„Eine Woche 2044“.
Was bleibt, wenn sich vor allem immer mehr Junge zurückziehen
und sich nicht mehr einmischen und politisch engagieren? Eine Zeitzeugin berichtet.
Die Zukunft selbst gestalten
S
ie und er – Nachbarskinder.
Aber nach der Volksschule
trennen sich ihre Wege. Bis
zumWiedersehen vergehen
fast zwanzig Jahre. Er war nach
dem Technikstudium jahrelang
Projektleiter in Japan, sie nennt
sich beim Wiedersehen „eine PE“.
„Was ist eine PE?“
„Eine PE ist eine prekäre Exis-
tenz. Eine, die von der Hand in
den Mund lebt, von mehreren Jobs
– wenn sie Glück hat. Als PE hast
du keine berufliche Heimat. Und
das bleibt dir auch danach noch.
Psychisch ist man überall und nir-
gends. Dabei waren meine Aus-
bildungen gar nicht so schlecht.
Aber das Umfeld hat nicht mehr
gestimmt. Überhaupt nicht mehr“.
Sie erzählt weiter: „Du weißt
vielleicht noch, ich war immer
künstlerisch interessiert. Malerei
und auch Musik. Aber nach der
Matura hieß es daheim: Mach un-
bedingt etwas Sicheres, wie Kran-
kenpflege oder Altenfachbetreu-
ung. Gut, ich machte es. Und kam
nach der Ausbildung unter den
Deckel.“
„Deckel, was heißt das?“
„Wir waren damals gerade 22.
Das war im Jahr 2027. Da hat die
Systemregierung, so haben wir sie
genannt, die endgültige Deckelung
der Sozial- und Gesundheitsbud-
gets beschlossen. Aufnahmestopp,
schlechte Betreuungsverhältnisse,
nur noch Grundversorgung für fi-
nanziell schlechter Gestellte. Und
damit wars aus mit meinen Am-
bitionen. Noch ärger waren die
jungen Ärztinnen und Ärzte dran.
Sie konnten das Ganze überhaupt
nicht fassen.“
„Und dann, wie wurdest du eine,
wie hast du gesagt, PE oder so?“
„Mein Glück war die Hygiene.
Die hatte ich als Schwerpunkt in
der Ausbildung. Und die galt was
in der grauen Zeit: Hygiene, Si-
cherheit und Katastrophenschutz,
das waren die Schwerpunkte der
beiden Systemregierungen. Und
da habe ich mich als Hygienikerin
von Job zu Job gehantelt. Immer
maximal Jahresverträge. Rechts-
ansprüche und ein Arbeitsrecht
wie früher gab es ja in dieser Zeit
nicht mehr.“
Nicht eingemischt.
Auch auf
die Frage ihres früheren Nachbarn,
wie es nach Jahrzehnten der De-
mokratie und des selbstverständ-
lich gewordenen Wohlstands zu so
einer Entwicklung kommen konn-
te, hatte sie eine Antwort: „Ich ver-
gesse nie unsere letzte Volksschul-
stunde. Da hat uns unsere Lehrerin
gesagt, dass wir eine ‚aufgewühlte
Zeit‘ vor uns hätten. Das sei da-
mals in einem Magazin gestanden.
Wir haben da nur gelacht. Aber
später, da hätten wir uns als Junge
viel stärker einmischen müssen.
Wir haben die Politik damals ver-
achtet. Wir hätten uns statt dessen
einmischen müssen. Für unsere
Zukunft.“
SERIE
EINE WOCHE 2044, III
von Dr. Lothar Müller
IMPRESSUM
AK TIROLER ARBEITERZEITUNG – AK AKTUELL
Zeitung für Arbeit und Konsumentenschutz
der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Tirol
Medieninhaber und Herausgeber:
Kammer für Arbeiter und Angestellte für Tirol,
6020 Innsbruck, Maximilianstraße 7
Redaktion:
Dr. Elmar Schiffkorn,
Mag. Christine Mandl, Gertraud Walch,
Mag. Henrik Eder, Armin Muigg
Fotos:
AK,
www.fotolia.comDruck:
Intergraphik GmbH, 6020 Innsbruck,
Ing. Etzelstraße 30
Offenlegung gemäß Mediengesetz, § 25 (2):
Kammer für Arbeiter und Angestellte für Tirol, 6020
Innsbruck, Maximilianstraße 7; Präsident: Erwin
Zangerl; Aufgabenstellung: Interessenvertretung
der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer; Die
Blattlinie entspricht jenen Grundsätzen, die im
Arbeiterkammergesetz 1992 BGBl. Nr. 626/1991
idgF festgehalten sind.
Die von der AK Tirol angebotenen Leistungen
kommen ausschließlich ihren Mitgliedern zugute.
Soweit personenbezogene Bezeichnungen nur in
männlicher Form angeführt sind, beziehen sie sich
auf Frauen und Männer in gleicher Weise.
H
ANDELN
&
G
ESTALTEN
12
Nr. 73, April 2015
Ökonomische Leidenswege
Wirtschaft.
Ein neues Buch zeigt, warum Millionen Menschen täglich
leiden müssen, und dass die Weltwirtschaft einem Kreuzweg gleicht.
E
s ist ein gehöriges Unterfangen,
das sich Josef Nussbaumer
– zusammen mit Andreas
Exenberger und Stefan Neuner –
in seinemWerk gestellt hat: Darauf
aufmerksam zu machen, dass Mil-
lionenMenschen leiden, weil unsere
Ökonomie kaum andereWege bereit-
hält, mag weder charmant, noch op-
portun sein, es ist jedoch von enormer
Wichtigkeit. Nussbaumer verzichtet
deshalb auch auf die Schnelllebigkeit
und Oberflächlichkeit der Betrach-
tung, man merkt, er ist ein Sammler,
Beobachter und Kenner der Materie.
Und die Nachrichten und Fakten, die
er gesammelt hat und in den Kontext
eines christlichen Kreuzwegs stellt,
geben zu denken.
In 14 Kapiteln zeigt der Autor
schließlich, worauf es ihm ankommt:
auf die Grundlagen unseres Wirt-
schaftens, die wir uns in rasendem
Tempo selbst entziehen. Die Kapitel
tragen Namen wie
Hunger
,
Konsum
,
Ressourcen
,
Mobilität
,
Boden
,
Wald
,
Wasser
,
Müll
oder
Arbeit
und sie gip-
feln im Kapitel
Verteilung
, das den
Untertitel
Chancenlos
trägt. Denn
überall auf derWelt gibt esMenschen,
die den angeblichen Fortschritt „aus-
leiden“ müssen. Und diese Menschen
sind in der Überzahl – sie gehen Lei-
denswege für denWohlstand anderer,
weil die Wirtschaft sie dazu zwingt.
Das Buch ist eine Fundgrube für
alle, die für andere Wege arbeiten
wollen, damit Lasten und Kostbar-
keiten gerecht verteilt werden. Je-
der Abschnitt gibt Anregungen zum
Nachdenken, im letzten Kapitel zeigt
Nussbaumer, welche Auswege es aus
dem Dilemma geben würde.
CHECK
EUROPA.WEIT
Junge entdecken
am 6. Mai Europa
NEWS
Die Pensionen
in der Zukunft
Wem gehört
die Zeit?
Z
um Leben zu wenig – zum Sterben
zu viel? Beim Thema Pension gehen
die Emotionen hoch. Die
AK Schwaz
organisiert dazu einen kostenlosen
Infoabend am
Dienstag, 28. April, um
19 Uhr
. Erfahren Sie vom Direktor der
Pensionsversicherungsanstalt, Dr. Chri-
stian Bernard, wie die Zukunft unserer
Pensionen aussieht, wie sicher sie sind,
und wie das Pensionskonto funktioniert.
Bitte anmelden unter 0800/22 55 22 –
3752 oder
schwaz@ak-tirol.comÜbrigens: Immer wieder wird
Stimmung gegen unser Pensionssystem
gemacht. Dabei sind die ASVG-Pensi-
onen der Arbeitnehmer zu 93 Prozent
aus Eigenbeiträgen gedeckt. Das gilt bei
den Pensionen der Selbständigen nur zu
etwa 53 Prozent, bei denen der Bauern
nur zu etwa 8 Prozent, unter anderem
deswegen, weil dort die Beitragssätze
niedriger sind. Die AK verlangt: Alle
Berufsgruppen sollen gleich viel in die
Pensionsversicherung einzahlen.
D
ie Politikwissenschaftlerin Ingrid
Kurz-Scherf (Uni Marburg) behan-
delt im Rahmen der Vortragsreihe „
Ein
anderes Europa: Konkrete Utopien und
gesellschaftliche Praxen“
die feministi-
schen Perspektiven amArbeitsmarkt: Am
Di., 21. April, um 18.30 Uhr
in der
AK
Tirol in Innsbruck
. Unter dem Titel
„Wem
gehört die Zeit? – Feministische Perspek-
tiven auf Arbeitsmarkt- und Arbeitszeit-
politik“
befasst sich Kurz-Scherf mit den
Zeitstrukturen von „Arbeit und Leben“
und zeigt die Differenzen für Männer und
Frauen auf: Es geht um den Wandel der
Zeit, Beschleunigung und Entfremdung.
Anmeldung erbeten unter 0800/22 55
22 – 1930 oder
johann.ofner@ak-tirol.comDie Veranstaltungsreihe ist eine
Kooperation von Büro für Gleichstellung
und Gender Studies der Uni Innsbruck,
AK Tirol, ÖGB Tirol und AMS Tirol.
G
roß und bunt wird sie werden, die
Europäische Jugendwoche, die am
6. Mai, von 12 bis 18 Uhr, am Sparkas-
senplatz in Innsbruck
gefeiert wird. Und
dabei können junge Menschen unter dem
Motto
Europa.Weit
zahlreiche Möglich-
keiten entdecken, die ihnen ihmAusland
offen stehen.
Arbeiterkammer Tirol
und
das
InfoEck – Jugendinfo Tirol
informie-
ren Interessierte zwischen 13 und 30 Jah-
ren unter anderem über kostengünstige
und interessante Auslandsaufenthalte
im Rahmen von
AK goes international,
des Europäischen Freiwilligendienstes
Rückenwind,
Praktika im Rahmen von
Tirolerinnen und Tiroler auf der Walz
oder über
Weiterbildungsmöglichkeiten
imAusland.
Auf dem Programm stehen
eine Europasafari und zahlreiche Aktionen
für Kreative. Die Aktion wird vom EU-
Programm Erasmus+ gefördert.
AK INFOABENDE
S
icherheit zuerst, heißt es, wenn mit Frühlings-
beginn wieder die Zeit der Drahtesel kommt.
Deshalb haben die Konsumentenschützer der AK
Tirol auch die Preise und Leistungen für ein „kleines“
und „großes“ Fahrradservice erhoben und enorme
Unterschiede festgestellt. So schwankt der Preis für
ein „kleines Service“ zwischen 20 und 72 Euro, jener
fürs „große Service“ bewegt sich zwischen 40 und
130 Euro, auch die Preise pro Arbeitsstunde reichen
von 36 bis 72 Euro.
Da die „Inklusivleistungen“ der verschiedenen
Anbieter sehr unterschiedlich sind, sollte vorher
nachgefragt werden, was imAngebot tatsächlich
enthalten ist. Ausschlaggebend sind nämlich nicht
nur der Preis, sondern auch die darin konkret inklu-
dierten Leistungen. Diese sollten sich Konsumenten
genau erklären lassen, bevor sie ihr Rad zum Service
geben, wobei bei der Anfrage auf bereits bekannte
Mängel hingewiesen werden sollte.
Die Details zur Erhebung gibt es auf ak-tirol.com
Das richtige Service
zum richtigen Preis
Foto: Maridav/Fotolia.com
Leidenswege der Ökonomie, STUDIA
Universitätsverlag Innsbruck, 2015; € 19,90
Gewinnen Sie
ein Exemplar!
S
chreiben Siean
ak@tirol.com, Stichwort
„Leidenswege“