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Nr. 97, Juni 2017
G
ESUNDHEIT
&
S
OZIALES
Wichtige Werte
im Überblick
W
issen Sie, wie hoch die Rezept-
gebühr derzeit ist? Oder unter
welchen Voraussetzungen Sie davon
befreit werden können? Die Experten
der AK Tirol haben im handlichen Falter
„Wichtige sozialrechtliche Bestimmungen
2017“
viele aktuelle Werte zusammen-
gefasst. Hier finden Sie Informationen
von der Ausgleichszulage bis zur Rezept-
gebühr und haben alle Neuerungen bei
Selbstbehalten, Einkommensgrenzen
etc. gleich zur Hand. Lesen Sie außerdem
alles zu Höchstbeitragsgrundlagen für
Pensions-, Unfall-, Arbeitslosen- und
Krankenversicherung, Familienbeihilfe,
zu den Varianten beim Kinderbetreu-
ungsgeld oder über das neue Kinderbe-
treuungsgeldkonto. Der Falter
„Wichtige
sozialrechtliche Bestimmung 2017“
kann
kostenlos angefordert werden unter
0800/22 55 22 – 1631 und steht auf
www.ak-tirol.combereit.
HANDLICHER FALTER
Vielfalt statt Einfalt
S
eit einigen Monaten wird
diskutiert, ob es zu viele
Krankenversicherungsträger
gibt. TGKK-Direktor Dr.
Arno Melitopulos hat dazu wichtige
Fakten parat. Bei allen Beiträgen zu
dieser Diskussion fehlt die entschei-
dende Perspektive: Nicht die Frage
nach der Struktur und der Anzahl
der Träger löst Probleme wie unbe-
setzte Arztstellen, Wartezeiten oder
finanzielle Engpässe. Es muss da-
rum gehen, die Versorgung der Be-
völkerung abzusichern und weiter
zu verbessern. Der Erfolg ist daran
zu messen, ob sich letztlich „mehr
Gesundheit“, mehr gesunde Lebens-
jahre und eine höhere Zufriedenheit
der Bevölkerung ergeben.
Faire soziale
Krankenversicherung
Ist ein System gerecht, in dem
ausgewählte Berufsgruppen wie
Selbstständige oder Beamte eigene
Risikosysteme mit geringeren Ver-
sicherungsrisiken und höheren Ein-
nahmen bilden können? Oder ist es
gerecht, dass die ohnedies belastete
Risikogemeinschaft aller Arbeiter
und Angestellten all jene Personen-
gruppen mittragen muss, die ein
besonderes Risiko darstellen – wie
etwa Arbeitslose, Mindestsiche-
rungsbezieher oder Asylwerber?
Die österreichische Krankenversi-
cherungslandschaft gliedert sich in
neun Gebietskrankenkassen mit ins-
gesamt 7,1 Millionen Versicherten,
vier Sonderversicherungsträgern,
nämlich für Beamte (BVA), Selbst-
ständige (SVA), Bauern (SVB) und
Eisenbahner (VAEB) mit gesamt
2,17 Millionen Versicherten sowie
fünf Betriebskrankenkassen, wo
knapp 51.000 Personen versichert
sind. Dazu kommen 17 Kranken-
fürsorgeanstalten, in Tirol bekannt
als KUF für Landeslehrer, Lan-
des- und Gemeindebedienstete, die
somit keine Sozialversicherungsträ-
ger sind und dem Land zuzuordnen
sind. Um die effektive Nutzung der
eingesetzten Finanzmittel für die
Sozialversicherung zu prüfen, hat
die Bundesregierung im Juli 2016
eine Effizienzstudie in Auftrag ge-
geben, deren Ergebnisse in Kürze
vorliegen sollen.
Regionalität als Stärke
Gebietskrankenkassen sind bei der
Sicherung der Versorgung im Bun-
desland von höchster Bedeutung.
Die Gelder der Kassen sind fixe
Budgetgrößen und tragen maßgeb-
lich zum Erhalt des regionalen Ge-
sundheitswesens, also Krankenhäu-
ser, Ärzte, Therapeuten, Rettung,
Notarzt-Hubschrauber etc. bei. Wer
in einem Bundesland für fast 80 %
der Menschen sorgt, hat ebenfalls
eine Verantwortung für die Sys-
temerhaltung und -entwicklung.
Analyse.
Warum die Debatte um die Struktur der Sozialversicherung falsch
geführt wird und warum Qualität statt Quantität im Vordergrund stehen muss.
Insbesondere die in der Region
lebenden Vertreter von Dienstneh-
mer und -geber tragen nachhaltig
zur Versorgung bei: Sie wissen um
regionale Gegebenheiten und die
konkreten Bedürfnisse – das ist bei
der Gesundheitsplanung wesent-
lich. Bei einem bundesweit ver-
einheitlichten System wäre für re-
gionale Besonderheiten kein Platz
mehr. Ein Einheitsträger bedeutet
auch eine Reduktion, wenn nicht
das Ende der Mitbestimmung der
Tiroler Beitragszahler und damit
der Tiroler Bevölkerung – maßge-
schneiderte, lokale Lösungen wä-
ren nicht mehr möglich.
Auf Kosten
der Versicherten
Letztlich ist entscheidend was für
die Patienten erreicht wird. Struk-
turdebatten haben nur dann ihre
Berechtigung, wenn sie die Ab-
sicht haben, Versorgung, Qualität,
gesunde Lebensjahre und letztlich
die Zufriedenheit der Bevölkerung
zu verbessern. Unabhängig von der
gewählten Struktur: Eine ziel- und
ergebnisorientierte Steuerung über
Messgrößen und Zielwerte ist das
effektivere Instrument.
Unter Berücksichtigung von re-
gionalen Bedürfnissen ist eine kos-
tenoptimale, bedarfsgerechte und
rasche Lösung der Herausforde-
rungen möglich. Eine von Einzel-
nen angedachte Zusammenlegung
würde eine riesige Krankenkasse
mit 7,1 Millionen Versicherten und
einem Budget von 13,3 Milliarden
Euro ergeben – jedoch auf Kosten
der Versicherten.
Nummer 125 |
Sonntag, 7. Mai 2017
Blick von außen
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Seit einigen Monaten
wird diskutiert, ob es zu
viele Sozialversicherungs
träger, insbesondere
Krankenversicherungs
träger, gibt und wie man
deren Struktur verändert.
Bei all den Beiträgen zu
dieser Diskussion fehlt die
entscheidende Perspek
tive: Nicht die Frage der
Strukt r und die Anzahl
der Institutionen lösen
Probleme wie besetzte
Arztstellen, Wartezeit n
ode finanzielle Engpäs
se. Es muss darum gehen,
di hervorragende Versor
gun der Bevölkerung ab
zusichern und weiter zu
v rbessern. Der Erfolg ist
daran zu ssen, ob l tzt
lich „mehr G sundh it“,
mehr gesunde Lebensjah
re und eine höhere Zufrie
denheit der Bevölkerung
resultieren.
Ein Vergleich mit unse
ren Nachbarn in Deutsch
land und Schweiz zeigt,
dass Österreich jetzt
schon gut aufgestellt ist.
Ein faires soziales
Krankenversicherungssystem
Ist ein System gerecht,
in dem historisch bedingt
ausgewählte Berufsgrup
pen eigene Risikosysteme
bilden – bei geringeren
Versicherungsrisiken und
höheren Einnahmen, wie
es etwa bei Beamten oder
Selbstständigen d r Fall
ist? Oder ist ein System
gerecht, in dem die oh
nedi s belastete Ri iko
gemeinschaft aller Arbei
ter und Ang st llten all
jene Persone gruppen
mitträgt, die e n besonde
res Risiko darstellen – wie
etwa Asylwerb , M n
destsicherungsb zieher
oder Arbeitslose, deren
Eigenb itr g keinesfalls
kostendeckend ist? Die
österreichische Kranken
versicherungslandschaft
gliedert sich in neun Ge
bietskrank nkass mit
insgesamt 7,1 Mio. Versi
cherten, vier Sonderversi
cherungsträger, nämlich
für Beamte (BVA), Selbst
ständige (SVA), Bauern
(SVB) und Eisenbahner
(VAEB) mit gesamt 2,17
Mio. Versicherten und
fünf Betriebskrankenkas
sen, in denen rund 51.000
Personen versichert sind.
Dazu kommen 17 Kran
kenfürsorgeanstalten, i
Tirol b kannt als KUF,
die keine Sozialversiche
rungsträger sind und den
Ländern zuzurechnen
sind.
DieösterreichischeBun
desregierung hat im Juli
2016 beschloss n, ine so
genan te Effiz enzstudie
zur Sozialversicherung i
Auftrag zu geb n. Gut
acht r der renommie ten
Londo School of Eco
nomics sollen dab u. a.
effizient und effek ive
Nutzung der eingesetzten
Finanzmittel, die Redu
zierung der Trägerland
schaft, eine allfällige Leis
tungsharmonisierung,
Stärkung der Prävention
und Gesundheitskompe
tenz, die Modernisierung
des Vertragspartnerrechts
und der Tarifkataloge prü
fen. Ergebnisse sollen im
Juni vorliegen.
Ausschließlich Schwächen in
der Sozialversicheru g?
Schwächendes österrei
chischenGesundheitssys
tems haben ihre Ursachen
nicht rein in strukturellen
Fragen der Sozialversi
cherung. Man muss die
Sozialversicherung alsTeil
eines Sys ems mit vielen
Vera twortlichen verste
hen. Im U kehrschluss
bedeutet das, dass die An
passung e es einzelnen
Sys empartners zu kurz
gr ift, oh e auch die an
deren Sta holder „an
zu assen“, also z. B. die
Kompetenz n der Länder,
Befugnisse und Rolle der
Ärztekammer, son t scha
det man d m Gesamt
system.
Eine weitere System
schwäche in Österreich
liegt in der Dualität der
Finanzierung, in einer
vielschichtigen Kompe
tenzZersplitterung sowie
der hohen Einflusskraft
mancher Anbieter. Mit
den Gesundheitsrefor
men 2005 und 2013 urde
versucht, eine gesamthaf
te Planung und Steuerung
zu etablieren. Von einem
großen Umbau während
lauf nder Umsetzung der
Gesu dheitsreform ist
dringend abzuraten. Eine
kompetenzrechtlich Ei
nigung zwischen Länder
und B scheiterte bis
her. Dennoch, die Ge
sundheit reformen wir
ken: Bund, Länd r und
Sozialversicherung sind
enger zusammengerückt.
Viele erfolgreiche Projekt
wurden auch in Tirol um
g setzt, z.B. inewoh ort
nahePalliativVerso gung,
der Schlaganfallpfad Ti
ol oder die innovative
Erstversorgungseinheit
Anichstraße.
Darüber hinaus konnte
Warum die Debatte um die Struktur der Sozialversicherung falsch geführt wird
und Qualität statt Quantität im Vordergrund stehen muss.
Vielfalt statt Einfalt
Tiroler Krankenkassenlandschaft
Soziale Krankenversicherung im Vergleich
TGKK BVA SVA VAEB SVB KUF
TGKK
563.287 Personen
BVA
76.626 Personen
SVA
75.627 Personen
VAEB
25.899 Personen
SVB
25.439 Personen
KUF gesamt
11.742 Personen
Versicherungsart
Pflichtversicherung
Versicherungspflicht
Versicherungspflicht
Finanzierung
Beiträge (hauptsächlich)
Beiträge (hauptsächlich)
Beiträge (hauptsächlich)
Krankenversicherung-
Beitragssatz
7,65%
14,6%
(inkl. 100% Spitalskosten)
nach Kasse & Kanton
unterschiedlich
Anspruchsberechtigte
8,4 Mio.
70,3 Mio.
8,1 Mio.
Anzahl KV-Träger
18 (davon 5 BKK)
132
60
durchschnittliche
Anspruchsberechtige
(pro KV-Träger)
442.000
532.000
136.000
Einnahmen
17.200 Mio. €
204.240 Mio. €
23.372 Mio. €
Verwaltungsaufwand
460 Mio. €
10.013 Mrd. €
1.160 Mrd. €
Verwaltungskosten in
% der Einnahmen
2,74%
4,90%
4,97%
Verwaltungspersonal
7.934
131.958
13.149
Grafik: TT
Foto: TGKK
Bauen auf regionale Stärke:
TGKK-ObmannWerner Salzburger (li.) und TGKK-Direktor Dr. Arno Melitopulos.
„Ein Einheitsträger
kann das Ende der
Mitbestimmung der
Tiroler Bevölkerung
bed uten.“
Werner Salzburger, Obmann TGKK
Soziale Kranke v rsicherung imVergleich
GRAFIK
TIROLER KASSENLANDSCHAFT
FACTS
GUT ZU WISSEN
Hilfe bei Pension
und Pflegegeld
A
uch beim Älterwerden und den Pro-
blemen am Berufsende steht die AK
ihren Mitgliedern zur Seite: Da werden
Unterstützung und Hilfe großgeschrie-
ben. Vom Arbeitsleben in den wohlver-
dienten Ruhestand zu treten, ist für viele
Beschäftigte schwer genug. Dabei helfen
die Sozialrechtsexperten der AK mit
Beratung, Information und kostenloser
Vertretung vor Gericht.
Immerhin bei 2.148 Verfahren
standen die AK Juristen im Jahr 2016
zur Seite. Insgesamt führten die AK Sozi-
alrechtsexperten 46.850 Beratungen für
die AK Mitglieder durch und erkämpften
mehr als 24,8 Millionen Euro für die
Mitglieder.
Neben der Pension ist ein wichtiger
Bereich das Pflegegeld. Denn nicht
immer werden die Pflegebedürftigen
richtig eingestuft. Weitere große
Beratungsbereiche betreffen die
Anerkennung von Schwerarbeitszeiten
sowie Fragen zur Ausgleichszulage und
zum Arbeitslosengeld. Einen Schwer-
punkt stellen die Information und Hilfe
zum Kinderbetreuungsgeld und zum
Wochengeld dar. Immer wichtiger sind
auch die Auskünfte zur Mindestsiche-
rung und den Heimkosten. Infos unter
Tel. 0800/22 55 22 –1616.
Foto: contrastwerkstatt
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