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A

RBEIT

&

R

ECHT

4

Nr. 99, September 2017

Frauen in der Teilzeitfalle

H

ierzulande ist und bleibt

Teilzeit ein weibliches

Phänomen. Mehr als jede

zweite berufstätige Frau

in Tirol arbeitet Teilzeit! Tendenz

steigend

(siehe Fakten unten)

.

Während Teilzeitarbeit in eini-

gen Lebenssituationen die richtige

Wahl sein kann, ist sie nicht immer

freiwillig. Frauen müssen oft dazu

verdienen, weil jeder Euro zählt, an-

gesichts niedriger Löhne und hoher

Lebenshaltungs- und Wohnkosten.

Andererseits können sie Familie

und Beruf nur mit Teilzeitbeschäf-

tigung bewältigen, weil es an Be-

treuungseinrichtungen samt geeig-

neter Öffnungszeiten mangelt, vor

allem im ländlichen Raum. Aber

Teilzeitarbeit hat massive Auswir-

kungen nicht nur auf Karriere- und

Berufschancen. Teilzeitarbeit bietet

außerdem nicht das Einkommens-

niveau einer Vollzeitarbeit. Ganz

abgesehen davon, dass finanzielle

Selbständigkeit nur mit einer ein-

zelnen Teilzeitarbeit angesichts des

Preisniveaus in Tirol so gut wie un-

möglich ist.

Aber vor allem heißt halber Lohn

auch halbe Pension

(siehe rechts)

.

Eine Tatsache, die Frauen im Alter

schmerzlich zu spüren bekommen

können.

Das gilt rechtlich.

Nichts desto

trotz bleibt vielen nur diese Arbeits-

form, um etwas dazu zu verdienen.

Da heißt es auf jeden Fall, alle recht-

lichen Bestimmungen zu kennen.

• Teilzeitarbeit liegt vor, wenn die

vereinbarte Wochenarbeitszeit die

gesetzliche (40 Wochenstunden)

oder eine kollektivvertraglich ver-

kürzte Normalarbeitszeit (z. B. im

Handel 38,5 Stunden) unterschrei-

tet. Ausmaß, Lage und Änderung

dieser Arbeitszeit sind zwischen

Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu

vereinbaren.

• Teilzeitbeschäftigte sind zurMehr-

arbeit nur dann verpflichtet, wenn

keine

berücksichtigungswür-

digen Interessen der Mehrarbeit

entgegenstehen (z. B. Kinderbe-

treuungspflichten). Bei teilzeitbe-

schäftigten Arbeitnehmern ist bei

der Berechnung der Sonderzah-

lungen (Urlaubs- und Weihnachts-

geld) die regelmäßig geleistete

Mehrarbeit zu berücksichtigen.

Keine Einrechnung der Mehrar-

beit in Sonderzahlungen erfolgt,

wenn für die Mehrarbeit Zeitaus-

gleich vereinbart wurde.

• Teilzeitbeschäftigte dürfen wegen

der Teilzeitarbeit gegenüber voll-

zeitbeschäftigten Arbeitnehmern

nicht benachteiligt werden.

Das Wichtigste zu Mehrarbeit,

Überstundenarbeit und Ent-

lohnung sowie zu Zeitaus-

gleich steht in der AK Bro-

schüre

„Teilzeitarbeit“

,

kostenlos anzufordern un-

ter 0800/22 55 22 – 1432

oder auf

www.ak-tirol.com

Benachteiligt.

Teilzeitarbeit mag zwar in manchen Lebenslagen für Frauen die richtige

Wahl sein. Doch diese Arbeitsform bringt auf Dauer keine eigenständige Absicherung.

Halber Lohn =

halbe Pension

L

ange Teilzeitarbeit wirkt sich negativ

auf die Höhe der Pension aus. Das

trifft vor allem auf Mütter zu, die wegen

der Kinderbetreuung oft nicht Vollzeit

arbeiten können. Die Pension ist das

Spiegelbild des Erwerbslebens: Nied-

riges Einkommen, berufliche Unterbre-

chung und Teilzeit sind der Hauptgrund,

dass die Pensionen der Frauen deutlich

niedriger sind als jene der Männer.

Mehr als jede zweite berufstätige Frau

in Tirol arbeitet Teilzeit (53 %), Tendenz

steigend. Der spätere Umstieg auf

Vollzeit ist auch deswegen oft schwer,

weil die notwendigen Betreuungseinrich-

tungen samt geeigneter Öffnungszeiten

fehlen. Was lange Teilzeitarbeit für Frauen

bedeuten kann, illustriert der Berufsver-

lauf zweier Verkäuferinnen mit gleichem

Einstiegsgehalt. Das Beispiel zeigt, wie

sich unterschiedliche Wiedereinstiegs-

modelle auf die spätere Pension auswir-

ken. Während die eine, Eva, nach den

beiden Kindern mit Unterstützung ihres

Mannes früher wieder einsteigt und zwar

gleich in Vollzeitarbeit, bleibt die zweite

Mutter, Maria, länger bei den Kindern zu

Hause, arbeitet danach 18 Jahre Teilzeit

und wechselt später in Vollzeit. Eva, die

früher wieder voll eingestiegen ist, geht

mit 60 Jahren in Pension und bekommt

nach den heute geltenden Regeln 1.370

Euro Pension. Maria hingegen, die

länger bei den Kindern geblieben ist und

lange Teilzeit gearbeitet hat – bekommt

am Berufsende 890

Euro Pension. Die

Faustregel „Halber

Lohn heißt halbe

Pension“ ist also

nicht ganz von

der Hand zu

weisen.

Daten & Fakten.

84.300 Frauen in Tirol arbeiten Teilzeit - mehr als jede

zweite Berufstätige! Vollzeitbeschäftigte Tirolerinnen gibt es lediglich 73.400.

F

ür alle unselbständig Be-

schäftigten in Tirol betrug

die Teilzeitquote im Jahr

2016 30,7 %. Insgesamt

gingen etwa 100.000 Beschäftigte

einer Teilzeitarbeit nach. Der weit

überwiegende Teil davon – etwa

84.300 Personen – waren Frauen.

Die Teilzeitquote der Frauen

machte 53,5 % aus, während die

der Männer lediglich 9,3 % betrug.

In absoluten Zahlen: In Vollzeit ar-

beiten 152.200 Männer, in Teilzeit

hingegen nur 15.700 – zweifellos

ein gravierender Unterschied.

65 Prozent der gesamten Tiroler

Beschäftigungszunahme seit 2011

gehen auf das Konto weiblicher

Teilzeitarbeit.

Ähnliche Arbeitszeiten.

Ein de-

taillierterer Blick in die Daten rela-

tiviert diese Zahlen. Denn die tat-

sächlich geleisteten wöchentlichen

Arbeitsstunden von Männern und

Frauen, weichen nicht so sehr

voneinander ab, wie das die

höchst

unterschiedliche

Teilzeitquote suggerieren

könnte.

MÄNNER.

Tiroler Män-

ner leisteten laut Mi-

krozensus im Jahr 2016

durchschnittlich 34,2 Ar-

beitsstunden pro Woche.

Männer mit einer Vollzeittätig-

keit kamen auf 36 Stunden, Männer

mit Teilzeitarbeit auf 17,1 Stunden.

FRAUEN.

Die Frauen in Tirol lei-

steten im Durchschnitt 25,7 Ar-

beitsstunden pro Woche – nur rund

ein Viertel weniger (8,5 Stunden)

als die Männer. Bei Vollzeitarbeit

kamen die Frauen auf 35 tatsäch-

lich geleistete Arbeitsstunden und

lagen damit beinahe gleichauf mit

den Männern. Bei Teilzeitarbeit la-

gen die Frauen mit 17,7 Stunden,

sogar etwas über der Stundenleis-

tung der Männer.

Lohn.

In der Zusammenschau

bedeutet dies, dass die Einkom-

mensunterschiede zwischen

Männern und Frauen – die

Männereinkommen über-

trafen diejenigen der

Frauen um 56 % – zwar

zum Teil durch den Fak-

tor Arbeitszeit erklärt

werden können, dies als

vollständige Erklärung je-

doch sicher nicht ausreicht.

Ganz offensichtlich bestim-

men die unterschiedlichen be-

ruflichen Positionen von Männern

und Frauen und die Verteilung über

die verschiedenen Branchen min-

destens ebenso wesentlich über die

Einkommenschancen. Noch ein

wichtiger Faktor: Mehrarbeit in der

Teilzeit wird ungerecht und nied-

riger entlohnt als Überstunden in

der Vollzeit

(siehe links)

.

Die Hälfte arbeitet atypisch

Mehr Zuschlag

bei Mehrarbeit

B

ei Teilzeit wird Mehrarbeit nach

speziellen Regeln abgerechnet. Der

sogenannte Mehrarbeitszuschlag wird

zwischen der vereinbarten und der Nor-

malarbeitszeit (40 Wochenstunden bzw.

z. B. im Handel 38,5 Stunden) nur mit

25 Prozent abgegolten. Diesen Zuschlag

gibt es aber nur, wenn die Mehrarbeit

nicht innerhalb von drei Monaten

durch Zeitausgleich abgegolten wurde.

Überstundenzuschläge bei Vollzeitarbeit

werden hingegen mit mindestens 50 Pro-

zent abgegolten. Diese Benachteiligung

gehört beseitigt. Die AK Tirol verlangt die

Angleichung des Mehrarbeitszuschlags

auf den Überstundenzuschlag.

FORDERUNG

Teilzeitarbeit

ist größtenteils weiblich. Dabei kommt es immer wieder zu Problemen und zahlreichen Anfragen.

AKUT

TEILZEITARBEIT

T

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