OFFEN GESAGT
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Nr. 99, September 2017
Zangerl: Wehret den Anfängen!
Im Gespräch.
Der Wahltag darf für die Arbeitnehmer nicht zum Zahltag werden. Deshalb sollte
jedes AK Mitglied mit Bedacht seine Stimme am 15. Oktober abgeben, sagt der AK Präsident.
TAZ: Herr Präsident, worum
geht es für dieArbeitnehmer-
Familien wirklich bei den
Nationalratswahlen am
15. Oktober?
Zangerl:
Es geht um
eine gute Zukunft für un-
ser Heimatland, aber es
geht auch um das sichere
Auskommen für unsere
Arbeitnehmer-Familien.
Sie haben es nicht verdient,
zum Spielball einzelner Par-
teien zu werden. Verges-
sen wir eines nicht: Die
Beschäftigten sind
die Leistungsträger.
Nur durch ihren
vorbildlichen Ein-
satz ist unser Land
auf der Überholspur.
Das wollen manche
neoliberalen Kreise
nicht gerne hören.
Die
Konjunktur
ist angesprungen,
wir haben ein
stabiles Wirt-
schaftswachs-
tum und steigende Beschäftigungs-
zahlen. Und warum? Weil AK und
Gewerkschaften der Regierung vor
eineinhalb Jahren die größte Lohn-
steuerreform abgerungen haben.
Die Menschen haben wieder mehr
Geld verfügbar. Geld, das wiede-
rum der heimischen Wirtschaft di-
rekt zugutekommt und positive Im-
pulse auslöst.
TAZ: Wird dieser Aufschwung
schamhaft verschwiegen?
Zangerl:
Selbst, wenn jetzt viel
von Veränderung und von neuen
Gesichtern die Rede ist: Die Leis-
tungen der jetzigen Regierung
können nicht so schlecht gewesen
sein, angesichts dieser guten Wirt-
schafts- und Beschäftigtenzahlen.
Ein Sprichwort lautet: Es kommt
selten etwas Besseres nach.
TAZ: FPÖ und neos wollen die
Kraft und Stärke der Arbeiter-
kammer in ihrem Einsatz für die
Beschäftigten massiv schwächen.
Welche Absicht steckt dahinter?
Zangerl:
Wir sind einigen Par-
teien und Lobbys aus Industrie und
Großkapital ein Dorn im Auge,
weil wir uns für die Anliegen und
die Interessen der Beschäftigten
einsetzen und das mit voller Kraft.
Die Menschen wissen, was sie an
der AK und den Sozialpartnern ha-
ben. Nicht umsonst verfügt die AK
über die höchsten Vertrauenswerte
– im Gegensatz zu den Parteien.
Wer kümmert sich um die Sorgen
der Menschen? Nicht die Parteien –
sondern die Arbeiterkammer! Wer
die AK schlechtmachen will, ist
kein Freund der Arbeitnehmer und
schadet sich nur selbst. Neid war
immer schon ein schlechter Ratge-
ber.
TAZ: Die AK und die Arbeitneh-
mer mussten in ihrer Geschichte
schon manch dunkle Jahre erle-
ben. Befürchten Sie, dass sich die
Dinge wiederholen?
Zangerl:
Wehret den Anfängen!
Wir müssen aus der Geschichte ler-
nen und radikalen Vorschlägen ent-
schieden entgegentreten. Die AK
ist schon einmal politisch verfolgt
worden, im Jahr 1934, und wurde
ab 1938 sogar aufgelöst. Das waren
die dunkelsten Stunden in unserem
Land. Das sollten wir nie verges-
sen. Die zweite Republik hat den
Menschen Wohlstand und Sicher-
heit gebracht. Solidarität und Zu-
sammenhalt sind der Kitt unserer
Gesellschaft. Die derzeitigen Ten-
denzen lassen das Gegenteil be-
fürchten. FPÖ und neos wollen
die solidarische Gemeinschaft der
Arbeitnehmer in der AK beenden.
Wer den AK Solidarbeitrag kürzen
oder die Mitgliedschaft für alle ab-
schaffen will, soll ehrlicherweise
dazu sagen, dass er die demokrati-
schen Rechte der Arbeitnehmer be-
schneiden will. Die AK finanziert
sich allein aus den Beiträgen ihrer
Mitglieder, sie arbeitet sparsam, ef-
fizient und bringt mehr als sie kostet.
TAZ: Wie sieht die Förderung für
die Parteien aus?
Zangerl:
Bei der Parteienförderung
handelt es sich um Pflichtbeiträge
der Steuerzahler! Die Parteien er-
halten pro Jahr 209 Millionen Euro
aus Steuermitteln! Das ergibt wäh-
rend einer Regierungsperiode die
Summe von einer Milliarde Euro.
Ich wüsste dafür keine vergleich-
bare Leistung der Parteien für die
Bürger wie jene der AK für ihre
Mitglieder.
TAZ: Wieviel Steuermillionen be-
kommen die einzelnen Parteien?
Zangerl:
Laut APA entfallen 57,4
Mio. auf die ÖVP, 55,2 Mio. auf die
SPÖ, 43,6 Mio. auf die FPÖ, 25,2
Mio. auf die Grünen und 8,3 Mio.
Euro auf die neos.
„Aus der Geschichte
lernen: Die AK wurde
schon einmal politisch
verfolgt und ab 1938
sogar aufgelöst!“
Erwin Zangerl, AK Präsident
„Wer kümmert sich
wirklich um die Sorgen
der Menschen? Nicht
die Parteien – sondern
die Arbeiterkammer!“
Erwin Zangerl, AK Präsident
16.7.1945:
Mit Beschluss der Landes-
regierung wird die Wiedererrichtung
der Kammern ermöglicht.
13.8.1945:
Mit dem Arbeiterkammer-
gesetz wird die rechtliche Grundlage
für die Wiedererrichtung der Kam-
mern geschaffen. Das Gesetz gilt
vorerst nur für den Einflussbereich der
Sowjetzone. Daher gibt es im August
nur konstituierende Vollversamm-
lungen in Wien, Niederösterreich
und im Burgenland. Außerhalb der
Sowjetzone kann nur in Tirol die AK
bereits im Oktober 1945 mit ihrer
Tätigkeit beginnen. Ab 31.12.1945 gilt
das AK Gesetz nach Zustimmung des
Alliierten Rates für alle Bundesländer.
Bereits ab Ende 1945 gibt es Schu-
lungen für Betriebsräte.
Unter dem Namen Berufsförderungs-
institut (BFI Tirol) werden Kurse für
Heimkehrer und Arbeitslose angebo-
ten. Bereits in der ersten Nachkriegs-
Periode ist die AK Tirol in allen
Bezirken mit Amtsstellen vertreten.
Zu den gesetzlich festgelegten Aufga-
ben der AK kommt der Konsumenten-
schutz neu dazu.
Neu: Rechtsberatung und kostenloser
Rechtsschutz in Arbeits- und Sozial-
rechtsangelegenheiten. Auf Druck der
AK Tirol: Fahrtenbeihilfe für Lehrlinge.
Die AK Mitgliederbefragung bringt
ein eindeutiges Ergebnis: Mehr als
90 % der Beschäftigten sprechen sich
für den Weiterbestand der AK aus.
Arbeiterkammergesetz 1954
Ministerien und Ämter müssen Ge-
setzesentwürfe und Verordnungen an
die Arbeiterkammern übermitteln.
„Amtlicher“ Charakter der AK wird be-
tont. Den Arbeiterkammern gehören
alle Dienstnehmer an.
Neue Services: Wohnungsdarlehen
und Konsumentenberatung.
1945
1946
1982
1992
1954
1996
1938-45 1946
1954
1996
2017
gen. Die Mitarbeiter werden ohne
Anspruch auf Pension entlassen.
Das Kammergebäude wird von
der Kreisleitung der NSDAP
besetzt. Nach dem Ende des 2.
Weltkriegs wird das Kammerge-
bäude unter der Führung von
Ernst Müller und Franz Hüttenber-
ger sichergestellt.
Foto: Superiokonskop
1965
1974
1971
1970
1977
Verlängerung
des Mindest-
urlaubs durch
General-KV auf
drei Wochen
Entgeltfortzah-
lungsgesetz:
Lohnfortzahlung
bei Krankheit oder
Unfall
Schüler
beihilfen-
gesetz
tritt
in Kraft
43-Stunden-
Woche
wird
eingeführt
Pflege-
freistellungs-
gesetz
Der Anspruch auf bezahlten
Mindesturlaub beträgt 4
Wochen und erhöht sich
nach 20 Dienstjahren auf 5
Wochen, Insolvenzschutz
1976
?
Kampf gegen die Arbeitnehmer
Im Zuge der Nationalratswahlen
werden von Seiten der FPÖ und
den neos Rufe laut, die Arbeiter-
kammern zu beschneiden bzw. ab-
zuschaffen. Damit wären die Rechte
der Arbeitnehmer beschnitten,
über drei Millionen Beschäftigte
würden ihren Schutz verlieren.
1979
In der nächsten Ausgabe:
1980 bis 2017
Gleichstellung der Arbeite-
rinnen und Arbeiter mit den An-
gestellten bei der Abfertigung;
Konsumentenschutzgesetz,
Gleichbehandlungsgesetz