Ein Kampf hat sich gelohnt
AK Rechtsschutz für Nadina Strobl.
Nach jahrelangem Rechtsstreit gegen die Tirol Kliniken GmbH gibt
es endlich ein Urteil. Nadina wurden im Schadenersatzverfahren weitere 567.000 Euro zugesprochen.
Z
ermürbende Jahre liegen
hinter der Familie Strobl aus
Kufstein. Als wäre die Tra-
gödie um ihre Tochter Nadi-
na nicht schon schlimm genug, die
seit einer Leistenbruch-Operation
2008 schwer behindert ist, mussten
die Eltern auch noch Jahre gegen
die Tilak GmbH (nunmehr: Tirol
Kliniken GmbH) um zustehende
Ansprüche kämpfen. Sie wurden
vertröstet und mit Ausreden und
lückenhaften Gutachten abgespeist.
Die Schiedsstelle in Arzthaftpflicht-
fragen bei der Ärztekammer für Ti-
rol verließ sich auf ein unrichtiges
Aktengutachten und verneinte eine
Haftung der Tilak. Die ärztliche Di-
rektion der Tilak wiederum sprach
von einem „schicksalhaften Ver-
lauf“.
Hilfe von der AK.
Ab 2010 hat-
ten die Eltern mit der AK Tirol dann
endlich einen schlagkräftigen Part-
ner zur Seite: „Wir haben Rechts-
schutz gewährt und den Arzthaf-
tungsexperten RADr. Thomas Juen
beauftragt, Nadinas Ansprüche
durchzusetzen“, erklärt AK Präsi-
dent Erwin Zangerl. „Damit konn-
te die AK den Eltern nicht nur die
Last, sondern auch das finanzielle
Risiko eines Zivilstreits gegen ei-
nen übermächtigen Gegner abneh-
men. Umso mehr freut uns dieses
Ergebnis. Denn die Familie braucht
das Geld dringend, um den Alltag
zu bewältigen.“
Schadenersatz.
Jetzt, nach mehr
als achtjährigem Kampf und nur
mit Hilfe der AK Tirol, konnte der
Familie zu ihrem Recht verholfen
werden: Im Schadenersatzverfahren
sprach das Innsbrucker Landesge-
richt Nadina 567.000 Euro plus Zin-
sen zu – zusätzlich zu den 120.000
Euro, die von den Tirol Kliniken be-
reits geflossen sind. Außerdem haf-
ten diese für alle weiteren Schäden
aus dem folgenschweren Eingriff.
Das Urteil ist rechtskräftig.
„Der Versicherer der Tirol Kli-
niken GmbH, der anfänglich nicht
einmal vom Vorfall informiert
worden war, weil die Klinik-
Verantwortlichen keine Veranlas-
sung dafür sahen, muss jetzt im
Schadenersatzverfahren hundert-
tausende Euro zahlen“, berichtet
Rechtsanwalt Dr. Thomas Juen,
der Nadina im Auftrag der AK Ti-
rol vertreten hat.
Tatsache ist, um eine rasche faire
Lösung waren die Tirol Kliniken nie
bemüht. „ImNovember 2011 – kurz
nach Klagseinbringung – hatten sie
zwar einen Vergleich über 250.000
Euro angeboten, allerdings sollten
damit auch alle weiteren Ansprüche
abgegolten sein. Auch die Frage
der Haftung für künftige Schäden
musste erst das Landesgericht Inns-
bruck im August 2014 entscheiden.
Deren Höhe wurde jetzt in einem
zweijährigen Beweisverfahren vom
Gericht geklärt“, erläutert Rechts-
anwalt Dr. Juen.
Damit muss die Tirol Kliniken
GmbH neben 567.000 Euro für Na-
dina noch rund 79.000 Euro Zinsen
sowie 88.000 Euro Verfahrenskos
ten bezahlen – die eigene Rechts-
vertretung ist hier noch gar nicht
inkludiert.
Der Kampf geht weiter.
Ein
Wermutstropfen bleibt: Verwei-
gerten die Tirol Kliniken doch bis
zuletzt ein Haftungsanerkenntnis
für die Schadenersatzansprüche
der Eltern. „Weil deren Verjährung
drohte, mussten wir gegen die Tirol
Kliniken ebenfalls Schadenersatz-
klage einbringen“, berichtet Anwalt
Dr. Juen. Und in diesem Verfahren
bestreiten die Tirol Kliniken wie-
der jene Behandlungsfehler, die im
zwischenzeitlich abgeschlossenen
Verfahren über Nadinas Ansprü-
che bereits rechtskräftig festgestellt
wurden.
Daneben laufen noch außerge-
richtliche Vergleichsverhandlungen
über weitere Schadenersatzpositi-
onen, wie etwa zu den Kosten für
die Übersiedlung in eine behinder-
tengerechte Wohnung. Diese dro-
hen gar zu scheitern.
Deshalb steht die AK Tirol der
Familie auch weiter zur Seite.
„Ein [...] Sauerstoffmangel während
oder nach der Operation, der zu einer
Hirnschädigung führen würde, konnte
auch durch ein Gutachten der unabhän-
gigen Schiedsstelle der Ärztekammer
nicht festgestellt werden [...]. Alles deutet
[...] darauf hin, dass eine angeborene
Stoffwechselerkrankung vorliegt.“
Dr. Alexandra Kofler MSc., Ärztliche Direk-
torin, TT, Leserbrief, 12.2.2010
ZUR ANGEBLICHEN „SOFORTHILFE“
„Tilak-Sprecher Johannes Schwamberger
weist diese Vorwürfe
(der AK, Anm.)
zu-
rück. ,Ich sehe keine Hinhaltetaktik.’ Man
habe gerade im Fall Nadina kooperiert,
und zwar mit der Patientenvertretung
und den Betroffenen [...]. Außerdem
stehe seitens der Haftpflichtversicherung
der Tilak seit Juli eine Soforthilfe bereit.“
TT, 26.8.2011
„ Die AK Tirol nimmt zu unwahren Aussa-
gen der Tilak Stellung [...] Journalisten
sei von Herrn Mag . Schwamberger [...]
sinngemäß mitgeteilt worden, dass die
[...] Versicherungs AG [...] eine Soforthilfe
von 70.000 Euro angeboten habe [...]
Diese [...] Aussagen [...] sind schlicht
unwahr!“
Pressemitteilung der AK Tirol, 25.8.2011
„Meine Aussage, dass die Haftpflichtversi-
cherung nur auf Kontaktaufnahme durch
den Rechtsvertreter der Familie wartet,
ist damit irreführend und wird von mir
zurückgezogen.“
Tilak-Presseinformation Mag. Johannes
Schwamberger, 29.8.2011
AUS DEMURTEIL
„Gehirnschaden und [...] Beeinträch-
tigungen wären unterblieben, wenn
die Mitarbeiter [...] die im Teil- und
Zwischenurteil angeführte Überwa-
chung, präzise und rasche Diagnostik
und Therapie gesetzt hätten [...]. Bei
der Klägerin (Nadina) lagen [...] keine
Vorschäden oder Vorerkrankungen [...]
vor.“
Sie „konnte [...] trotz exzellenter Förde-
rung durch die Eltern und ausgezeich-
neter therapeutischer Förderung keine
relevanten Defizite aufholen [...]. Sie
wird immer pflegebedürftig sein. Die
Klägerin wird auch in Zukunft aufgrund
des erlittenen Gehirnschadens Schmer-
zen erleiden. Sie wird [...] nie im Stande
sein, ein eigenständiges Leben zu
führen und einem Beruf nachzugehen.“
Durch plötzliche Krampfanfälle kann
es [...] „zu Schluckstörungen und
somit zu kurzfristig auftretenden
Erstickungsanfällen [...] kommen [...].
(Nadina) hat allein 10 bis 20 ,kleinere’
Krämpfe am Tag. Dazu kommen [...]
,größere’ Krampfgeschehen (ca. zwei
pro Woche).“
„Allein aus der Stundenzahl [...]
erschließt sich [...], dass die Eltern [...]
schier unmöglich Scheinendes leisten
[...] der Sachverständige (hat) [...]
klargestellt, dass bei einem Pflegemehr-
bedarf von rund 370 Stunden im Monat
[...] jedenfalls zwei Vollzeit-Pflegekräfte
erforderlich“ wären.
Zitate zum Fall: Nadina litt vor dem Eingriff an keinen Vorerkrankungen
Schicksalhaft?
Von wegen
N
adina wird am 24. November neun
Jahre alt. Sie kann weder gehen,
noch frei sitzen oder zielgerichtet handeln.
Sie kann nicht sprechen, nicht bildlich
wahrnehmen, ihre Motorik ist schwer
beeinträchtigt und sie leidet unter epilep-
tischen Anfällen.
Ursache ist ein massiver Gehirnschaden
nach Komplikationen bei der Leisten-
bruch-Operation am
4. Jänner 2008
in
der Innsbrucker Kinderklinik.
Im
Dezember 2008
schalten die Eltern
mit der Patientenvertretung des Landes
die Schiedsstelle der Ärztekammer ein.
Ein offensichtlich lückenhaftes anästhesi-
ologisches Gutachen folgt. Darin heißt es,
dass kein ärztliches Fehlverhalten vorliege
und dass es sich um einen schicksalhaften
Verlauf handle.
2009
leitet die Staatsanwaltschaft Inns-
bruck Ermittlungen ein (das Strafverfah-
ren endet mit einem Freispruch).
2010
gewährt die AK Tirol Rechtsschutz
und beauftragt RA Dr. Juen mit der Vertre-
tung. Der Patientenentschädigungsfonds
des Landes, von dem die Eltern 30.000
Euro erhalten, will ebenfalls Antworten.
Bei Prof. Dr. Jochen M. Strauß wird ein
anästhesiologisches Gutachten in Auftrag
gegeben.
Im
März 2011
liegt das Strauß-Gutach-
ten vor. Einige wesentliche Ergebnisse:
•
Nadina war vor der Operation gesund.
•
Bei der Narkose gab es erhebliche scha-
densursächliche Sorgfaltsmängel, die
durchgehende Überwachung zwischen
OP-Ende und Aufwachraum fehlt.
•
Erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des
Anästhesieprotokolls
•
Dürftige bzw. mangelhafte Dokumenta-
tion, teilweise fehlende bzw. verspätete
Diagnostik in der Intensivstation.
Doch ein Haftungsanerkenntnis bleibt
aus. RA Dr. Juen bringt am
25. August
2011
die Schadenersatzklage ein.
Am
29. August 2011
zahlt die Tilak
70.000 Euro als Schmerzengeld, am 28.
November 2014 folgen 50.000 Euro
(30.000 Euro Schmerzengeld, 20.000
Euro für Pflegeaufwand).
Jetzt, nach Erhalt der Entschädigung,
wurden die 30.000 Euro an den Patien-
tenentschädigungsfonds retourniert.
CHRONOLOGIE
Foto: AK Tirol/Liebl Daniel
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ATIENT
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H
ILFE
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Nr. 89, Oktober 2016
„Hilfe der AK hat unser Leben verändert.“
Manfred, Nadina und Indira Strobl mit AK Präsident Zangerl und Anwalt Dr. Juen beim Pressegespräch am 10. Oktober (v. li.).
Foto: AK Tirol/Liebl Daniel
Wichtiges Urteil.
Vater Manfred Strobl
mit seiner achtjährigen Tochter Nadina.