Tiroler Arbeiterzeitung - page 10

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THEMA:
POSITIONEN
Krankenstand.
Der Chef muss begründen, warum er welche Infos braucht.
Krank, und
doch erreichbar?
OGH-Urteil.
Eine heftig diskutierte Entscheidung bringt Klarheit: Nichterreichbarkeit ist kein Entlassungsgrund.
M
it dem Siegeszug von Smart-
phones und Tablets ist auch
die ständige Erreichbarkeit
von Beschäftigten immer mehr Thema
– speziell aus arbeitsrechtlicher Sicht.
Noch dazu, wenn den Mitarbeitern
Dienst-Geräte zur Verfügung gestellt
werden.
Entsprechend groß war deshalb vor
kurzem auch die Aufregung über ein Ur-
teil des Obersten Gerichtshofes (OGH)
in einem sehr speziellen Fall: Eine An-
walts-Sekretärin war wegen Burnouts
mehrere Monate ausgefallen. Im Kran-
kenstand wurde sie dann von ihrem
Chef aufgefordert, für ein 20minütiges
Gespräch zu erscheinen, um dringende
Angelegenheiten zu besprechen. Die
Frau erklärte, dass sie derzeit nicht in
der Lage sei, einen Termin wahrzuneh-
men, sich aber melden würde, sobald es
ihr Gesundheitszustand zulasse. Als sie
nichts mehr von sich hören ließ, folgte
die Entlassung, die sie – letztlich mit Er-
folg – bei Gericht bekämpfte.
OGH-Urteil.
Nach dem Zug durch
die Instanzen sah der OGH die Ent-
lassung der Anwaltssekretärin als unge-
rechtfertigt an. Gleichzeitig stellten die
Höchstrichter fest, dass Arbeitnehmer
fallweise auch im Krankenstand für
Auskünfte zur Verfügung stehen – aller-
dings nur für „unbedingt erforderliche
Informationen, deren Vorenthaltung zu
einem wirtschaftlichen Schaden des Ar-
beitgebers führen würde, in einem Aus-
maß – etwa telefonisch, das ihren Gene-
sungsprozess nicht beeinträchtigt. Dies
erfordert jedoch, dass vom Arbeitgeber
konkretisiert wird, um welche Infor-
mationen es sich handelt, warum diese
nicht anderweitig beschafft werden kön-
nen, und warum aus dem Fehlen der In-
formation ein schwerer wirtschaftlicher
Schaden entstehen würde.“ (All dem
war der Chef der Sekretärin nicht nach-
gekommen. Zudem war ihr laut OGH
jeglicher persönlicher Kontakte mit dem
Rechtsanwaltspartner, von dem sie sich
schikaniert fühlte, aus gesundheitlichen
Gründen unzumutbar.)
Damit ist das Urteil für die AK Ar-
beitsrechtsexperten auch keinesfalls
ein weiterer Schritt hin zu ständiger
Erreichbarkeit. „Im Gegenteil: Der
OGH hat sogar klar festgehalten, dass
ein Kranker in der Regel eben nicht er-
reichbar sein muss, und vor allem, dass
Nichterreichbarkeit kein Entlassungs-
grund ist!“
Eine generelle Pflicht, im Kranken-
stand erreichbar zu sein, lässt sich laut
den Juristen der AK Tirol also aus dem
Urteil nicht ableiten. „Der OGH hat ja
viele Voraussetzungen vorgegeben, die
erfüllt sein müssen, damit der Arbeit-
nehmer auch im Krankenstand für Aus-
künfte zur Verfügung stehen muss: Dem
Arbeitgeber muss ein schwerer wirt-
VERSTORBEN
Im Gedenken
an Karl Gruber
K
arl Gruber, ehemaliger
Tiroler AK Präsident (1974 -
1984) ist im Alter von 96 Jahren
verstorben. In seine Amtszeit fällt
die Gründung des BFI Tirol als
Aus- und Weiterbildungsstätte
für Tirols Arbeitnehmer.
Gruber war überzeugter Gewerk-
schafter,
dem gute
sozial-
partner-
schaftliche
Zusammen-
arbeit sowie
das Einver-
nehmen
mit dem
Land Tirol,
vor allem mit dem damaligen
Landeshauptmann Eduard
Wallnöfer besonders am Herzen
lagen. Als Landesvorsitzender
des ÖGB Tirol (1970 – 1986)
war er vor allem geprägt vom
wirtschaftlichen Aufschwung der
1970er und 80er Jahre, zu dem
„seine Bauarbeiter“ auch viel
beigetragen haben. Gruber war
überzeugt, dass mehr Wohl-
stand für die Arbeitnehmer nur
durch stetes Wirtschaftswachs-
tum möglich ist. Als ehemaliger
Mineur beim Kraftwerksbau in
Kaprun war er auch ein Verfech-
ter des weiteren Ausbaus der
Wasserkraft. Seine Leistungen
wurden durch zahlreiche höchste
Auszeichnungen gewürdigt.
Privat zeichneten ihn seine
persönliche Bescheidenheit
und die besondere Fürsorge für
seine Familie aus. Die AK Tirol,
die Funktionäre und Mitarbeiter
werden dem verstorbenen Alt-
Präsidenten stets ein ehrendes
Andenken bewahren.
Nr. 62, April 2014
Foto:YuriArcurs/Fotolia.de
schaftlicher Schaden drohen, die Infos
können nicht anders beschafft werden,
der Arbeitgeber muss zuvor sagen, wo-
rum es sich handelt, die Genesung darf
nicht verzögert werden und der Kon-
takt zudem nicht medizinisch untersagt
sein“, zählen die Experten auf.
Experten-Tipp.
Während eines
Krankenstands müssen generell keine
Arbeitsleistungen erbracht werden. Post
und eMails sollten Sie aber dennoch
durchschauen, empfehlen die AK Ju-
risten.
Richtiges Verhalten.
Und
auch sonst sollten einige Grundregeln
beachtet werden:
• Ein Krankenstand, aber auch die Ver-
längerung eines Krankenstands ist
umgehend beim Arbeitgeber zu mel-
den. Die Diagnose muss man dabei
nicht bekannt geben.
• Der Chef kann bereits ab dem ersten
Krankenstandstag eine ärztliche Bestä-
tigung verlangen.
• Im Krankenstand müssen Beschäftigte
alles unterlassen, was geeignet ist, die
Genesung zu verzögern.
<<
Liste Erwin Zangerl, AAB-FCG
Erwin Zangerl,
AK Präsident
D
ie Arbeiterkammer kann keine Gesetze machen
und auch keine beschließen – dafür sind die Lan-
desregierung und der Landtag zuständig, – aber wir
werden maßgeblichen Einfluss darauf nehmen, dass
die richtigen Weichen gestellt werden. Tirol ist den
Arbeitnehmer-Familien teuer, aber das Leben muss
finanzierbar bleiben. Für uns bedeutet Leistungsge-
rechtigkeit, dass der Einsatz der Beschäftigten am Ar-
beitsplatz und die Freiwilligenarbeit gerechter entlohnt
werden. Außerdem werden wir die Gleichstellung der
Arbeiter mit den Angestellten, eine soziale Wohnbauof-
fensive und eine deutliche Lohnsteuersenkung mit Vehemenz von der Politik ein-
fordern. Wir wollen Lösungen bei den brennenden Themen im Land: Ganzjährige
Vollzeitarbeitsplätze, Betriebsansiedelungen, höhere Einkommen, einen verstär-
kten Einsatz gegen das teure Leben und die drängende Wohnungsnot in Tirol.
In den Bereichen des Arbeits-, Sozial-, Konsumenten-, Wohn- und Steuerrecht
werden wir mit vollem Einsatz den AK Mitgliedern zu Seite stehen in Innsbruck
und dank unserer Regionalisierung immer stärker in allen Bezirken.
<<
grüne in der ak
Helmut Deutinger,
Fraktionsvorsitzender
E
s ist genügend Geld da, nur ist es falsch verteilt! In
Tirol verschärfen die hohen Lebenshaltungskosten
und die geringen Löhne die wirtschaftliche Situation der
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die immer grö-
ßer werdende Schere zwischen Arm und Reich muss
geschlossen und für eine gerechte Aufteilung des ge-
sellschaftlichen Reichtums gesorgt werden. Ein Rezept
gegen die steigende Arbeitslosigkeit sind echte  „Green
Jobs“. Investitionen in die Energiewende, den öffentlichen
Verkehr und die Produktion lokaler Produkte schaffen ei-
nen Mehrwert für die Menschen und für die Umwelt. Durch die Verschärfung der
Pensionsbestimmungen braucht es noch mehr den „gesunden Arbeitsplatz“.  Die
Belastungen in der Arbeit müssen an den Menschen angepasst sein und dürfen
nicht weiter zunehmen. In den nächsten Jahren werden die geburtenschwachen
Jahrgänge zu einem für das Land bedrohlichen Mangel an Fachkräften führen.  Die
AK Tirol kann durch die Unterstützung von Schulungen und  Aus- und Fortbildungen
gegensteuern und zu einem guten Mix an qualifiziertem Personal beitragen.
<<
freiheitliche arbeitnehmer in der ak
Franz Ebster,
Fraktionsobmann
E
ine große Herausforderung steht uns beim Thema
„Flucht von einem Kollektivvertrag in den anderen“ be-
vor, das wir Freiheitlichen Arbeitnehmer Tirol in dieser Pe-
riode bearbeiten und umsetzen wollen. Es darf nicht sein,
dass gleiche Arbeit nicht gleich entlohnt wird. Hunderte
Tiroler Fahrer wurden vom „teuren“ Bau-Kollektivvertrag
in den „billigen“ Frächter-Kollektivvertrag verschoben. Für
die Betroffenen bedeutet das einen Einkommensverlust
von rund 10.000 Euro im Jahr (Brutto-KV und Überstun-
den)! Das gilt auch für andere Branchen (z. B. Molkerei,
Käserei) und nicht nur für die Fahrer. Wir müssen weg vom branchenbezogenen
Kollektivvertrag, hin zum tätigkeitsbezogen Kollektivvertrag, um diese Missstände
abzustellen. Wir werden uns in dieser Periode auch für einen Mindestlohn und
einen General-Kollektivvetrag einsetzen, um endlich allen Arbeitnehmern Mindest-
standards zu garantieren. Die Fraktion der Freiheitlichen Arbeitnehmer Tirol wird
bei diesen Themen mit allen in der AK Tirol vertretenen Fraktionen zusammenar-
beiten, um das umzusetzen.
<<
Sozialdemokratische GewerkschafterInnen
Günter Mayr,
Fraktionsvorsitzender
W
ir als Fraktion Sozialdemokratische Gewerk-
schafterInnen gehen mit einem ambitionierten
Arbeitsprogramm in die bereits laufende Periode.
Unsere Themenschwerpunkte beziehen sich auf leist-
bares Wohnen, zumutbare Mobilitätspreise und faire
Einkommen. Mit zahlreichen Anträgen für die Vollver-
sammlung der Tiroler Arbeiterkammer und durch In-
puts in den Ausschüssen werden wir unseren Stand-
punkt, dass Menschen kostenlos zum Arbeitsplatz
kommen müssen, weiterhin vertreten. Zudem werden
wir auch alle Kraft dahingehend investieren, dass Sprit-
preise leistbarer werden. Leistbarer muss auch das Wohnen in Tirol werden.
Wir werden politische Entscheidungsträger mit Nachdruck auffordern, dass die
Wiedereinführung der Zweckwidmung der Wohnbauförderung und aller Rück-
flüsse endlich umgesetzt wird, wie auch der notwendige Neubau von 10.000 ge-
förderten Mietwohnungen pro Jahr. Zudemmüssen jene, die günstiges Bauland
horten, statt es dem gemeinnützen Wohnbau zur Verfügung zu stellen, rigoros
bestraft werden. Wir stehen zu unseren Versprechen, auch nach der Wahl.
<<
AK Fraktionen präsentieren ihre
Schwerpunkte für neue Periode
Bei Fragen und Problemen sind die
AK Arbeitsrechtsexperten unter
der Hotline 0800/ 22 55 22 –
1414 erreichbar
!
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