Tiroler Arbeiterzeitung - page 10

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THEMA:
POSITIONEN
Bestbieter-Prinzip
gegen Scheinfirmen
Stopp.
AK Präsident Zangerl fordert schärfere Gesetze und das Bestbieter-Prinzip für öffentliche Aufträge.
V
ier Hauptverdächtige, 30 Mit-
täter, 54 Scheinfirmen, rund
7.500 Involvierte: Der Skandal
um ein riesiges Baumafia-Netz, mit dem
der Staat um 140 Millionen Euro an
Steuern und Abgaben geprellt worden
sein dürfte, sorgte im Sommer für Ent-
rüstung. Zu den Profiten aus Schwarz-
arbeit und Lohndumping kassierte die
Bande auch noch für E-Cards und be-
trog die Finanz mit Scheinrechnungen
innerhalb des Firmen-Geflechts. Allein
2.600 Belege über 25 Millionen Euro
wurden sichergestellt.
Laut Insidern kein Einzelfall. Nur
gehen die schwarzen Schafe inzwischen
noch gewiefter vor. Scheinfirmen wer-
den z. B. in Rumänien angemeldet,
das erschwert Ermittlungen. Obwohl
ausländische Firmen in Österreich den
bei uns üblichen Lohn zahlen müssten,
verdienen osteuropäische Bauarbeiter
um bis zu 40 Prozent weniger.
AK Studie.
Daneben drückt auch
die boomende Scheinselbstständig-
keit das Lohnniveau, wie eine aktuelle
AK Studie belegt. Vor allem Fassa-
denarbeiter, Trockenbauer, Mauerer,
Fliesenleger und Eisenbieger machen
sich (häufig als Ein-Personen-Unter-
nehmen) selbstständig – im Auftrag
von Baufirmen, die sich so Abgaben
sparen.
„Das zeigt, wie wichtig die Gesetze
zur Bekämpfung von Schwarzarbeit
sowie Lohn- und Sozialdumping
sind“, betont AK Präsident Erwin
Zangerl. „Dennoch kommt es in
Bau-Branche, Gastgewerbe oder auch
Kleintransportgewerbe immer wie-
der zu Verstößen.“ Deshalb fordert
die AK eine rasche Nachschärfung.
So sollen die Auftraggeber-Haftung
nicht nur bei Lohnsteuer und Sozial-
versicherungsbeiträgen, sondern auch
für Lohnforderungen gelten und das
Lohn- und Sozialdumping-Bekämp-
fungsgesetz novelliert werden.
Best- statt Billigstbieter.
„Das von uns geforderte Bestbieter-
Prinzip wäre ein wirksames Instru-
ment“, so Zangerl. „Derzeit macht
bei öffentlichen Aufträgen meist der
Billigstbieter das Rennen. Das begün-
stigt jene, die nicht ortsansässig sind,
Billigstarbeiter ausnützen und kaum
oder gar keine Steuern vor Ort zahlen.
Regionale Wirtschaft und Arbeitsplät-
ze bleiben auf der Strecke.“
Heimische Bieter zu bevorzugen
wäre jedoch europarechtswidrig. Des-
halb verweist die AK auf die vielen
Möglichkeiten im Bundesvergabege-
setz, die heimischen Betrieben einen
fairen Wettbewerb ermöglichen.
Berücksichtigt werden könnten:
• Zahl der
Auszubildenden
sowie
• der
älteren Dienstnehmer
in Bezug
auf Gesamtzahl der Beschäftigten;
• auftragsgemäße
Begrenzung von
Leasingarbeitnehmern
auf 10 % des
projektbezogenen Personalstandes;
auftragsspezifische
Qualifikation
und Berufserfahrung der Mitarbeiter,
Berücksichtigung ökologischer Kri-
terien
, wie z. B. weite Transportwege;
• Beschränkung der Subvergabe auf
maximal zwei Ebenen und vorherige
Bekanntgabe aller Subauftragnehmer
etc.;
Erweiterung des Haftungs- bzw.
Garantiezeitraumes
außerhalb der
in ÖNormen festgesetzten Zeiten.
<<
Nr. 66, September 2014
Schwarze Schafe.
Ein Scheinfirmen-Geflecht kostete den Staat 140 Millionen Euro.
VIELE WEGE
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noch Matura!
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finanzielle Unterstützung er-
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AK Tirol unterstützt Lernwillige
finanziell, sofern sie kosten-
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55 22 – 1530 oder auf www.
ak-tirol.com
AK-Fraktionen zum Thema:
Steuern runter – Löhne rauf!
Foto:KZenon/Fotolia.com
Liste Erwin Zangerl, AAB-FCG
Erwin Zangerl,
AK Präsident
W
as nützen Lohnerhöhungen, wenn Inflation und
Steuer alles wieder wegnehmen. Deshalb ver-
langen wir: Runter mit der Lohnsteuer! Das haben be-
reits zehntausende Tirolerinnen und Tiroler mit ihrer
Unterschrift untermauert. Von niedrigeren Lohnsteu-
ersätzen profitieren alle. Als die echten Leistungsträ-
ger zahlen die Beschäftigten mit Lohn- und Mehrwert-
steuer gut zwei Drittel aller Steuern! Dazu kommt
noch die kalte Progression, die einen großen Teil jeder
Lohn­erhöhung schluckt. Die Steuereinnahmen für den
Finanzminister sind innerhalb von zwei Jahren von 69,9
Milliarden auf unglaubliche 76,5 Milliarden Euro gestiegen!
Aktive und pensionierte Arbeitnehmer werden finanziell ausgeblutet. Deshalb
brauchen wir eine gerechte Verteilung der Steuerlast. Wenn den Familien und
Pensionisten mehr netto vom Brutto bleibt, können sie auch wieder mehr aus-
geben. Das kurbelt die Nachfrage an und sorgt für Aufschwung. Dazu müssen
alle Gruppen einen gleich hohen Beitrag leisten und nicht die Lohnsteuerzahler
dauernd die Draufzahler sein.
<<
grüne in der ak
Helmut Deutinger,
Fraktionsvorsitzender
W
enn von einer Lohnerhöhung mehr im Börsl sein
soll, muss auch die Lohnsteuer gesenkt werden.
Jetzt steigen die Abzüge durch die Lohnsteuer mit stei-
gendem Verdienst. Aber nur bis zu einem Jahresgehalt
von 60.000 Euro. Wer also wirklich viel verdient, zahlt im
Verhältnis wenig Lohnsteuer. Auf der anderen Seite trifft
es jene ganz besonders hart, die unter 1.200 Euro brutto
verdienen und deshalb bisher keine Lohnsteuer gezahlt
haben, dann aber durch eine Lohnerhöhung lohnsteuer-
pflichtig werden. Das System bevorzugt eindeutig die Bes-
ser- und Bestverdienenden. Diese Ungleichheit richtet aber auch großen volkswirt-
schaftlichen Schaden an, denn der private Konsum wird dadurch gebremst. Gut
Verdienende legen Geld auf die hohe Kante, schlechter Verdienende und gerade
Familien mit Kindern brauchen jeden Euro und würden mit ihrem Konsum dieWirt-
schaft beleben. Es ist genug Geld da, aber falsch verteilt! Nur die Politik kann das
Steuersystem ändern, Vermögenssteuern einführen, mehr Gerechtigkeit schaffen
und die Wirtschaft beleben.
<<
freiheitliche arbeitnehmer in der ak
Franz Ebster,
Fraktionsobmann
B
ei der Schafschur und bei den Steuern sollte man
aufhören, sobald die Haut erreicht ist, meinte schon
der Physiker und Autor Austin O`Malley (1858-1932).
Bei der Lohnsteuer ist nicht nur die Haut erreicht, das
geht schon tief ins Fleisch der Arbeitnehmerinnen und Ar-
beitnehmer. In Tirol, mit geringen Einkommen und hohen
Lebenshaltungskosten, brauchen die Beschäftigten eine
spürbare Verbesserung ihres Nettoeinkommens. Um
das zu erreichen, benötigt es eine Lohnsteuerreform, die
diesen Namen auch verdient. Die Fraktion Freiheitliche
Arbeitnehmer in der AK Tirol fordert daher eine Pauschalierung der Erwerbsein-
kommen von Arbeitnehmern, wie es die Bauern schon seit Jahren praktizieren.
Seit langem wird jede Lohnerhöhung durch kalte Progression und Inflation in Kauf-
kraftverlust verwandelt. „Löhne rauf - Steuern runter“ sollte das Arbeitsmotto der
nächsten Monate sein. Denn eine deutliche Steigerung im Geldbörsl für die Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer bringt einen Konjunkturaufschwung, sichert und
schafft Arbeitsplätze.
<<
Sozialdemokratische GewerkschafterInnen
Günter Mayr,
Fraktionsvorsitzender
B
ei den Bruttolöhnen erreichen wir als Gewerk-
schaft in den laufenden Kollektivvertragsverhand-
lungen stets ein Plus über der Inflationsrate. Aber
sobald die Abgaben und Steuern abgezogen werden,
wird daraus ein reales Minus. Im Gegensatz zu den
Löhnen und Gehältern, die jährlich erhöht werden,
bleiben jedoch die für die Lohnsteuer maßgeblichen
Einkommensgrenzen gleich. Dadurch rücken immer
mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer automa-
tisch in höhere Steuerklassen vor und erleiden einen
schleichenden Lohnverlust. Besonders betroffen sind
Menschen im unteren und mittleren Einkommensbereich. Das ist höchst un-
gerecht und demotivierend. Jetzt geht es um eine gerechte Entlastung der Ar-
beitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie brauchen dringend eine finanzielle Ent-
lastung. Wenn dafür im Budget kein Spielraum vorhanden ist, dann muss man
ihn eben schaffen. Höhere Löhne verhandeln ausschließlich die Gewerkschaften,
und je mehr Mitglieder die Gewerkschaften haben, desto besser kann für die
Beschäftigten gearbeitet werden.
<<
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