Tiroler Arbeiterzeitung - page 11

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T
agtäglich erbringen sie Höchst-
leistungen: Die Tausenden Fach-
kräfte in den Gesundheits- und
Sozialberufen, die sich ums Wohlerge-
hen der ihnen Anvertrauten bemühen.
Wie es um ihr eigenes Befinden steht,
zeigt eine aktuelle repräsentative Studie
zur Arbeitszufriedenheit bzw. -belastung,
die das unabhängige Forschungsinstitut
SFS (Sozialökonomische Forschungs-
stelle) für die AKTirol durchgeführt hat.
Soviel vorweg: Die Beteiligung war mit
17 % beeindruckend.
Alarmglocken.
Der Großteil der
Teilnehmer gab an, den Beruf aus Inte-
resse, Freude am Helfen und wegen der
Sicherheit des Arbeitsplatzes ergriffen zu
haben. Dennoch sollte das vorliegende
vorläufige Ergebnis die Alarmglocken
schrillen lassen.
Belastung.
Beunruhigend ist es
im Hinblick auf die psychische Bela-
stung. So weisen 41 % eine beginnende
oder schon fortgeschrittene Burnout-
Symptomatik auf. 4 % sind bereits dem
klinisch auffälligen Bereich zuzuordnen.
Und von den 11 %, die reduzierte Lei-
stungsfähigkeit beklagten, zeigten vor
allem Männer eine stärkere Ausprägung
bei der sogenannten Depersonalisation,
die sich in Zynismus oder abwertenden
Bemerkungen in Bezug auf Patienten
äußern kann.
Schwerwiegendste Belastungen sind
für mehr als ein Drittel z. B. zu wenig
Personal, Bürokratie, Arbeiten unter
großem Druck, Heben und Tragen
schwerer Lasten, schwierige Körperhal-
tung bzw. Bewegungsabläufe sowie Ar-
beitshaltung.
Zufriedenheit.
Zur Arbeitszu-
friedenheit gaben 39 % an, dass sich
diese in den letzten sechs Jahren sehr
bzw. eher verschlechtert hat, z. B. durch
Zeitdruck, Einsparungen, Mobbing,
Dienstzeit,
Dokumentationsanstieg
und mehr Bürokratie, Mitarbeiterman-
gel, Stress sowie geringen Lohn durch
schlechten Kollektivvertrag. 33 % sahen
keine Veränderung. 27 % sprachen von
Verbesserungen, z. B. durch bessere Ar-
beitszeiten, neue Leitung, besseres Ar-
beitsklima oder andere dienstzeitliche
Regelungen.
Die Studie zeigt deutlich, wie viele
Faktoren sich auswirken: Körperliche
Zufriedenheit, (schlechtes) Arbeits-
klima, persönliche Erfüllung und
Leistungsfähigkeit, emotionale Er-
schöpfung, Zeitdefizite und schlechte
Arbeitszeitregelung. Und die Befragten
sehen die Zukunft pessimistisch. 50 %
rechnen mit Stagnation, 40 % befürch-
ten weitere Verschlechterung.
Deshalb tun Maßnahmen Not: Mehr
Personal und weniger Bürokratie im
Arbeitsalltag wären erste Schritte. Aber
auch Wertschätzung und Anerkennung
sollten mehr Raum finden!
<<
Dramatisch.
Für eine AK Studie beurteilten Mitarbeiter in Gesundheits- und Sozialberufen
ihre Arbeitszufriedenheit bzw. -belastung. Viele beklagten psychische und physische Folgen.
Baustelle
Gesundheitsberufe
N
ur 300 Einkaufsberechti-
gungen waren es, als AKTirol,
Caritas und Stadt Innsbruck
vor acht Jahren die Initialzündung für
den Tiroler Sozialmarkt (Tiso) in Inns-
bruck setzten. Seither hat sich die Kun-
denzahl mit 2.800 nahezu verzehnfacht.
Die Freude über diese „Erfolgsbilanz“
ist bei Tiso-Leiterin Michaela Landauer
freilich getrübt, spiegelt sich doch darin
die steigende Bedürftigkeit: „Wenn Ein-
kaufskarten wieder zurückgegeben wer-
den, etwa weil der Inhaber Arbeit gefun-
den hat, freuen wir uns – und hoffen,
dass der Kunde nicht gezwungen sein
wird, eines Tages wiederzukommen!“
Inzwischen gehen die ersten Kunden
fast verlegen die Regale ab. Sie haben
Glück, das Angebot ist noch groß, der
kalte Novembertag lädt nicht unbe-
dingt zum Einkaufen ein. Vor allem
Spenden von Betrieben werden ver-
kauft, z. B. Produkte, die aufgrund von
Schönheitsfehlern aussortiert wurden.
Marmelade etwa, auf der sich nur am
Etikett ein Tippfehler eingeschlichen
hat. Teilweise nur halb so hoch wie in
Diskontern sind die Preise, wodurch
sich sozial Bedürftige etwa 100 Euro
monatlich sparen. Einkaufen darf nur,
wer unter folgenden Einkommens-
grenzen liegt: 900 Euro monatlich bei
Einzelpersonen, 1.200 Euro bei zwei
Personen.
Heute sucht ein älteres Paar etwas
Bestimmtes, und wird nicht fündig. –
Das kann hier passieren, das Angebot
richtet sich nach dem, was gerade ver-
fügbar ist. Bunt gemischt ist die Kund-
schaft, die Alleinerzieherin trägt neben
Pensionisten ihre Auswahl zur Kassa.
Im Mittelpunkt steht hier das Soziale –
was spätestens offensichtlich wird, wenn
sich die Geschäftsführerin mit ihren
Kunden unterhält.
Reklame ist für die wachsende Zahl
an Kunden übrigens nicht verantwort-
lich, erklärt Landauer: „Wir wollen mit
Armut keine Werbung machen. Wir
haben auch keine eigenen Tiso-Sackerl.
Die würden gar nicht angenommen,
denn die Hemmschwelle ist noch sehr
hoch.“ Das Angebot soll sich deshalb
über Mundpropaganda verbreiten und
die Menschen erreichen, die es wirklich
benötigen.
<<
„Wir wollen mit Armut
keine Werbung machen“
Immer mehr Bedürftige.
Warum die Geschäftsführerin des Tiroler Sozialmarktes die wohl einzige
Leiterin eines Innsbrucker Ladens ist, die sich über jeden einzelnen verlorenen Kunden freut.
Nähe.
Tiso-Leiterin Michaela Landauer und ihre drei Mitarbeiter haben auch für
die Sorgen ihrer Kunden immer ein offenes Ohr.
Intensiv.
Nicht nur die Aufgaben stellen eine Belastung für die Fachkräfte dar, sondern auch die Rahmenbedingungen.
V
on Exekutionen bis zur drohenden Delo-
gierung: Hinter jedem Ansuchen beim AK
Unterstützungsfonds steht ein tragisches Schick-
sal. Weil die Zahl der Hilfsbedürftigen steigt,
wurden weitere Sprechtage fixiert.
AK Kufstein
,
8. Jänner, 10 - 12 Uhr;
AK Kitzbühel
; 8. Jänner,
14 - 15.30 Uhr;
AK Imst
, 13. Jänner, 10 - 12
Uhr;
AK Landeck
, 13. Jänner, 14 - 16 Uhr;
AK
Schwaz
, 20. Jänner, 10 - 12 Uhr. Bitte in Ihrer
AK anmelden und Unterlagen mitbringen.
B
ei der Pflege Angehöriger stellt sich oft die
Frage nach der Finanzierung. Grundlage für
die Pflegegeldeinstufung ist ein Gutachten. Da-
mit dies den exakten Aufwand erfasst, erarbei-
tete die AK mit der Plattform Mobile Pflege Tirol
ein Pflegetagebuch. Es ist Basis fürs Gespräch
mit dem Gutachter. Deshalb sollten darin über
14 Tage alle Hilfestellungen dokumentiert wer-
den. Anfordern unter 0800/22 55 22 – 1638
oder auf
Pflegetagebuch hilft bei Einstufung
Unterstützungsfonds für Notfälle
ARMUTSFALLE
Wohnen muss für
alle leistbar sein
L
eistbares Wohnen ist ein The-
men-Schwerpunkt in der AK
Tirol. Eine AK Studie zeigt die vielen
Möglichkeiten, mit denen Gemein-
den und Land dafür sorgen könnten
(Die Tiroler Arbeiterzeitung berichte-
te). Tatsache ist jedoch: „Allzu viele
Optionen bleiben ungenutzt, weil das
politische Bekenntnis zur Lösung
fehlt.“ Das betonte AK Präsident
Erwin Zangerl nach einer Veranstal-
tung von AK und „dietermiten“, der
Plattform kritische Sozialarbeit Tirol.
Unter dem Motto „Armutsfalle
Wohnen – Möglichkeiten und Gren-
zen der Sozialarbeit“ wurde dabei in
der AK Tirol in Innsbruck diskutiert,
dass der Mangel an leistbarem
Wohnraum vor allem jene hart trifft,
die wenig verdienen, aber keinen
Zugang zu gemeinnützigen Woh-
nungen haben.
Gründe listet die AK Studie auf:
Bauland ist zwar knapp in Tirol, aber
es wäre genügend für alle da! Obwohl
vom Dauersiedlungsraum (1.503
km
2
) nur rund 111 km
2
verbaut
sind, werden Preistreibereien weiter
mit den Bergen begründet. Und so
zahlen Käufer, oft Jungfamilien, Jahr
für Jahr rund 600 Millionen Euro an
Grundbesitzer. Die Umwidmungsge-
winne – für diese Supereinkommen
ohne Arbeit – sind ungeheuer!
Für Zangerl ist die AK Studie
Wegweiser für die kommende po-
litische Arbeit der AK Tirol. Mit der
Kirche soll über eine Intensivierung
der Baurechtsvergabe verhandelt
werden; Land und Gemeinden müs-
sen endlich zu einer einheitlichen
Vorgangsweise bei der Mietzins-
beihilfe gedrängt werden. „Und weil
immer wieder von ,Entfesselung‘
gesprochen wird: Ich möchte die Ge-
meinnützigen Wohnbauträger ,ent-
fesseln‘. Sie sollen offensiv Freiland
kaufen können und bauen, bauen,
bauen.“
Nr. 57, Dezember 2013
THEMA:
SOZIALES & GESUNDHEIT
Foto:RobertKneschke/Fotolia.com
Die Studie gibts als Download
unter
Tiso Markt, Adamgasse
13-15, 6020 Innsbruck.
Öffnungszeiten:
Mo - Fr 8.30
- 12.30, Mi 15 - 18, Sa 9 - 12
Uhr. Mehr auf
!
!
Foto:RobertKneschke/Fotolia.com
Foto:drubigphoto/Fotolia.com
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