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WISO Seite 5

Im Wandel

Die europäischen Arbeitsmärkte auf dem Weg in die Teilzeitgesellschaft

ZEITLEISTE

Mag. Armin Erger, Mag. Fabian Klammer

Seit 2009, seit dem Ausbruch der weltweiten Finanz-

krise in die Realwirtschaft, befindet sich Europa und

die europäische Wirtschaft in einem offensichtlich

krisenhaften Zustand: der europäische Wirtschafts-

motor kommt nicht recht in Schwung und Konjunktur-

prognose müssen regelmäßig nach unten korrigiert

werden. Aus einer Perspektive heraus, die den Men-

schen in den Mittelpunkt stellt, bleibt die schwierige

Lage am Arbeitsmarkt der Kern des Problems. Im

dritten Quartal 2014 waren in der EU fast 25 Milli-

onen Menschen ohne Arbeit. Zwar reduzierte sich

die Zahl der Arbeitslosen im Jahresvergleich um 1,8

Millionen Menschen, aber von einer tiefgreifenden

Erholung kann noch lange nicht gesprochen werden.

Denn auch die Struktur des europäischen Arbeits-

marktes verändert sich. Die europäischen Arbeits-

welten orientieren sich immer mehr in Richtung Teil-

zeit. In besonderem Maße gilt dies für die Länder der

Eurozone: in ihnen steht eine stagnierende Vollzeit-

beschäftigung einer deutlich zunehmenden Teilzeit-

beschäftigung gegenüber.

Österreich ist dafür ein gutes Beispiel. Während zwar

die Beschäftigtenzahlen zunehmen, bleibt die Zahl

der insgesamt geleisteten Arbeitszeit gleich. Das

heißt, ein konstantes Ausmaß an Arbeit wird auf im-

mer mehr Köpfe verteilt. Gegen Teilzeitarbeit ist prin-

zipiell nichts einzuwenden, aber in unseren derzeiti-

gen Systemen der öffentlichen Finanzierung und der

sozialen Sicherung bringt sie längerfristig Nachteile:

einerseits einen geringeren Pensionsanspruch in der

Zukunft, andererseits eine relative Verkleinerung der

Steuerbasis, da sehr viele der Teilzeitbeschäftigten

keine Lohn- oder Einkommenssteuer zahlen. Das ist

solange vergleichsweise wenig problematisch, so-

lange es sich um zusätzliche Teilzeitbeschäftigte am

Arbeitsmarkt handelt.

Längerfristig kann es zu einem vermehrten auftreten

von Altersarmut kommen, wenn etwa Erwerbskarrie-

ren immer fragmentierter werden und lange Phasen

in Teilzeitarbeit enthalten. Außerdem kann für die

öffentliche Hand Druck entstehen, Verbrauchssteu-

ern zu erhöhen oder einzuführen. Diese wirken aber

sozial unausgeglichen, da sie die niedrigen Einkom-

mensschichten stärker betreffen.

Die Arbeitsmärkte steuern auf ein Dilemma zu, das

uns noch lange beschäftigen wird.

cc Tobi Gaulke