nicht Vollzeit
arbeitet – 46% arbeiten Teilzeit, 12% sind gar nur
geringfügig beschäftigt.
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Die Zahl der im Versand- und Interneteinzelhandel
tätigen Personen verzeichnet sowohl für Gesamt-
Österreich als auch für Tirol einen stetigen Anstieg.
In Tirol waren im Jahr 2013 insgesamt 190 Personen
(73 Männer und 117 Frauen) im Versand- und Inter-
neteinzelhandel beschäftigt. Im August 2014 waren
es bereits 234 (89 Männer und 145 Frauen). Dersel-
be Trend lässt sich auch auf Österreich umwälzen.
Seit 2008 (1.385 Angestellte) wuchs in dieser Bran-
che die Zahl der unselbstständig Beschäftigten bis
August 2014 auf 2.929.
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Obwohl der Onlinehandel seinen oft unterstellten Ruf
der Arbeitsplatzvernichtung im Einzelhandel wohl
nicht so leicht abschütteln kann, bringt die Branche
zweifelsohne auch arbeitsmarktstimulierende Effek-
te mit sich. Die Ausdehnung der Internetpräsenz von
Handelsfirmen bietet oft ausgezeichnete Arbeits-
chancen für gut ausgebildete Programmierer oder IT-
Spezialisten. Die Logistikbranche und Zustellfirmen
profitieren enorm vom Boom des Onlinehandels.
Diese Entwicklung könnte allerdings zum Nachteil
eher gering qualifizierter Handelsangestellte sein,
die wohl immer mehr um ihre Arbeitsplätze fürchten.
Insofern wird der Onlinehandel womöglich zu einer
verstärkten Verschiebung von Arbeitsplätzen führen
– sowohl mit Gewinnern als auch Verlieren.
Der wirtschaftliche Erfolg hat aber oft auch seinen
Preis. Immer wieder geraten große Onlinefirmen wie
Amazon und Zalando aufgrund rechtswidriger Ar-
beitsbedingungen und der fragwürdigen Unterbrin-
gung von ausländischen Leiharbeitern ins Kreuzfeu-
er der Kritik. Auch mit Vorwürfen von Lohndumping
werden große Onlinefirmen zusehends konfrontiert.
Seit Jahren liegen Gewerkschaften mit Amazon im
Clinch, da das Unternehmen eine Bezahlung nach
den Tarifen des Einzel-und Versandhandels strikt
ablehnt. Von Seiten Amazons heißt es, das Unter-
nehmen sei ein Logistikunternehmen und versucht
damit, die vorherrschende niedrigere Bezahlung
gemäß dieser Branche zu rechtfertigen. Ein Einlen-
ken des Konzerns konnten vorerst auch zahlreiche
Streiks in deutschen Verteilerzentren nicht bewirken.
Fazit
Während sich der Verbraucher an den Vorteilen der
neuen Einkaufsmöglichkeiten erfreut, bietet der On-
linehandel aus unternehmerischer Sicht auch Chan-
cen zur Etablierung eines neuen und nachhaltigen
Geschäftsmodelles. Obwohl dieser Trend in Zeiten
der digitalisierten Gesellschaft immer mehr an Be-
deutung gewinnt, bleiben die Kehrseiten der neuen
Einkaufswelt jedoch meistens im Verborgenen. Fra-
gen der Einhaltung sozialer Standards in den logis-
tischen Verteilerzentren sowie einer nachhaltigen
und ressourcenschonenden Gesamtwertschöpfung
bleiben dem Endverbraucher eher unbeantwortet.
Ausschlaggebend für die zukünftige Entwicklung des
Onlinehandels ist letzten Endes aber ohnehin der
Konsument mit seinen Kaufentscheidungen.
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https://www.wko.at/Content.Node/iv/presse/wkoe_presse/presseaussendungen/Konjunktur_im_Einzelhandel_HJI_2014_WK.PDF20
BALIweb Abfrage für die entsprechenden Zeiträume für Tirol und Österreich