Previous Page  6 / 60 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 6 / 60 Next Page
Page Background

Seite 6 WISO

mit dem Gesamteinkommen im Haushalt gleichge-

setzt werden. Die Gründe für ein Leben in Armut

trotz Berufstätigkeit sind vielfältig. Unsichere und

befristete Beschäftigungsverhältnisse, ein geringes

Bildungsniveau, gesundheitliche oder psychische

Beeinträchtigungen oder einfach nur individuelle

Schicksalsschläge können das Leben von Menschen

völlig unvorhergesehen aus der Bahn werfen.

Gemäß der aktuellen EU-SILC Erhebung gibt es in

Tirol bereits rund 26.800 Personen die man als Wor-

king Poor klassifizieren kann. Dies entspricht in etwa

8,1% aller Erwerbstätigen in Tirol, die somit trotz Er-

werbseinkommen armutsgefährdet sind. Da sich die

Definition von Working Poor auf die Unterschreitung

einer bestimmten Einkommensschwelle bezieht, ist

die Aussagefähigkeit diesbezüglicher Statistiken je-

doch durchaus mit Vorsicht zu genießen.

Ein alleinstehender Student, der sein Einkommen

mit Hilfe eines Wochenendjob aufbessert, mag zwar

der Definition nach als Working Poor gelten. Gleich-

zeitig muss in einer solchen Situation hingegen nicht

zwangsweise eine Armutsgefährdung vorliegen.

Auf der anderen Seite ist es durchaus denkbar, dass

bei gewissen Personengruppen trotz Überschreitung

der für die Klassifizierung von Working Poor vorgese-

henen Einkommensschwelle eine Art Armutsgefähr-

dung vorliegen kann.

Deshalb wird die bloße Einkommensarmut häufig

durch Merkmale der sogenannten finanziellen Depri-

vation ergänzt. Grundsätzlich spricht man von finan-

zieller Deprivation, wenn die verfügbaren Ressour-

cen nicht ausreichen, um den in einer Gesellschaft

üblichen Lebensstandard zu erreichen.

Die Chancen auf eine gesellschaftliche Teilhabe kön-

nen durch einen solchen Umstand beträchtlich ein-

geschränkt werden. Gemäß der aktuellen EU-SILC

Erhebung stellen für etwa 19% der Tiroler Bevölke-

rung unerwartete Ausgaben ein finanzielles Problem

dar. Rund 4% der Tiroler können es sich nicht leisten

neue Kleidung zu kaufen und für über 1% der Tiroler

Bevölkerung sind Heizungskosten nicht finanzierbar.

Die Frage der Erwerbsintensität spielt bei der Be-

stimmung der Working Poor überhaupt eine tragende

Rolle. In den letzten Jahren ist ein immer stärker wer-

dender Anstieg von Teilzeit- oder geringfügiger Arbeit

beobachtbar. Handelt es sich dabei aber um einen

vom Betroffenen gewünschten Zustand oder ist die

niedrige Erwerbsintensität der statistisch erfassten

Working Poor auf die angespannte Arbeitsmarksitua-

tion zurückzuführen?

Die Gruppe der Working Poor ist extrem heterogen:

Arbeitslosigkeit, Krankheit, Schicksalsschläge, Job-

verlust – eine ganze Reihe von Wegen kann in die

Armut führen Um politische Gegenmaßnahmen um-

zusetzen, ist eine möglichst breitgefasste Perspekti-

ve auf das Problem unbedingt erforderlich.

cc Georgie Pauwels