Tiroler Arbeiterzeitung - page 1

Tiroler
S
eit Jahren steigen die Preise für
Lebensmittel, Wohnen und
Energie. Es wäre angebracht,
dass die Menschen auch eine dement-
sprechende Erhöhung ihrer Entloh-
nung bekommen, und nicht doppelt
und dreifach Steuern zahlen müssen.
Mit Hunderten solcher und ähn-
licher Aussagen von Arbeitnehmer-Fa-
milien und von Pensionisten war die
Unterschriften-Aktion von AK und
ÖGB „Lohnsteuer runter – Jetzt!“
begleitet. In Briefen, eMails und in
Facebook-Einträgen machten die Ar-
beitnehmerinnen und Arbeitnehmer
ihrem Unmut über die ungerechte
Steuerverteilung Luft. Es gibt aber
noch zahlreiche weitere Wortmel-
dungen wie:
• „Die Mieten und die Steuern werden
immer höher, aber unser Lohn bleibt
gleich.“
• „Man macht seine Arbeit mit vollem
Einsatz, wir werden im Betrieb immer
weniger Beschäftigte, und es wird von
uns immer noch mehr verlangt, aber
trotzdem bleibt deshalb nicht mehr
Geld in der Tasche. Wovon sollen wir
leben?“
• „Wir wollen einen Haushalt gründen
und wünschen uns Kinder. Wie soll
das gehen, wenn wir uns nichts erspa-
ren können, und alles für das tägliche
Leben draufgeht?“
• „Das Geld muss endlich da ankom-
men, wo es wirklich gebraucht wird.“
• „Wir brauchen ein neues Bewusstsein,
Solidarität, offene und friedliche Kom-
munikation. Gemeinwohldenken und
-handeln möglichst vieler Menschen
sind die Erfordernisse der Gegenwart
und Zukunft.“
• „Es muss uns Bürgern endlich gelin-
gen, unseren so fatalen Ohnmachtsge-
danken aufzugeben. Denn es ist Zeit,
dass wir erkennen, dass die Mächtigen
nur jene Macht über uns haben, die
wir ihnen geben. Wir können sie ihnen
auch jederzeit wieder nehmen, wenn
ihr Wirken nicht unserem höchs­ten
Wohle dienlich ist. Und das tun sie
sichtbar und spürbar schon sehr, sehr
lange nicht mehr.“
• „Die Regierung schont Banken und
Millionäre und beutet die Arbeitneh-
mer steuerlich aus.“
• „Wir werden drei- und vierfach be-
steuert, aber die Millionenvermögen
und die großen Grundbesitze dürfen
nicht angetastet werden. Denn das
wäre ein Angriff auf das Eigentum.
Wer schützt uns vor dem unverschäm-
ten Angriff des Staates auf unser erar-
beitetes Eigentum?“
Zustimmung.
Hunderttausende
Menschen haben die Aktion unterstützt
und für eine rasche Senkung der Lohn-
steuer unterschrieben. Aus Umfragen ist
ersichtlich, dass sogar 80 % der Öster-
reicher volle Unterstützung für die For-
derung von AK und ÖGB signalisieren.
Besonders erbittert sind die Beschäf-
tigten über die kalte Progression, von
der bei jeder Lohnerhöhung der Finanz-
minister gleich noch einmal profitiert.
Fakt ist: Steuern und Abgaben sind
wichtig. Damit werden wesentliche
Leistungen für das Gemeinwohl finan-
ziert, Schulen und Kindergärten errich-
tet, kranke Menschen versorgt, Woh-
nungen und Straßen gebaut und vieles
mehr. Fakt ist aber auch: In Österreich
zahlen die Arbeitnehmer und Pensio-
nisten die allermeisten Steuern – sie tra-
gen praktisch zwei Drittel der Steuerlast
auf ihren Schultern.
Österreich hat die dritthöchsten
Steuern und Abgaben auf Arbeit im
EU-Vergleich. Durchschnittlich gehen
41,5 Cent jedes verdienten Euro an
das Finanzministerium, so die EU-Sta-
tistikbehörde Eurostat. Nur in Belgien
und Italien ist die Besteuerung höher
und liegt bei 43 Cent pro Euro.
AK Präsident Erwin Zangerl: „Wir
haben es satt, die Melkkuh des Finanz-
ministers zu sein. Österreich hat die
dritthöchsten Steuern und Abgaben auf
Arbeit in der EU. 80 % des gesamten
Steueraufkommens müssen die aktiven
und pensionierten Arbeitnehmer schul-
tern. So kann es nicht weitergehen: AK
und ÖGB fordern daher eine rasche
Entlastung der Arbeitnehmer und Pen-
sionisten (siehe Interview links).“
Immer mehr Arbeitnehmer-Haus-
halte geraten in die Krise, weil die dra-
matisch steigenden Preise für Lebens-
mittel, Wohnen und Energie immer
größere Löcher in die Geldbörsen der
Menschen reißen. Dazu kommen die
steigende Arbeitslosigkeit und die da-
raus resultierende Angst vor dem Ver-
lust der Arbeit, die sich auf die Ausga-
ben und damit auf die Investitionslust
negativ auswirken. Die Binnennachfra-
ge stagniert, damit verbunden ist auch
eine wirtschaftliche Stagnation. Immer
mehr Österreicher müssen auf das Er-
sparte zurückgreifen, um den Alltag zu
finanzieren. Seit zwei Jahren ist daher
die Sparquote deutlich gesunken, schla-
gen die Banken bereits Alarm.
Diese verhängnisvolle Abwärtsspirale
kann nur durch positive Anreize ge-
stoppt werden. Mehr Netto vom Brut-
to in den Taschen der Arbeitnehmer-
Familien ist die beste Maßnahme für
einen Aufschwung, von dem die vielen
heimischen Klein- und Mittelbetriebe
besonders profitieren würden.
<<
Gegensteuern.
Steigende Preise und hohe Steuern schwächen die Einkommen. Immer
mehr Haushalte geraten in die Krise. Das lässt viele Tirolerinnen und Tiroler verzweifeln.
Arbeiterzeitung
Zeitung für Arbeit und Konsumentenschutz der kammer für arbeiter und angestellte für tirol
6. Jg. , september 2014 | Nr. 66
Österreichische Post AG | Postentgelt bar bezahlt | Verlagsort 6020 Innsbruck | RM 12A039146 K | AK TIROL 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 7
Herr Präsident Zangerl, was hat die
Aktion „Lohnsteuer senken – Jetzt“
gebracht?
Zangerl:
„Hunderttausende Men-
schen haben unsere Forderung mit
ihrer Unterschrift unterstützt. Vom
Westen aus ist es gelungen, in ganz
Österreich Bewegung in die Steuerde-
batte zu bringen. Jetzt ist die neufor-
mierte Regierung gefordert, für eine
gerechte Verteilung der Steuerlast zu
sorgen, damit endlich wirtschaftliche
und soziale Vernunft über Engstirnig-
keit und rückständiges Besitzstands-
denken siegen.“
Wie sieht der weitere Fahrplan aus?
Zangerl:
„AK und ÖGB haben ein
gemeinsames Steuermodell vorgestellt,
das die Arbeitnehmer-Familien und
die Pensionisten spürbar entlastet und
damit eine wesentliche Maßnahme
für einen Konjunkturaufschwung dar-
stellt. Die Regierung ist jetzt am Zug,
sie auch umzusetzen.“
Wo sehen Sie die Ungerechtigkeiten?
Zangerl:
„Von zehn Steuer-Euro
stammen acht Euro von den Arbeit-
nehmern und nur 22 Cent aus Ver-
mögen. Diese ungleiche Verteilung der
Steuerlast sagt eigentlich schon alles.“
Können wir uns eine Steuerreform
überhaupt leisten?
Zangerl:
„Eines muss klar sein: Wir
zahlen uns die Lohnsteuerreform auf
keinen Fall selber. Es ist genug Geld
vorhanden, denken wir nur an den
Wildwuchs bei den Milliardenförde-
rungen im Wirtschafts- und Agrarbe-
reich und an die Doppelgleisigkeiten
von Bund und Ländern. Hier muss
die Politik endlich den Mut zu Verän-
derungen haben.“
Gibt es eine Alternative zur Steuerre-
form?
Zangerl:
„Nein, denn wir haben
die dritthöchste Steuerbelastung auf
Arbeit in der EU. Jedes weitere War-
ten schwächt unsere Konjunktur und
damit die heimische Wirtschaft. Die
Menschen brauchen wieder mehr
Geld im Börsel. Trotz des steigenden
Reichtums lag die Kaufkraft vor 20
Jahren um 3 % höher als heute. Das
liegt daran, dass der Wohlstand immer
ungleicher verteilt ist. Wir müssen un-
seren Kostendruck weitergeben. Dazu
gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder
eine rasche und spürbare Lohnsteuer-
Senkung, oder wir müssen bei den
anstehenden KV-Verhandlungen Er-
höhungen im zweistelligen Bereich
verlangen.“
NACHGEFRAGT
„Die Menschen
brauchen
mehr
Geld im Börsel
AK Präsident
Erwin Zangerl
Wirtschaftliche
und
soziale
Vernunft
müssen über
Engstirnigkeit und rückständiges
Denken
siegen.
Erwin Zangerl, AK-Präsident
Für gerechte Steuerlast
Schieflage.
Hohe Steuern und steigende Preise - Immer mehr Beschäftigte haben existenzielle Probleme.
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