Tiroler Arbeiterzeitung - page 5

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THEMA:
ARBEIT & RECHT
Festgefahren.
Eine Unterführung, die bei der Einfahrt höher als bei der Ausfahrt war, wurde für einen Unterländer
Busfahrer nahezu zum finanziellen Desaster. Der AK Rechtsschutz half dem Chauffeur aus seiner misslichen Lage.
Bus blieb in
Unterführung stecken
INFOABEND AK TELFS
Abfertigung: Umstieg möglich
S
eit 1. Jänner 2003 gilt für alle neu begin-
nenden Arbeitsverhältnisse ausschließlich
das System der „Abfertigung neu“. Für jene zu-
vor läuft die „Abfertigung alt“ unverändert wei-
ter. Es wurde aber die Möglichkeit geschaffen,
vom System „alt“ ins „neue“ umzusteigen – und
zwar noch bis 31. Dezember 2012. Was die Vorteile sind, wie es funkti-
oniert und was zu beachten ist, erfahren Sie beim kostenlosen Infoabend
„Abfertigung“ am
11. Oktober, ab 19.30 Uhr in der AK Telfs
. Anmeldung
unter 0800/22 55 22 – 3850 oder
D
er Unterländer Busfahrer
Bernd war letztes Frühjahr
mit einer Reisegruppe un-
terwegs in Italien. Bei Dunkelheit
fuhr er kurz vor dem Zielhotel in
eine nicht beleuchtete Unterführung
ein. Plötzlich kurz vor Ende der
Durchfahrt ein ohrenbetäubendes
Geräusch und ein abrupter Stopp.
Der Bus steckte fest. Denn die Un-
terführung war niedriger gewor-
den, sie war am Beginn 3,90 Meter
hoch, bei der Ausfahrt allerdings nur
noch 3,20 Meter. Niemand wurde
verletzt, aber der Bus schwer ram-
poniert. Reparaturkosten mehr als
140.000 Euro.
Versicherung klagte.
Der
Chef von Bernd war froh, dass es kei-
ne Verletzten gab. Die Kaskoversi-
cherung des Unternehmers bezahlte
einen Großteil des Schadens am Bus,
den Differenzbetrag von immerhin
26.000 Euro bezahlte Bernds Chef.
Bernd war froh, dass alles so
glimpflich abgelaufen war und vor
allem, dass sein Chef so großes Ver-
ständnis zeigte und auch keinerlei
Schadenersatzansprüche stellte.
Aber dann der Schock: Jetzt wur-
de die Versicherung tätig. Sie ver-
langte 37.500 Euro von Bernd! Be-
gründung: Er hätte den Unfall grob
fahrlässig verursacht und damit sei
Schock.
Nach hohem
Sachschaden am Bus
zeigte Chef Verständnis,
aber die Versicherung
verklagte den Fahrer
auf 37.500 Euro.
Haltlose
Hypo-Klage
AK half.
Existenzbedrohende Klage gegen frühere Mitarbeiter.
D
ie Tiroler Landesbank Hypo
Tirol AG ist mit einer exi-
stenzbedrohenden
Klage
auf knapp 144.000 Euro gegen zwei
frühere Mitarbeiter vorgegangen.
Diese Summe würde sich aus einem
„Vorfälligkeitsschaden“ ergeben, da
ein Kunde frühzeitig aus einem Ge-
schäft ausgestiegen sei. Völlig grund-
los, wie sich knapp nach Beginn des
über den AK-Rechtsschutz geführten
Gerichtsverfahrens herausgestellt hat.
Im Verfahren konnte nachgewiesen
werden, dass sich die Hypo wegen
eines Anspruchs bei den Mitarbeitern
schadlos halten wollte, auf den sie
ein Jahr vorher für den Erhalt einer
durchaus lukrativen Gegenleistung
verzichtet hatte. Daraufhin zog die
Hypo die Klage zurück und bezahlte
die gesamten bisherigen Prozessko-
sten. AK Präsident Zangerl: „Ich
fordere die Hypo-Führung auf, derar-
tige Schikanen gegen Mitarbeiter zu
unterlassen. Die Milliardenflops der
Hypo dürfen nicht auf dem Rücken
der Beschäftigten ausgetragen wer-
den. Wir werden den Hypo-Mitar-
beitern mit Rat und Recht zur Seite
stehen.“
<<
Mehr Rechte
für Leiharbeiter
Schutz.
Für die Arbeitskräfteüberlassung gelten ab 2013 neue Regeln. Für Leiharbeiter
bedeutet das mehr Information, mehr Absicherung und mehr Gleichstellung.
A
ufgrund einer EU-Richtlinie
musste das österreichische Ar-
beitskräfteüberlassungsgesetz
(AÜG) überarbeitet werden. Ein von
Produktionsgewerkschaft (PRO-GE)
und Wirtschaftskammer gemeinsam er-
arbeiteter Vorschlag scheiterte allerdings
am Widerstand einzelner Arbeitgeber.
Am 4. September hat nun die Regierung
die Novelle zum AÜG beschlossen und
dabei viele von der PRO-GE angeregte
Verbesserungen übernommen. „Die
neuen Regelungen bringen Leiharbeite-
rinnen und Leiharbeitern mehr Schutz
und mehr Rechte sowohl am Arbeits-
platz als auch zwischen Überlassungen“,
begrüßen AK Präsident Erwin Zangerl
und die PRO-GE den Beschluss.
Mehr Information.
Ab 2013
müssen in der „Einsatzinformation“ die
kollektivvertragliche Einstufung enthal-
ten sein und Grundlohn sowie die Zula-
gen und Zuschläge getrennt ausgewiesen
werden. Leiharbeiter können somit ihre
korrekte Entlohnung wesentlich besser
überprüfen. Darüber hinaus müssen sie
künftig nachweislich und schriftlich vor
jedem Einsatz über spezielle Anforde-
rungen und Gefahren informiert wer-
den. Damit soll sich das für Leiharbeiter
rund zweieinhalb Mal größere Risiko
von Arbeitsunfällen endlich verringern.
Ebenso neu: Spätestens 14 Tage im Vor-
hinein müssen überlassene Arbeitskräfte
künftig über das Ende eines Einsatzes
informiert werden. So können sich Be-
troffene wenigstens zwei Wochen auf
derart einschneidende Veränderungen
einstellen. Außerdem können Beschäf-
tigerbetriebe, die Diskriminierung zu-
lassen, uneingeschränkt zur Verantwor-
tung gezogen werden.
Mehr Gleichstellung.
Wenn
im Einsatzbetrieb verkürzte Arbeits-
zeiten gelten oder Pausen bezahlt wer-
den, wenn es zusätzliche Urlaubstage
oder an manchen Tagen früher Schluss
ist - dann gilt dies ab 1. Jänner auch für
die Leiharbeiter. Auch in Betriebskanti-
nen oder bei Unterstützungsleistungen
gilt: Gleiches Recht für alle. Bei langen
Überlassungen (ab 4 Jahren) müssen
Leiharbeiter künftig sogar in betrieb-
liche Pensionsvorsorge und Kollektiv-
versicherungen einbezogen werden.
Weiterbildung.
Mit dem Sozial-
und Weiterbildungsfonds soll ein Anreiz
gegen „hire and fire“ und für die Wei-
terbeschäftigung während Stehzeiten
geschaffen werden. Aus dem Fonds wird
nicht nur Leiharbeitern bei Arbeitslosig-
keit eine einmalige, schnelle Unterstüt-
zung bezahlt. Auch Arbeitgeber wer-
den gefördert, die das Arbeitsverhältnis
aufrechterhalten, Beiträge zahlen alle
Überlasser. Mit dem Fonds werden Ar-
beitgeber unterstützt, die Stehzeiten kor-
rekt bezahlen, auf Kosten jener, die ihrer
Verantwortung nicht nachkommen.
Die zweite Aufgabe des Fonds: Mit dem
Geld soll vor allem auch Weiterbildung
gefördert werden, um Stehzeiten zum
Vorteil aller Beteiligten zu nutzen.
<<
Erfolg.
Ab 2013 gibt es Verbesserungen und mehr Absicherung für Leiharbeiter.
NEUe ak einrichtung
Anlaufstelle
für Betriebsräte
D
as neue „Betriebsservice“ der
AK Tirol ist eine wichtige Anlauf-
und Servicestelle für die Betriebsrä-
tinnen und Betriebsräte. Hier findet
eine intensive rechtliche und fach-
liche Betreuung statt. Die AK-Exper-
ten werden auch direkt vor Ort in den
Betrieben aktiv – gerade in Krisensi-
tuationen ein unschätzbarer Vorteil!
Im Falle von Insolvenzen gibt es kom-
petente und rasche Hilfe für Arbeit-
nehmer und Betriebsräte. Außerdem
werden kostenlose Seminare zur
Aus- und Fortbildung von Betriebsrä-
ten angeboten. In Betrieben ohne Be-
triebsrat unterstützen die Experten
Arbeitnehmer bei der Neugründung
von Betriebsratskörperschaften.
Mag. Georg Humer kümmert sich
um alle Belange, tatkräftig unter-
stützt vom Expertenteam Johann
Ofner, Mag. Markus Steiner, Dr.
Markus Fend, Mag. Martin Soucek
und Klaus Purner.
Foto:flashpics
Nr. 43, September 2012
Wenn im Job was schiefgeht
Wenn man arbeitet, kann auch
einmal etwas schiefgehen. Wer
muss aber dann für den Schaden
aufkommen, der Arbeitgeber oder
auch der Arbeitnehmer?
Für Schäden, die dem Arbeitgeber
bei der Erbringung der Arbeits-
leistung zugefügt werden, gilt ein
eigenes Gesetz, das Dienstnehmer-
haftpflichtgesetz. Es sieht für die
meisten Fälle geringere Ersatzpflich-
ten vor, da der Schaden in gewisser
Hinsicht auch zum allgemeinen
Betriebsrisiko gehört: Wo gehobelt
wird, da fallen halt auch Späne.
Dieses Gesetz macht die Höhe des
Schadenersatzes vom Verschulden
des Arbeitnehmers abhängig. Außer-
dem müssen Risikogeneigtheit der
Tätigkeit, Ausbildung, Verantwortung
und die konkreten Bedingungen
berücksichtigt werden.
• Bei
entschuldbarer Fehlleistung
haftet der Arbeitnehmer überhaupt
nicht, wie etwa Glasbruch bei
Kellnern.
• Bei
leichter Fahrlässigkeit
ist die
Schadenersatzpflicht zu mindern
oder sogar ganz zu erlassen.
• Bei
grober Fahrlässigkeit
kann
der Schadenersatz gemindert
werden, in diesem Fall muss aber
der Arbeitnehmer einen Teil des
Schadens ersetzen.
• Bei
Vorsatz
hat der Arbeitneh-
mer den vollen Schadenersatz zu
leisten.
Überblick über alle Neuerungen im
Arbeitskräfteüberlassungsgesetz auf
!
er nach Versicherungsvertragsgesetz
haftbar und ein Regress möglich.
Bernd war verzweifelt, seine finan-
zielle Situation ohnehin angespannt.
Er wandte sich an die AK Kitzbühel,
die sofort tätig wurde. Aber die Versi-
cherung blieb auf ihrem Standpunkt
und wollte das Geld von Bernd, sie
klagte, die AK gab Bernd Rechts-
schutz. Es kam zur Gerichtsverhand-
lung. Da jedoch die Beschilderungs-
tafel mit der Höhe 3,20 Meter bei
der Einfahrt des Tunnels verwittert
und in relativ kurzem Abstand vor
der Durchfahrt platziert war, konnte
Bernd sie bei der Dunkelheit nicht
sehen. Keine grobe, sondern nur
leichte Fahrlässigkeit, urteilte das
Gericht. Und bei leichter Fahrlässig-
keit gibt es auch keinen Regress der
Versicherung. Bernd fällt ein Stein
vom Herzen. Er muss nichts bezah-
len. Das Urteil ist rechtskräftig.
Kein Freibrief.
Der Unter-
länder hatte wirklich Glück im Un-
glück: Aber die Sache hätte auch
anders ausgehen können. Denn es
zeigt sich ganz deutlich: Auch eine
vorhandene Kaskoversicherung ist
kein Freibrief zur Abdeckung aller
eventuell entstandener Schäden.
Und wer weiß, wie die Sache mit
einem nicht so verständnisvollen Ar-
beitgeber ausgegangen wäre.
<<
Foto:herl/Fotolia.de
Kontakt:
0800/22 55 22 -1919
oder
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